Realsatire: ein Briefwechsel mit dem EBA wegen der Einhaltung des Nachtsprengverbots in Untertürkheim

Wegen der sehr geringen Überdeckung in Untertürkheim hat die Bahn vom Landesamt für Bergbau keine weitere Ausnahmegenehmigung für Nachtsprengungen zwischen 22 bis 6 Uhr erhalten bzw. den Antrag nach einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart zurückgezogen. Das Gericht hatte im Februar 2017 zwar den Eilantrag von zwei Eigentümerinnen aus rein formalen Gründen abgelehnt. Aus der Begründung des Beschlusses ergibt sich jedoch recht deutlich, dass das Verwaltungsgericht davon ausgeht, eine Überschreitung der Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 2 bei Erschütterungen von den Nebenbestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses nicht gedeckt sei. Das Gericht geht von einem Planbefolgungsanspruch der Betroffenen aus.

Damit sind Sprengungen im Obertürkheimer Tunnel im Abschnitt rund um Untertürkheim nach 22 Uhr nicht zulässig. Auch wenn der Vortrieb bereits hinter dem Lindenschulviertel steht, muss diese Auflage eingehalten werden. Die beiden Eigentümerinnen, die auch das Eilverfahren wegen des Nachtsprengverbotes vor dem Verwaltungsgericht angestrengt hatten, haben jedoch Anfang August mit Blick auf ihre Funkuhren festgestellt, dass eine Sprengung nach 22 Uhr stattfand. Zwar nur um zwei Minuten, aber eben innerhalb des nicht genehmigten Zeitraums. Doch das Sprengprotokoll der Tunnelbaufirma wies als Sprengzeitpunkt 21:58 aus. Die beiden beauftragten daraufhin ihren Anwalt beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) nachzuhaken.

Daraus entwickelte sich ein Schriftverkehr mit der Aufsichtsbehörde, der leider als Realsatire reif für die NDR-Extra3-Rubrik „Der reale Irrsinn“ wäre. Wir möchten Ihnen die Fragen des EBAs und die Anworten der Eigentümerinnen nicht vorenthalten.

Hier die Rückfrage des EBAs an den Anwalt der beiden Eigentümerinnen:

Und hier die Antworten der Eigentümerinnen aus Untertürkheim:

„Gerne beantworten wir die Fragen. Im Folgenden wird zunächst die Situation am 06.08.2017 um 22.02 Uhr beschrieben, anschließend Bezug zu den konkreten Fragen genommen.

Am 06.08. 2017 um 22:02 Uhr befand sich Frau S. in Ihrem Wohnzimmer im Erdgeschoss. Frau S. verfolgte eine Fernsehsendung. Auf dem Couchtisch, welcher unmittelbar vor dem Sofa steht, befindet sich in einer Entfernung von ca. 1, 20m- 1,40 m eine Funkuhr (je nachdem, wo die Funkuhr nach dem Reinigen des Couchtischs abgestellt wird). Um die Uhrzeit der Funkuhr optisch von der Sitzposition auf dem Sofa zu erfassen, bedarf es einer Kopfdrehung von ca. 25 Grad. In diesem Raum ist das die einzige Funkuhr.

Frau A. befand sich am 06.08.2017 um 22.02 Uhr in ihrem Arbeitszimmer im ersten Obergeschoss. Im Abstand von ca. 1,80 m befindet sich gegenüber des PC-Arbeitsplatzes ein Regal, in dem auf der Höhe von 99 cm und vom Schreibtischstuhl aus ohne Probleme zu sehen, eine Funkuhr. Um die Uhrzeit zu erfassen, bedarf es im Gegensatz zur oben beschriebenen Situation im Wohnzimmer von Frau S. keiner Kopfdrehung, sondern lediglich einer geringen Augenbewegung nach links.

Die Sprengung am 06.08.2017 um 22.02 Uhr bestand wie üblich aus mehreren Sprengungen, also einer Sprengfolge. Bei der ersten Sprengung der Sprengfolge blickte Frau A. mit einer Augenbewegung nach links auf die Funkuhr im Regal gegenüber des Arbeitsplatzes (s. o.) und stellte fest, dass diese Uhr 22.02 Uhr anzeigte.

Um die Uhrzeit zu verifizieren, stand Frau A. noch während der Sprengungen der Sprengfolge von ihrem Schreibtischstuhl auf und ging zügig über den Flur in ihr Schlafzimmer auf dem gleichen Stockwerk und öffnete die Türe. (Flurlänge 13,50 m, Schrittlänge (Zehenspitze linker Fuß bis Fersenende rechter Fuß) ca. 70 cm, Zeitbedarf, um die Strecke zurückzulegen und die Türe zu öffnen: ca. 9 Sekunden). Von der Schlafzimmertüre aus ist ein Funkwecker zu sehen mit großen beleuchteten Ziffern, die die Uhrzeit anzeigen. Auch dieser Funkwecker zeigte 22.02 Uhr.

Um die Uhrzeit, die die Funkuhr im Wohnzimmer von Frau S. mit anderen Uhren zu vergleichen, ging Frau S. unmittelbar nachdem sie ihren Kopf um ca. 25 Grad nach rechts gedreht und festgestellt hatte, dass ihre Funkuhr 22.02 Uhr anzeigte, in das 1. OG und traf sich an der Schlafzimmertüre von Fr. A. mit selbiger.

Es stellte sich heraus, dass alle drei Funkuhren den Zeitpunkt der Sprengungen mit 22.02 Uhr angegeben hatten. Somit kann ausgeschlossen werden, dass durch einen technischen Defekt einer Uhr eine falsche Behauptung in den Raum gestellt wird.

Zu den Fragen:

Fragen 1 und 2: Um eine Sprengung mit den damit verbundenen Schwingungen und Geräuschimmissionen wahrzunehmen, ist es eine zwingende Voraussetzung, dass die Personen im Haus anwesend und wach sind. Ebenso setzt das Ablesen von Funkuhren, die sich im Haus befinden, eine Anwesenheit im Haus sowie einen wachen Zustand voraus. In Bezug auf eine mögliche Ablenkung s. Beschreibung der Situation oben.

Frage 3: Wohnzimmer Frau S.: 1 Funkuhr, Arbeitszimmer Frau A.: 1 Funkuhr, Schlafzimmer Frau A.: 1 Funkuhr (s. auch Beschreibung oben)

Frage 4: Selbstverständlich schauten nicht beide Personen gleichzeitig auf drei Funkuhren, sondern Frau S. auf ihre Funkuhr im EG und Frau A., wie oben beschrieben, ihre beiden im 1.OG. Ein Abgleich der Funkuhren ergab, dass alle drei Uhren die gleiche Zeit anzeigten. (Details s. o.)

In der Annahme, zur Klärung entscheidend beigetragen zu haben

Mit freundlichen Grüßen

Frau S. und Frau A.“

 

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