Oberbürgermeister antwortet auf Anfrage der SÖS-Linke-Plus-Fraktion nach Tunnelbaurisiken im Neckartal

Nach der Tunnelhaverie in Rastatt hat die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS an den Oberbürgermeister eine Anfrage (hier) wegen der Tunnelbaurisiken im Bereich des Neckars gestellt. Die Fraktion erläuterte den Anlass:  „In Untertürkheim kam es ja bereits zu einem Wassereinbruch- seitdem ruhen die Arbeiten dort. In diesem Gebiet liegt der Ölhafen, der Zentralversand von Mercedes Benz, einige Wohn- und Geschäftshäuser sowie wichtige Schienen- und Straßeninfrastruktur. Im Falle einer erneuten Havarie könnte es hier zu erheblichen Schäden und Einschränkungen kommen. Grund genug hier im Vorfeld zu klären, welche Sicherungsmaßnahmen die Bahn ergreifen will.“

Jetzt traf die Antwort des Oberbürgermeisters bzw. der Stadtverwaltung (hier) ein. Die Stadt betont, dass die Beantwortung der Fragen 1 bis 8 auf Grundlage einer Stellungnahme der DB Projektgesellschaft Stuttgart– Ulm GmbH erfolgte, teilweise ergänzt durch die Verwaltung. Die Fragen 9 und 10 wurden mit von Seiten der Hafen Stuttgart GmbH beantwortet.

Zur besseren Lesbarkeit haben wir die Anfrage der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS mit den Anworten der Stadt Stuttgart ergänzt.

Anfrage der der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS vom 13.09.2017:

Nach der Tunnelhavarie in Rastatt stellen sich mehrere Fragen zu Risiken beim Tunnelbau auch bei Stuttgart 21. In der Nähe des Neckars ist die Vergleichbarkeit des Untergrundes zwischen Rastatt und Stuttgart durchaus gegeben. Im Bescheid zur Änderung des Planfeststellungsbeschlusses für den Bauabschnitt 1.6a vom 3. Juli 2017 schreibt das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) auf Seite 15 von „hochdurchlässigen Neckarkiesen“, was den Schluss zulässt, dass es sich hier um einen ähnlich fragilen Untergrund handelt wie in Rastatt. Für den fragilen Untergrund spricht auch, dass die Häuser in Untertürkheim auf Höhe des Ölhafens auf Betonpfählen gegründet wurden.

Im Bereich des Ölhafens in Untertürkheim wollen die Stuttgart-21-Betreiber teilweise weniger als sechs Meter unter der Erdoberfläche unter dem einzigen Zufahrtsgleis für das gesamte Hafengelände zwei Tunnelröhren mit jeweils 11 Meter Durchmesser hindurch bohren. Im Falle einer ähnlichen Havarie wie in Rastatt wäre der gesamte Schienenverkehr des Hafens sowie der Logistik der dort ansässigen Firmen unterbrochen. In Rastatt wurden vier Häuser im Umkreis von 50 Metern von der Unglücksstelle evakuiert, weil sich in Folge des Tunnelkollapses in solch weitem Umkreis Nachrutschungen ereignet haben und sich Löcher im Boden bildeten. Im Falle einer Tunnelhavarie mit ähnlichen Auswirkungen wären am Stuttgarter Hafen mehrere Häuser sowie die nur halb so weit entfernten Öltanks und das damit verbundene Betankungs-Pipeline-System an den Gleisen unmittelbar betroffen.

Frage 1. Mit welcher Tunnelbautechnik baut die Bahn AG im Bereich des Stuttgarter Hafens und welche Sicherheitsmechanismen kommen bei der verwendeten Bautechnik zur Anwendung?

Antwort Stadt: Im gesamten Neckartal kommt als Bauverfahren der konventionelle bergmännische Vortrieb in Form der Spritzbetonbauweise als Bagger- und Sprengvortrieb zum Einsatz. Im Gegensatz zum maschinellen Vortrieb stehen dabei je nach vorgefundenen geologischen Verhältnissen zahlreiche vorauseilende Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung.

Frage 2:  Plant die Bahn AG im Bereich des Hafens mit Hilfe der in Rastatt angewandten
Vereisungstechnik den Untergrund zu stabilisieren?

Antwort Stadt:  Eine Anwendung des Vereisungsverfahrens ist nicht vorgesehen.

Frage 3: Welche Sicherheitsvorkehrungen trifft die Bahn AG im Bereich des Ölhafens (Am Nordkai /Bruckwiesenweg) für den Fall einer Tunnelhavarie, bei dem der Untergrund zwischen Tunnelfirst und Erdoberfläche absacken könnte?

