I Gestattungsverträge und deren Ausgestaltung im PFA 1.6a
1. Welche Schritte werden Sie und Ihre Partei unternehmen, die Deutsche Bahn AG bzw. die Tochter DB Netz AG zu veranlassen, Gestattungsverträge vorzulegen, die dem Anspruch einer angemessenen Entschädigung genügen?
Den Grundstückseigentümern dürfen keinerlei Risiken oder Beeinträchtigungen bei der Nutzung ihrer Grundstücke auferlegt werden. Wenn Stuttgart 21 gebaut werden soll, müssen, wie in beim Bau der Münchner U-Bahn, die Bauwerke zumindest so erstellt werden, dass eine Oberflächennutzung möglich ist (z.B. durch verstärkte Tunnelwände oder erschütterungsarmer Gleisführung). Ist die Bahn dazu nicht bereit und beeinträchtigt die Rechte der Grundstückseigentümer, darf es nicht gebaut werden.
2. Welche Schritte leiten Sie bzw. Ihre Partei außerdem ein, die im sogenannten „Stuttgarter Verfahren“ (Vorschlag der DIA Consulting AG) rein auf subjektiver Wertminderung basierenden Entschädigungsvorschläge in ein Verfahren umzuwandeln, das die Belange der Eigentümer angemessen berücksichtigt?
Sämtliche Eigentümer, die einen Wertverlust ihres Grundstücks erleiden, müssen vollständig von der Deutschen Bahn entschädigt werden. Eine Teilenteignung ohne vollständigen finanziellen Ausgleich wäre höchstens denkbar, wenn S21 mehr Leistungsfähigkeit für den Bahnverkehr bringen würde. Da S21 zumindest keine Steigerung des Zugverkehrs bedeutet (49 Züge sind nicht mehr als 50Züge!), wahrscheinlich aber ein deutlicher Rückbau der Schieneninfrastruktur darstellt, ist eine Teilenteignung aus Sicht der Linken völlig unzulässig. Ist die Deutsche Bahn zu einer angemessenen Entschädigung nicht bereit, darf Stuttgart 21 nicht gebaut werden.
3. Welche Schritte werden Sie und Ihre Partei unternehmen, die Deutsche Bahn AG bzw. die Tochter DB Netz AG zu veranlassen, bei eventuell entstehenden Schäden die Beweisumkehr (die Bahn weist nach, dass der Schaden nicht durch sie entstanden ist) in die Gestattungsverträge aufzunehmen?
In sämtlichen Gestattungsverträgen muss unmissverständlich eingefügt werden, dass die Beweislast bei der Deutschen Bahn liegt und keinesfalls bei den Grundstückseigentümern. Die Linke wird diese Forderung sowohl im Bund als auch auf kommunaler Ebene unterstützen. Dies gilt auch für bauwerksichernde Maßnahmen vor und während der Bauzeit. Es geht nicht an, dass die LBBW und Daimler diese Schutzmaßnahmen erhält, die Eigentümer/Bewohner des PFA 1.6a westlich des Neckars (Tunnelverbindung Untertürkheim-Obertürkheim), die zumindest gleich schwierige Untergrundbedingungen haben wie die oben genannten Firmen (extrem niedrige Untertunnelungstiefe; Gebäude die auf Pfählen stehen), aber keine bauwerksichernden Maßnahmen erhalten sollen.
4. Was wollen Sie und Ihre Partei dafür tun, dass der Immissionsschutz auf dem aktuellsten und technisch möglichen Stand bei S21 durchgeführt wird und nicht auf dem Stand einer Planfeststellung aus dem Jahr 2007, die sich auf Pläne aus dem Jahr 2002 bezieht und angesichts der zu erwartenden Bauzeit bei Fertigstellung völlig veraltet sein wird?
Für sämtliche Immissionen des Projekts Stuttgart 21 müssen neue, objektive, transparente Gutachten erstellt werden, die auf der aktuell, realistisch berechneten Bauzeit beruhen. Können die Gesetze zum Immissionsschutz nicht eingehalten werden, darf Stuttgart 21 nicht gebaut werden.
II. Lärmbeeinträchtigung durch den geplanten Wartungsbahnhof PFA1.6b
1. Wie stehen Sie als Wahlkreiskandidatin zu der drohenden Lärmproblematik am Wartungs- und Abstellbahnhof Untertürkheim?
