Zu Beginn des neuen Jahres möchten wir wieder einen Überblick über den Baufortschritt beim Tunnelbau für Stuttgart 21 geben. Mitte November konnte man bereits in den Stuttgarter Zeitungen lesen, dass 60 Prozent der Tunnel der Stuttgart 21-Tunnel vorgetrieben sind. Wie bereits erwähnt, war dies ein paar Wochen verfrüht. Jetzt, zum 8.Januar 2018, sind knapp vier Jahre nach dem Start der ersten Vortriebsarbeiten rund 60 %, d.h. 35,2 km von 58,8 Kilometer vorgetrieben. Nachfolgend finden Sie den Vortriebsstand der einzelnen Tunnel zum 08.01.2018 sowie weitere Zahlen in unseren Übersichten ab Oktober 2015 / bis September 2015:
Durchschnittlich wurde in den letzten vier Wochen bis vor der Weihnachtspause pro Tag rund 30 Meter vorgetrieben. Davon entfällt die Hälfte auf die 15,7 Meter, die die Tunnelvortriebsmaschine durchschnittlich pro Tag aufgefahren hat.
Was ohnehin angesichts des Baufortschritts offensichtlich war, ist seit Ende November 2017 klar. Nach Presseberichten verschiebt sich der offizielle Inbetriebnahmetermin von zuletzt Ende 2021 auf Ende 2024. Wir hatten seit Jahren in unseren Beiträgen zum Vortriebsstand darauf hingewiesen, dass eine Inbetriebnahme von Stuttgart 21 Ende 2021 angesichts der 59 Kilometer Tunnelbau unter der schwierigen Stuttgarter Geologie nicht realistisch sei. Und auch nicht bei einer monatlichen 1.000-Meter-Marke, wie vom damaligen Bahnvorstand Volker Kefer im Verkehrsausschuss des Bundestages angekündigt.
Nach einem Bericht der FAZ (hier) sind das größte Problem bei Stuttgart 21 derzeit die beiden Tunnel nach Bad Cannstatt und Feuerbach: „Der Feuerbacher Tunnel bestimmt den Fertigstellungstermin 2024“, sagte ein Bahn-Mitarbeiter. Allein die schwierige Geologie auf dem Stuttgarter Stadtgebiet verursache zusätzliche Kosten in Höhe von 144 Millionen Euro: […] Außerdem müsse im wasserempfindlichen Anhydrit-Gestein die zweieinhalbfache Silikongel-Menge gespritzt werden, die Ingenieure ursprünglich berechnet hätten.“
Anhand der von der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) veröffentlichten wöchentlichen Grafiken möchten wir Sie wieder über den Vortrieb in den einzelnen PFAs/ Stadtteilen informieren:
PFA 1.2.Fildertunnel / 1.6a Obertürkheimer Tunnel (Innenstadt, d.h. Rettungszufahrt Süd / Kernerviertel / Gänsheide incl. Uhlandshöhe):
- Die fabrikhallengroße Wendekaverne müsste jetzt einschließlich des Bodens, auf dem die Maschine wenden soll, fertig gestellt sein. Ende Oktober meldeten die beiden Stuttgarter Zeitungen, dass die Ausbrucharbeiten für die Halle abgeschlossen seien. Die Lage der Wendekaverne ist auf der präsentierten Folie erkennbar.
- Die Tunnelvortriebsmaschine ist von Degerloch aus Mitte November zur dritten Schildfahrt Richtung Gänsheide gestartet. Aktuell ist sie unter der Degerlocher Waldau. Laut den letzten Zeitangaben der PSU soll sie im Frühsommer die Wendekaverne unter der Gerockstraße erreichen. Für das Wenden der Maschine sind noch einmal 4-5 Monate vorgesehen.
- Seit September 2017 laufen unter der Gänsheide noch die Vortriebsarbeiten an der Oströhre des Obertürkheimer Tunnels Richtung Verzweigungsbauwerk. Gesprengt wird rund um die Uhr im (anhydritführenden) unausgelaugten Gipskeuper. Nach der Grafik sind die Arbeiten unter der Heidehofstraße angelangt.
