Vorletzten Dienstag fand im Rathaus eine Informationsveranstaltung für die Anwohner des Kernerviertels statt, zu der die städtische Bürgerbeauftragte Alice Kaiser und die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle eingeladen hatten. Fast dreihundert Anwohner folgten der Einladung. Die beiden Stuttgarter Zeitungen berichteten letzten Freitag im Innenstadteil (hier) über die Veranstaltung.
Als Vertreter der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) saßen auf dem Podium Manfred Leger (Geschäftsführer), Michael Pradel (Abschnittsleiter PFA 1.1.), Günther Osthoff (Abschnittsleiter PFA 1.2./1.6.), Dr. Florian Bitzer (Leiter Fachbereich Projektbeteiligte, Umwelt), Dr. Peter Schütz (Rechtsbeistand), Dr. Lohmeyer (Immissionsschutzbeauftragter Staub und Abgase) sowie Peter Fritz (Immissionsschutzbeauftragter Schall und Erschütterung). Für die SSB waren der Infrastrukturleiter der SSB für Stuttgart 21, Winfried Reichle, und als Vertreter des Tiefbauamtes Bernd Schröder vertreten.
In ihrem Grußwort (hier) kritisierte die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle die Reihenfolge der Information. Die Bauplanung wurde dieses Mal von der Bahn vor der Anwohnerveranstaltung bereits auf einer Pressekonferenz und im Umwelt-und Technikausschuss des Gemeinderates vorgestellt. Damit konnten die Rückmeldungen aus der Anwohnerschaft nicht mit einfließen. Sie forderte daneben Selbstverständlichkeiten wie die Veröffentlichung von Messdaten, Sondergenehmigungen, Nachtbauarbeiten und Bauzeiten im Internet. Und sie regte an, ob nicht angesichts der Vielzahl der S21-Baustellen weitergehende Formate der Beteiligung der Anwohner erforderlich sind.
Manfred Leger, Chef der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH, verwies in seiner Begrüßung auf den Baufortschritt bei Stuttgart 21 (Folie). Das Projekt käme zügig voran. Mit 26 Kilometer wären fast die Hälfte der Strecken gegraben. Am Startbaufeld 16 würden jetzt die Arbeiten an den unteren Kelchfüßen starten, die bereits Ende April sichtbar wären. Dass die weitere Genehmigung laut einem StZ-Bericht (hier) noch nicht freigegeben ist und mit einer Fertigstellung des ersten der 28 Lichtkelche erst 2018 zu rechnen sei, erwähnte er nicht. Er verwies in seiner Rede auch auf den 4.000 Zug mit Aushub am Nordbahnhof und den Baufortschritt beim Tunnelbau, wie beispielsweise den Start Kreuzungsbauwerk Ehmannstraße, die Unterfahrung des Neckars mit zwei der geplanten vier Röhren und den anstehenden Durchschlag der ersten Röhre des Obertürkheimer Tunnels unter Gablenberg.
Als Herausforderungen bei diesem Projekt (Folie) nannte er die Ökologie, die Vortriebsarbeiten im quellfähigen Anhydrit, die Vielzahl von Planänderungsverfahren sowie die komplexen Schnittstellen beim Bau des Abschnitts PFA 1.4. entlang der Autobahn. Beim Thema Anhydrit verwies er auf den im Januar stattgefundenen Sonderlenkungskreis, einen zusätzlich beauftragten Schweizer Gutachter; erwähnte jedoch nicht das kritische KPMG-Gutachten. Im zweiten Teil der Veranstaltung räumte er auf Nachfrage ein, dass der Zeitplan aufgrund der Verzögerungen bei der Genehmigung in anderen Planfeststellungsabschnitten und den zweijährigen Bauverzögerungen der sehr komplexen Arbeiten am Südkopf nicht zu halten sei. Dennoch halte die Bahn aus verschiedenen Gründen noch am offiziellen Inbetriebnahmedatum von Stuttgart 21 zum Dezember 21 fest. Wir haben darüber berichtet.