Antwort Stadt: Um eine Tunnelhavarie zu vermeiden, wird durch vorauseilende Erkundungen und begleitende Messungen im Tunnel und an der Oberfläche sichergestellt, dass Art und Umfang der Sicherungsmaßnahmen an die vorgefundenen geologischen Verhältnisse laufend angepasst werden können. Damit besteht die Möglichkeit bei unerwarteten Ereignissen rasch mit geeigneten Maßnahmen zu reagieren.

Frage 4: Welche Sicherheitsvorkehrungen trifft die Bahn AG für den Fall, dass infolge eines ungewollten Absenkens des Untergrundes die Öltanks und das dazugehörige Betankungs-Pipeline-System beschädigt werden?

Antwort Stadt: Eine Beschädigung der Öltanks sowie des „Betankungs-Pipeline-Systems“ wird aufgrund des Abstands zur Tunnelröhre mit mindestens 30 Metern und der Erkenntnisse der vorliegenden Erkundungen ausgeschlossen.

Frage 5: In welchem Abstand zwischen Tunnelfirst und den Betonpfählen, auf denen die Häuser zwischen Bruckwiesenweg und Am Nordkai stehen, plant die Bahn den Tunnel zu graben? Wie hoch schätzt die Bahn die Gefährdung ein, dass diegenannten Betonpfähle durch den Tunnelvortrieb beschädigt werden?

Antwort Stadt: Die Gebäude Bruckwiesenweg 24 bis 40 sind nach Überprüfung sämtlicher beim Baurechtsamt vorliegenden Planunterlagen mit einer Flachgründung ausgeführt worden.

Frage 6: Welche Vorkehrungen trifft die Bahn AG für den Fall, dass der Boden absackt für den Abschnitt des Bruckwiesenwegs 40 bis zur Kreuzung Otto-Konz-Brücken, der ebenfalls auf Betonpfählen steht?

Antwort Stadt: Siehe Beantwortung Frage 3

Frage 7: Mit welcher Sicherungstechnik plant die Bahn AG das einzige Zufahrtsgleis zum Hafen gegen ein Absacken des Untergrundes zu stabilisieren? Kann dies im laufenden Betrieb realisiert werden?

Antwort Stadt: Bei den vorliegenden geringen Überdeckungen wird nach der vorliegenden Planung der Vortrieb voraussichtlich im Schutz eines Rohrschirms ausgeführt. Art und Umfang werden anhand der tatsächlich vorgefundenen geologischen Verhältnissen vor Ort entschieden.

Frage 8:  Unter dem Kunstrasenplatz am Untertürkheimer Bruckwiesenweg kam es vor einem Jahr zu einem Wassereinbruch. Warum wurde seitdem an der Stelle der Tunnelvortrieb nicht weiter vorangetrieben?

Antwort Stadt: Der Vortrieb für die zweiröhrige Tunnelzuführung Ober-/Untertürkheim erfolgt über den Zwischenangriff (ZA) Ulmer Straße in Stuttgart-Wangen. Infolge des Wassereinbruchs unter dem Albert-Dulk-Weg wurde vom 3. September 2016 an der Vortrieb unterbrochen, bis der Untergrund unter dem Sportplatz der SG Untertürkheim mit Zementinjektionen gesichert war. Darüber hat die DB Projekt Stuttgart – Ulm GmbH die Öffentlichkeit ausführlich informiert (siehe auch Beantwortung zur Anfrage 271/2016). Inzwischen sind seit Mitte August die Vortriebsarbeiten abwechselnd in beiden Tunnelröhren Richtung Obertürkheim wiederaufgenommen worden. Der Vortrieb der ersten Röhre hat den Fußballplatz mittlerweile fast vollständig unterquert.

Frage 9: Welche für die Stadt Stuttgart wichtigen Betriebsstoffe werden in den Ölhafentanks bevorratet?

Antwort Stadt: Im Hafen bei Tanklager Stuttgart (TLS) sind Diesel, Benzin und Heizöl gelagert.

Frage 10: Welche Auswirkungen auf die Stadtversorgung (Tankstellennetz, Heizöl etc.) hätte analog zum Tunneleinbruch in Rastatt eine zweimonatige Unterbrechung der schienengebundenen Erreichbarkeit des Containerterminals und Ölhafens sowie der schienenerschlossenen Industriebetriebe im Hafenbereich?

Antwort Stadt: „Die Stadtversorgung ist aus Sicht der Hafen GmbH auch bei Unterbrechung der Zufahrtsgleise gewährleistet, da in Karlsruhe im Rheinhafen diese Stoffe in ausreichender Form bevorratet werden. Ein Ausfall der Bahngleise würde eine Verlagerung auf LKW und Schiff notwendig machen. Für den Bau des Tunnels hat das Tanklager Stuttgart und die Hafen GmbH entsprechende Auflagen hinsichtlich der durchzuführenden vortriebsbegleitenden Überwachung gegenüber der Bahn gefordert und vertraglich vereinbart.

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