Riesige Sprengstaubwolken im Kernerviertel, aber Messwerte liegen unter dem Grenzwert der TA Luft

Letzte Woche haben wir über das Gespräch der Netzwerke mit der Bahn und dem S21-Immissionsschutzbeauftragten für Staub und Luftschadstoffe Dr. Achim Lohmeyer wegen der Sprengstaubbelastung berichtet. Dr. Lohmeyer hatte beim Gespräch allerdings keine aktuellen Messwerte für die Rettungszufahrt Süd / Kernerviertel dabei. Jetzt haben wir im Nachgang von der Bürgerbeauftragten Alice Kaiser die aktuellen Messswerte für den seit Juni 2016 wieder in Betrieb genommenen Messpunkt 13 an der Rettungszufahrt erhalten, der oberhalb des Wagenburgtunnels an der Urbanstraße liegt. Folgende Werte wurden danach in den letzten Monaten an der Rettungszufahrt Süd gemessen:

Es fällt auf, dass die Werte im Juli und August, als die Sprengstaubwolken besonders  heftig über das Kernerviertel gezogen sind, deutlich höher liegen. Dennoch erreichen sie nicht den Grenzwert für die Staubbelastung nach der TA Luft. Dieser liegt im Jahresmittel bei 350 mg/ (m2 und Tag). In den letzten beiden Messzeiträumen überschritt nur die LUBW-Messtation am Neckartor diesen kritischen Wert.  Hier die Schaubilder aus den beiden Kurzberichten des Immissionsschutzbeauftragten für die beiden Messzeiträume Juni 2014 bis Mai 2015 und Juni 2015 bis Mai 2016:

2014-15-staub-s21

2015-16-staub-s21

Es zeigt sich,  dass die Messwerte bzw. der Jahresgrenzwert für den Staubniederschlag keine Aussagekraft für punktuell sehr heftige Staubwolken haben. Auch nach Aussage des Immissionsschutzbeauftragten staubte es bei bei den Sprengungen an der Rettungszufahrt Süd neben dem Wagenburgtunnel „affenartig“. Hier noch ein Foto aus einer Twittermeldung vom Mai:

STaub Twitter b

Dennoch spiegelt sich dies in den Messwerten an der Rettungszufahrt/Urbanstraße nur in leicht erhöhten Werten wieder. Die Staubbelastung ist damit nach den „objektiven“ Werten zulässig. Die stinkenden Sprengstaubwolken stellen jedoch für die Anwohner des Kernerviertels eine starke „subjektive“ Beeinträchtigung dar.

Auch die Auflage aus der Planfeststellung zur Minimierung des Staubniederschlags beim   Tunnelbaubetrieb hilft nicht weiter, wenn nach Einschätzung des  Immissionsschutzbeauftragten die Bahn alle machbaren staubmindernden Maßnahmen umgesetzt hat. Wegen des quellfähigen Anhydrits können die Sprengwolken nur innerhalb der  letzten 200-300 Meter vor dem Tunnelportal mit Wasser aus Düsenbögen benebelt werden.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Sprengstaubwolken im Kernerviertel weiterhin eine Begleiterscheinung des Tunnelbaus sein werden und die Messwerte nur eine begrenzte Aussagekraft haben. Der Jahresgrenzwert für Staubniederschlag der TA Luft, der eine „erhebliche Belästigung“darstellt, wird nur am Messpunkt Neckartor überschritten, an dem täglich 80.000 (!) Autos vorbeifahren. Ein hoher Grenzwert, der ansonsten auch bei einem Baustellenbetrieb kaum erreicht wird. Wahrscheinlich deshalb hat die Stadt Stuttgart seit dem Jahr 2003 die Messungen des Staubniederschlags in der Luft komplett eingestellt.

Die Versprechungen im Vorfeld des Großprojekts, dass die Bürger  vom Bau der unterirdischen 59 Kilometer Tunnel für Stuttgart 21 mitten in einer Großstadt nichts mitbekommen werden, erweisen sich auch beim Thema Staubbelastung als pure Werbeaussagen.

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