Rund ums Kernerviertel sind eine Vielzahl von Baustellen am Laufen bzw. geplant. Daher war der Fragenkatalog, den das Netzwerk Kernerviertel im Vorfeld der Veranstaltung bei der Bürgerbeauftragten Alice Kaiser eingereicht hatte, mit rund 30 Fragen (hier) sehr umfangreich. Dennoch müssen wir positiv erwähnen, dass mit Unterstützung durch die Bürgerbeauftragte Alice Kaiser nahezu alle Fragen von den Vertretern der PSU angesprochen wurden. Auch wenn manche Antwort bei den Lärmimmissionen nicht befriedigend war. Im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen wurden auf der Veranstaltung von den Bahnvertretern Zeitpläne präsentiert. Auch das oben erwähnte Eingeständnis von S21-Chef Manfred Leger zum nicht mehr einzuhaltenden Zeitplan von Stuttgart 21 war spürbar von einem Schritt zu mehr Offenheit gegenüber den jahrelang betroffenen Anwohnern geprägt. Es war aus Sicht des Netzwerks Kernerviertel bislang die informativste Veranstaltung.
Angesichts der Vielzahl an geplanten Baustellen mussten die betroffenen Anwohner des Kernerviertels jedoch sehr viel Geduld mitbringen. Die Veranstaltung dauerte incl. anschließender Fragerunde fast dreieinhalb Stunden, über deren wichtigste Punkte wir auch mit Folien aus der veröffentlichten Präsentation (hier) zusammengefasst – und wegen des Umfangs auch nur mit wenigen Kommentaren versehen- berichten:
- Bauplanung der Bahn am Südkopf
- Über die aktuell laufenden und anstehenden Arbeiten für den „Tiefbahnhof“ berichtete der Abschnittsleiter Michael Pradel, so an den Baufeldern 16 (Herstellung der Kelchfüße), BA 22 (Bodenplatte, Teil der Wände, Herstellung Decke), BA 25 (Gründungs- und Aushubarbeiten) und dem BA 24 (Hilfsbrücke, um mehr Fläche für den Bau des BA 25 zu gewinnen) und dem Nesenbachdüker. Die Übersicht der Baufelder am Südkopf finden Sie in den Folien seiner Präsentation.
- Zeitpläne: Michael Pradel zeigte einen sehr übersichtlichen Zeitplan für die am Südkopf bis 2019 geplanten Bauarbeiten:
sowie einen detaillierten Zeitplan für die beiden Baufelder 25 und 24, die in der Nähe der Wohnhäuser des Kernerviertels liegen:
- Gründe für die Verzögerungen an den Baufeldern 16, 22, 25, die nach dem im August 2014 zum Baustart präsentierten Zeitplan bereits bis Sommer 2016 fertig gestellt sein sollten, wurden nicht erwähnt.
- Die Fußwege entlang der Baustelle werden sich voraussichtlich im dritten Quartal ändern. Die bisherigen Stege zu den Gleisen und die Rampe fällt weg. Die neuen Fußwege gehen aus der Folie (hier) hervor.
- Auch die Verkehrsführung entlang der Schillerstraße und der B 14 wird sich 2017 und 2018 wieder mit dem Bauablauf ändern. Die Folien findet man in der Präsenation.
- Rammarbeiten sind am Südkopf nicht mehr vorgesehen. Auf die ursprünglich geplanten Rammarbeiten im BA 25 neben der ehemaligen Polizeistation habe man nach drei gesetzten Rammpfählen verzichtet. Der Boden unter der Doline sei tragfähiger als erwartet gewesen. Daher werden in diesem Abschnitt und im BA 24 nur noch Bohrpfähle gesetzt. Die umliegenden Anwohner müssten daher nicht mit Erschütterungen rechnen wie sie derzeit am Hauptbahnhof spürbar sind.
- Nachtbauarbeiten sollen nur stattfinden soweit sie unvermeidlich sind. Anwohner würden im Vorfeld mit Flyern informiert werden. Auf Nachfrage aus dem Publikum räumte Michael Pradel ein, dass für die Bewehrung der Baufelder entlang der B14 auch Nachtbauarbeiten eingeplant sind, weil das städtische Ordnungsamt die Sperrung einer Fahrspur nicht genehmigt habe. Die Anwohner würden jedoch von diesen Arbeiten nur wenig mitbekommen. Der Immissionsschutzbeauftragte Peter Fritz habe die Lärmbelastung prognostiziert. Um diese in Grenzen zu halten, werde während dieser nächtlichen Bauzeiten das Förderband ausgeschalten. Veronika Kienzle warf ein, dass diese vom städtischen Ordnungsamt auferlegten Nachtbauarbeiten auch vorher im Bezirksbeirat Mitte hätten diskutiert werden sollen.
- Michael Pradel bot an, dass er offen für Rückfragen sei. Man könne ihn oft auch an den alternativen Bauführungen der Ingenieure 22 treffen, die jeweils am ersten Mittwoch eines Monats stattfinden.