- Die auf der Anwohnerveranstaltung im März vorgestellten vorbereitenden Bohrungen vom Schacht in der Urban- und Sängerstraße für die Hebungsinjektionen im Kernerviertel sind noch am Laufen. Jedoch wurde noch kein Beton in den Untergrund zur Hebung der Gebäude verpresst. Laut der Auskunft der Bürgerbeauftragten Alice Kaiser sollen die Anhebung der Wohnhäuser Anfang 2018 starten. Erst wenn die ersten Hebungsinjektionen zur Verdichtung des Bodens und die Anhebung der Gebäude im ersten Hebungsfeld abgeschlossen sind, kann mit dem Vortrieb des Anfahrbereichs unter dem Kernerviertel Richtung Hauptbahnhof begonnen werden.
PFA 1.2. / Fildertunnel (Fasanenhof, Möhringen, Degerloch):
- Die Tunnelvortriebsmaschine ist Mitte November von Degerloch aus zur dritten Schildfahrt Richtung Gänsheide gestartet. Die Maschine ist aktuell unter der Degerlocher Waldau. Die massive Anhydritzone müsste jetzt erreicht worden sein.
- Die Vortriebsarbeiten in der Oströhre stehen wieder am Rand der Wohnbebauung. Beim Vortrieb der ersten Röhre beklagten sich viele Anwohner über die Erschütterungen, die trotz der hohen Überdeckung von fast 100 Meter, deutlich hör- und spürbar waren.
PFA 1.3.a (Flughafen-Tunnel) und PFA 1.3b Tunnel im Filderabschnitt (Tunnel Flughafen-/Rohrer-Kurve)
- Die Bauarbeiten im PFA 1.3a sind immer noch nicht angelaufen („Kein Spatenstichle“). Dies liegt weniger an der Klage der Schutzgemeinschaft gegen den Planfeststellungsbeschluss, als am alternativen oberirdischen Flughafenbahnhof an der A8. Diesen möchte die Projektgesellschaft allein schon wegen der Kostenfrage ihren Projektpartnern „schmackhaft“ machen.
- Im Zuge des Anhörungsverfahrens zum Planfeststellungsabschnitt 1.3b „Gäubahnführung“ krisierten sowohl die betroffenen Gemeinden als auch die Anwohner und die Schutzgemeinschaft Filder die Planungen der Bahn für den geplanten Bau und Betrieb der Strecke.
- Näheres finden Sie unter unseren Beiträgen über den Filderbereich.
PFA 1.4. Denkendorf (Tunnel Denkendorf + Bau oberirdische Strecke entlang der A8)
- Mitte Dezember meldete die PSU, dass die erste Hälfte des Tunnels Denkendorf fertiggestellt sei und dass die Autobahn verschwenkt werde.
- Anfang Januar stürzte allerdings ein LKW in die Tunnelbaustelle und hat dabei Teile der Tunnelbaustelle mitgerissen. Die PSU meldete, dass sich die Reparaturarbeiten noch länger hinziehen könnten.
- Ohnehin verzögern sich die Bauarbeiten entlang der A8, da diese erneut ausgeschreiben wurden. Darüber berichtete die Stuttgarter Zeitung Anfang Juni. Die Bahn erklärt dies mit Optimierungspotentialen, die bei der Vergabe der eng verzahnten Bauarbeiten an einen einzigen Bauunternehmer erzielt werden können.
- Projektchef Manfred Leger führte im März 2017 auf der Anwohnerveranstaltung im Rathaus die „komplexen Schnittstellen mit den Autobahnanschlussstellen auf der A8″ als eine der Herausforderungen von Stuttgart 21 auf.
PFA 1.5. / Tunnel Bad Cannstatt (Killesberg, Bad Cannstatt):
- Seit Mitte Oktober 2017 ist der Vortrieb des Cannstatter Tunnels unter dem bewohnten Gebiet abgeschlossen. Für die Anwohner des Killesbergs gingen damit mehr als zwei Jahre andauernde Sprengungen zu Ende.
- Zum Schutz gegen eindringendes Wasser sind nach dem Vortrieb entlang der anhydritführenden Strecken des Bad Cannstatter Tunnels zusätzlich auch die Radialinjektionen erforderlich. Laut Lenkungskreisunterlage vom 27. Oktober 2017 waren damals 11% dieser Injektionen ausgeführt.
- Am Verzweigungsbauwerk unter dem Kriegsberg laufen die Verschalungsarbeiten.
- Weiterhin laufen die bergmännischen Tunnelvortriebsarbeiten von der Ehmannstraße Richtung Bad Cannstatt zum Bau des Kreuzungsbauwerk unter dem Rosensteinpark.
- Immer noch nicht genehmigt ist die Fällung von hundert Bäumen im Naturschutzgebiet am Neckarhang des Rosensteinparks. Hier fehlt immer noch die Zustimmung der EU, insbesondere für die sechs Juchtenkäfer-Verdachtsbäume. Die PSU hoffte zuletzt auf die Genehmigung zum Fällen der Bäume im Oktober 2017.
