Eigentümer was tun ? Wenn die Bahn zwei Mal klingelt. Unsere Empfehlungen.
Die Gestattungsverträge für die Unterfahrung durch S21, die von der Bahn vorgelegt wurden, sind völlig unzureichend.
In diesen Tagen kommen Vertreter der Bahn in die Häuser, um die Unterschriften unter die Gestattungsverträge bei den Eigentümern einzuholen. Einem solchen Besuch vorausgegangen ist in der Regel ein Schreiben der Bahn (früher: Landsiedlung), in dem auch ein Entschädigungsangebot für die Unterfahrung enthalten ist. Dazu finden folgende Empfehlungen:
1. Zunächst gilt: Wir wollen verhandeln. Den vorgelegten Vertrag unterschreiben wir so nicht.
2. In dem ersten Schreiben der Bahn sind Sie zu keiner irgendwie gearteten Initiative aufgefordert worden. Wenn sich die Bahn zu einem Gesprächstermin bei Ihnen anmeldet, bestehen Sie darauf, dass Sie den Entwurf für den Gestattungsvertrag vorher zugeschickt bekommen.
3. Wenn die Bahn dann kommt und fragt, ob Sie mit dem Entschädigungsangebot einverstanden sind, sagen Sie, dass sie über die einzelnen Bestimmungen verhandeln wollen. Dazu würden Sie sich ggf. einen Beistand in der Person eines Fachmanns (Jurist, Architekt oder Bauingenieur) holen wollen.
4. In den Gesprächen bzw. Verhandlungen muss es dann um folgende Dinge gehen:
4.1. Begründung und Detaillierung der angebotenen Entschädigungszahlung insbesondere hinsichtlich des Bodenrichtwerts und der ermittelten Dienstbarkeitsfläche. Ihr Gegenüber soll die Ermittlung der Entschädigung nachvollziehbar und schriftlich ausführen.
4.2. Sagen Sie dem Vertreter der Bahn, dass Sie mit einer Entschädigung, die allein auf dem Bodenrichtwert basiert, nicht einverstanden sind. Vielmehr wollen Sie den Bodenwert und die Bebauung des Grundstücks sowie die objektive Wertminderung berücksichtigt haben. Bitten Sie um ein entsprechend erweitertes Angebot.
4.3. Lassen Sie sich sagen, welche baulichen Maßnahmen Ihrerseits durch die Dienstbarkeit ausgeschlossen wären. (Das ist wichtig für die objektive Wertminder- ung). Die Bahn soll klar legen, welche baulichen Maßnahmen Sie künftig dulden und welche sie begründet ablehnen wird, um den Tunnel vor Schäden zu schützen.
Fordern Sie, mögliche Immisionsbeeinträchtigungen (Lärm, Vibrationen etc. durch den Betrieb) zu benennen.
4.4. Klären Sie mit der Bahn, welche Entschädigung bezahlt wird, wenn nach Jahren bauliche Schäden auftreten?
4.5. Lassen Sie den Vertreter der Bahn wissen, dass Sie mit dem Haftungsparagraphen (§3) des Gesatttungsvertrags nicht einverstanden sind. Im dortigen Absatz heißt es:
“Darüber hinaus verpflichtet sich die DB Netz AG, den Eigentümern den während des Baus oder späteren Betriebes der Anlage ursprünglich entstandenen und nachgewiesenen Schaden im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu ersetzen bzw. den Ausgleich von Bauschäden unmittelbar durch den ausführenden Baubetrieb zu veranlassen. “
Fordern Sie Beweislastumkehr, d.h. nicht Sie die Ursächlichkeit des Schadens nachweisen müssen, sondern die DB Netz AG den Nachweis liefern muss, dass der Schaden nicht Folge des Projektes ist. Nur die DB Netz AG hat die für eine solche Frage wichtigen Unterlagen.
Fordern Sie weiter, dass für alle Schäden und Haftungsfragen – auch in Zukunft – nur die Bahn (und nicht eine ausführende Firma) zuständig und “entschädigungspflichtig” ist.
4.6. Sollte es zu keiner Einigung bei den Verhandlungen kommen, und Sie damit defintiv zunächst nicht unterschreiben, wird die Bahn beim Regierungspräsidium die Enteignung und die vorzeitige Einweisung in den Besitz der für das Bauvorhaben benötigten Fläche beantragen.
Das Regierungspräsidium wird Sie zu diesen Anträgen hören und darüber mündlich verhandeln. Es muss auf eine Einigung hinwirken. Es entscheidet danach jeweils durch Beschluss.
Danach kann geklagt werden. Für eine Klage gegen die Enteignung oder die Besitzeinweisung als solche ist das Verwaltungsgericht, für die Klage gegen die Höhe der Entschädigung ist das Landgericht zuständig.
5. Auch bei einer Enteignung und einer vorzeitigen Besitzeinweisung muss die Bahn selbstverständlich eine Entschädigung bezahlen.
6. Kosten kommen auf den Eigentümer nur zu, wenn er gegen die vorzeitige Besitzeinweisung oder gegen den Enteignungsbescheid Klage erhebt. Die Verfahren beim Regierungspräsidium sind für den Eigentümer kostenfrei.
Diese Informationen geben die persönliche Meinung der Autoren (Netzwerke) wieder. Sie stellen keine Rechtsberatung dar.
Wichtige Information: Die Juristen zu Stuttgart 21 haben einen alternativen Gestattungsvertrag erarbeitet. Dieser führt viele Punkte aus, die hier als Empfehlungen aufgeführt sind. Den entsprechenden Vertragsvorschlag, finden Sie unter : http://www.juristen-zu-stuttgart21.de/Informationen_Stellungnahmen_files/GestattungsvertragJurzS21.pdf
und eine Stellungnahme der Juristen zu S21 zum Vertragsvorschlag der LBBW Landsiedlung im Auftrag der DB Netz AG an die Eigentümer entlang der Tunnelstrecken S21 betr. Unterfahrrechte / http://www.juristen-zu-stuttgart21.de/Informationen_Stellungnahmen_files/Stellungnahme%20JurzS21.pdf
Update: Einen aktuellen alternativer Vertragsentwurf der Juristen zum Gestattungsvertrag können betroffene Eigentümer gegen eine Spende bei den Netzwerken 21 beziehen.