2. Bauplanung der SSB für den Bau der neuen Haltestelle Staatsgalerie
- Bernd Schröder vom städtischen Tiefbauamt stellte die derzeit laufenden und geplanten Bauarbeiten der SSB entlang der B14 und der Schillerstraße vor. Die Folien seiner umfangreichen Präsentation finden Sie auf den Seiten 25-49.
- Die SSB wird in den nächsten Jahren in drei Abschnitten entlang der B14 bauen, die aus der folgenden Übersicht abgebildet sind:
- Im Baufeld am Innenministerium wird das Tunnelstück zwischen der Bestandsstrecke und dem bereits hergestellten, neben dem Planetarium liegenden Tunnelabschnitt gebaut. Die Bauarbeiten werden unter Beibehaltung des Stadtbahnbetriebs nahe an der Bestandsstrecke durchgeführt. Ab März starten die Bohrpfahlarbeiten. Für Juni und August 2017 sind jeweils eine Woche Nachtarbeiten mit lauten Bohrpfahlsetzungen geplant. Auch hier stellt sich die Frage, ob dies auch mit einer Spursperrung umgangen werden könnte. Die B 14 wird wieder verschwenkt werden. Ab August erfolgt der Einbau einer Kfz-Hilfsbrücke.
- Am Baufeld am Planetarium wird ein Teil der Haltestelle Staatsgalerie abgerissen. Sobald die Bahn den Trogblock 22 hergestellt hat, beginnen die SSB-Arbeiten für die neue Haltestelle. Ursprünglich war deren Fertigstellung Mitte 2017 geplant. Jetzt werden die Arbeiten ab 2018 starten und „eine Weile“ hinziehen. Ein Zeitpunkt für die geplante Inbetriebnahme der neuen SSB-Haltestelle wurde nicht genannt.
- Am Baufeld rund um das Königin-Katharina-Stift laufen bzw. sind geplant die Arbeiten für die neue unterirdische Streckenführung der SSB Richtung Charlottenplatz sowie für den Nesenbachdüker.
- Die Sperrung der SSB-Stammstrecke Richtung Charlottenplatz war bis August 2017 geplant und wird voraussichtlich bis Dezember 2017 noch andauern. Danach wird die Stammstrecke Richtung Hauptbahnhof für eine mindestens zwei Jahre gesperrt werden. Die Stuttgarter Zeitungen berichteten bereits darüber. Damit die beiden neuen SSB-Tunnel gebaut werden können, muss der Nesenbachdüker von der Bahn hergestellt und der alte Kanal abgerissen sein. Vor 2020 ist nicht damit zu rechnen.
- Die Bauarbeiten der SSB-Arbeiten sind abhängig vom Baufortschritt der Bahn rund um den geplanten „Tiefbahnhof“. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre mit dem schleppenden Baufortschritt der Bahn ist es verständlich, dass ein konkreter Zeitplan für die SSB-Bauarbeiten nicht mehr präsentiert wurde.
3. Tunnelbau des Obertürkheimer Tunnels und des Fildertunnels
Die anstehenden Tunnelvortriebsarbeiten und den Zeitplan stellte Abschnittsleiter Günther Osthoff vor. Die Vortrieb der einzelnen Tunnel verdeutlicht diese Grafik:
- Im Gegensatz zur letzten Infoveranstaltung für den Stuttgarter Osten präsentierte der Abschnittsleiter einen Zeitplan für die in 2017 und 2018 anstehenden Vortriebsarbeiten:
- Aus der Folie geht jedoch nicht hervor, dass ein Großteil des Vortriebs der zweiten Röhre des Obertürkheimer Tunnels von einem neu geschaffenen Zwischenangriff im dritten Querschlag über den ZA Wangen laufen soll. Dies erspart den Anwohnern des Kernerviertels einen Teil des Aushubs, des Lärms durch die erhöhte Lüftungsleistung der Ventilatoren und den Staubwolken bei Sprengungen im Anhydrit.
- Günther Osthoff ging auch auf die Wendekaverne (Folie) näher ein. Sie soll 2017 incl. der Zulaufröhren in bergmännischem Vortrieb in ausgelaugten Gipskeuper aufgefahren werden. Auf Nachfrage erklärte er, dass an dieser Stelle nicht mit einem Anhydritvorkommen gerechnet wird. Die Kaverne soll wie geplant unter der Gerokstraße mit einer Länge von 37 m, einer Breite von 11,80m und einer Höhe von 12,85 m gebaut werden. Dennoch ist sie für die Tunnelvortriebsmaschine (TVM) mit einem Querschnitt von 10,84 Metern sehr eng. Die von Degerloch startende Maschine soll auf ihrer dritten Schildfahrt die Wendekaverne im Frühjahr 2018 erreichen. Für die Wende der Maschine sind ca. 5 Monate eingeplant. Anschließend soll sie ihre letzte Schildfahrt von der Kaverne aus Richtung Degerloch starten.