Die voraussichtlich sehr starke Lärmbelastung am Wartungsbahnhof Untertürkheim ist einer von zahlreichen Gründen, warum ich das Projekt Stuttgart 21 komplett ablehne. Ich fordere einen sofortigen Baustopp an allen Bereichen des Projekts und stattdessen die wesentlich günstigere Erneuerung des bestehenden Kopfbahnhofs.
2. Welche konkreten Schritte werden Sie unternehmen, um der Bevölkerung vor einer Planfeststellung die Problematik praktisch erfahrbar zu machen – beispielsweise mit einer Lärmsimulation?
Ich bin seit 2010 Mitglied des Bündnisses gegen Stuttgart 21 und Mitglied des Demo-Organisationsteams. In diesem Bündnis habe ich mit meinen Mitstreitern zahlreiche Aktionen, Veranstaltungen und Proteste gegen Stuttgart 21 organisiert und persönlich daran teilgenommen.
Dabei haben wir auch auf die zahlreichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Projekts für die Bevölkerung von Stuttgart aufmerksam gemacht, wie zum Beispiel die starke Lärmbelastung für die Anwohner der Baustellen und des Wartungsbahnhofs in Untertürkheim. Verkehrs- und Industrielärm stellen ein Gesundheitsrisiko dar. Es ist aus Sicht der Linken völlig undenkbar das Recht jedes Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit einem zumindest zweifelhaften Bahnprojekt zu opfern. Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz vor Verkehrs- und Industrielärm unter Berücksichtigung des Standes der Technik.
3. Werden Sie sich für ein neutrales Lärmgutachten einsetzen, das nicht von der Bahn beauftragt wurde und auch die konkreten topografischen Gegebenheiten im Neckartal berücksichtigt?
Ein solches unabhängiges Gutachten ist dringend notwendig, um die tatsächliche Lärmbelastung für die Menschen in Untertürkheim festzustellen. Es ist ein grundsätzliches Problem, dass sämtliche Informationen über das Projekt von der Deutschen Bahn AG stammen und sich in der Vergangenheit immer wieder als falsch herausgestellt haben.
Deshalb werden sich unsere Stadträte der Fraktion DIE LINKE / SÖS dafür einsetzen, dass die Stadt Stuttgart ein solches Gutachten in Auftrag gibt und insbesondere die Bürger von Untertürkheim mit entscheiden lässt, welcher Gutachter ausgewählt wird.
4. Auch wenn der 5db(A)-Schienenbonus erst ab 2016 zur Anwendung kommen wird (geändertes BlmSchG), halten Sie es für sinnvoll, dass bei einem Jahrhundertprojekt, das frühestens 2020 in Betrieb gehen soll, dieser Bonus nicht gelten soll, dass also noch Regelungen aus dem letzten Jahrhundert zur Anwendung kommen sollen?
Die Abschaffung des Schienenbonus ist richtig und muss auch für Stuttgart 21 gelten. Insbesondere weil bis heute nicht sämtliche Teile des Projekts planfestgestellt sind.
5. Was werden Sie konkret für die Bewohner von Untertürkheim unternehmen, um für den noch nicht planfestgestellten Abschnitt 1.6b den optimalen Lärmschutz nach modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen durchzusetzen?
So lange nicht sämtliche Teile von Stuttgart 21 planfestgestellt sind, müssen sämtliche Bauarbeiten gestoppt werden. Erst wenn objektive Informationen über die (Lärm)-Belastung der Bürger vorhanden sind, kann eine sinnvolle Entscheidung über den optimalen Lärmschutz getroffen werden. Deswegen kämpfe ich weiter für einen sofortigen Baustopp.
6. Werden Sie sich in einem Projekt, bei dem aller Erfahrung nach bei weiter steigenden Kosten nach Einsparpotenzial gesucht werden wird, gesetzliche Mindestanforderungen akzeptieren und sich auf die Eigenwirtschaftlichkeit der Bahn berufen können/wollen?
Ich verlange, dass sämtliche Gesetzte bezüglich der Lärm- und Abgasbelastung der Bürger eingehalten werden. Ausnahmegenehmigungen darf es nicht geben.
Die Gesundheit der Bürger ist wichtiger als Wirtschaftlichkeit der Bahn. Die Deutsche Bahn muss wieder dem Wohl der Menschen dienen, statt der Maximierung des Profits.
Marta Aparicio