- Anfang Oktober berichteten Vertreter der PSU über Stand der Bauarbeiten im Bezirksbeirat Nord.
PFA 1.5. / Tunnel Feuerbach (Killesberg, Feuerbach):
- Der Vortrieb des Feuerbacher Tunnels erfolgt weiterhin im Bereich der Birkenwaldstraße. Auch der Bau des Feuerbacher Tunnels erfolgt im 24-Stunden-Sprengvortrieb, den die Anwohner im Umkreis deutlich mitbekommen.
- In Richtung Feuerbach steht der Vortrieb der Ost- und Weströhre aus unbekannten Gründen weiterhin seit über einem halben Jahr auf Höhe der Rüdigerstraße.
- Wegen der zusätzlichen Kunststoffinjektionen zum Schutz vor eindringendes Wasser kommen die Vortriebsarbeiten beim Feuerbacher Tunnel nur langsam voran. Durchschnittlich 2,6 Meter werden täglich jeweils in beiden Tunnelröhren als Strecke aufgefahren. Die PSU geht davon aus, dass wahrscheinlich der Vortrieb der Weströhre Ende des ersten Quartals 2018 und der Oströhre Ende des zweiten Quartals 2018 abgeschlossen sei.
- Allerdings klagen Anwohner am Wartberg immer noch über den Lärm der Lüfter, der mit dem fortschreitenden Vortrieb trotz der Maßnahmen weiter zunimmt und unerträglich sei. Ende November fand ein Vorort-Termin mit Vertretern der PSU statt, über den das Netzwerk Killesberg berichtete.
- Anfang August wurden die Anwohner des Wartbergs und des Dornbusch von der Bahn über das jetzt am Zwischenangriff Prag geplante Entrauchungsbauwerk informiert. Diese Entrauchungsbauwerk ist Teil des geänderten Brandschutzkonzeptes für Stuttgart 21.
PFA 1.5. / S-Bahn-Tunnel (Europa- und Nordbahnhofviertel)
- Die Bauarbeiten des S-Bahn-Tunnels auf Höhe des Hauptbahnhofs sind angelaufen. Die Bahn kündigt für Ende Februar und Ende März nächtliche Bauarbeiten an, die auch im unteren Kernerviertel hörbar seien können.
PFA 1.6a/ Tunnel Obertürkheim (Wangen, Untertürheim, Obertürkheim, Gablenberg):
- Nach der Unterfahrung des Lindenschulviertels kommen die Vortriebsarbeiten der beiden Röhren Richtung Obertürkheim wegen der schwierigen Geologie im Neckartal nur schleppend voran. Seit Monaten laufen die Vortriebsarbeiten einer Röhre hinter dem Sportplatz, unter dem der Untergrund mit Betoninjektionen gegen weiteren Wassereinbruch verhärtet wurde. Der Tunnelvortrieb stockte deshalb über ein Jahr.
- Nach der Tunnelhaverie in Rastatt hatte die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS an den Oberbürgermeister eine Anfrage wegen der Tunnelbaurisiken im Bereich des Neckars gestellt. Die Antwort des Oberbürgermeisters bzw. der Stadtverwaltung traf Anfang Dezember ein.
- In Richtung Untertürkheim unterquert seit Ende November die dritte Röhre die Sohle des Neckars. Auch hier wird zum Vortrieb des Tunnels rund um die Uhr gesprengt.
PFA 1.6b Abstellbahnhof Untertürkheim
- Nachdem die Bahn ihre Pläne für den S21-Abstellbahnhof in Untertürkheim zum dritten Mal seit 2006 komplett überarbeitet hat, hat sie diese laut einer Pressemitteilung der PSU Anfang April 2017 beim Eisenbahn-Bundesamt zur Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens einreicht.
- Nach einem Kontext-Bericht vom September 2017 ruht das Genehmigungsverfahren allerdings zurzeit – auf Wunsch der Bahn: „Der Planfeststellungsantrag des PFA 1.6b ruht aktuell, da es offene Punkte in der technischen Planung gibt, die sich durch die Vergabe von Verkehrsleistungen an andere Eisenbahnverkehrsunternehmen als die DB ergeben haben“, sagt nun ein Bahnsprecher auf Kontext-Anfrage. Auch wegen offener Punkte im Artenschutz müsse der Antrag überarbeitet werden.