- Der Vortrieb für die beiden Röhren des Anfahrbereichs unter dem Kernerviertel soll erst 2018 nach Durchführung der ersten Hebungsinjektionen starten.
4. Hebungsinjektionen unter dem Kernerviertel
- Günther Osthoff stellte auch die für rund 22 Gebäude geplanten Hebungsinjektionen vor. Es sei ein bewährtes Verfahren. Die Gründe, warum neben den ursprünglich geplanten 8 Gebäude (grün) jetzt weitere 14 Gebäude (rot) angehoben werden sollen, erwähnte er nicht. Ebenfalls nicht die zu erwartenden Senkungen, die ein Gutachten des Tunnelbausachverständigen der Bahn vom März 2013 in dem erweiterten Hebungsfeld zwischen 4-5 cm prognostiziert. Die beiden Hebungsfelder sind aus dieser Folie ersichtlich:
- Für die Hebungsinjektionen sind drei Schächte erforderlich. Zwei der Schächte (Urbanstraße, Sängerstraße) sind fertig gestellt. Mit dem dritten Schacht am ehemaligen Polizeirevier kann erst begonnen werden, wenn die angrenzenden Baufelder hergestellt sind.
- Anwohner in der Urbanstraße beklagten die Lärmbelastung bei der Herstellung des Schachtes. Die Baufirma sei selbst gegen Mitternacht mit dem Bagger angerückt.
- Das obere Schaubild zeigt, dass der Schacht an der Urbanstraße die ganze Hangbebauung bis zum Schützenplatz abdecken soll. Das Hebungsfeld 1+2 soll von den beiden unteren Schächten in der Sängerstraße und neben der Polizei gesteuert werden. Vom Schacht drei in der Urbanstraße sollen rund 120 Bohrungen aus gehen von den beiden anderen Schächten jeweils 45-50 Bohrungen. Laut Günther Osthoff werden die Bohrungen, die von den Schächten aus unter den Gebäuden durchgeführt werden, rund vier Monate dauern und nur während des Tageszeitraums stattfinden.
- Vor dem eigentlichen Tunnelvortriebsarbeiten werden Vorinjektionen durchgeführt, die im ersten Schritt mit 2 bar den Boden verdichten bzw. Hohlräume verfüllen und im zweiten Schritt mit 10 bar die Gebäude um ca. 50% der prognostizierten Senkungen anheben. Die folgende Folie verdeutlicht den Zeitplan für die einzelnen Schritte:
- Die Pumpen können rund um die Uhr in Gang gesetzt werden. Nach seiner Aussage werden von ihnen jedoch keine belastenden Geräuschimmissionen ausgehen, zumal die Hälfte des Schachts zur Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs abgedeckt werden soll. Dass nach dem schalltechnischen Gutachten des Immissionsschutzbeauftragten bei diesen Pumpen als Punktschallquellen jeweils mit einer beurteilten Schallleistung von 81 dB(A) zu rechnen ist, erwähnte er nicht.
- Zur Steuerung der Injektionsvorgänge werden mit Einverständnis der Eigentümer Schlauchwaagen (Folie) in den Untergeschossen der Häuser installiert, die mit einer Messgenauigkeit von 0,1 mm messen.
- Zeitplan: Der Anfahrbereich unter dem Kernerviertel soll in 2018 aufgefahren werden. Nach dem präsentierten Zeitplan werden die vom Schacht 3 ausgehenden Vorinjektionen erst bis Anfang/Mitte 2018 abgeschlossen. sein. Erst dann kann der eigentliche Vortrieb unter dem Kernerviertel vom Verzweigungsbauwerk Süd Richtung Bahnhof unter dem Hebungsfeld 3 (rot) starten. Ob und das Hebungsfeld 1+2 (grün) nur mit einem Schacht aus unterfahren werden kann oder ob noch die Herstellung des Schachtes 1 und die darauffolgenden Vorinjektionen abgewartet werden muss, wurde auf der Veranstaltung nicht angesprochen.
- Günther Osthoff präsentierte in einer Folie auch die Messpunkte an den Gebäuden und an der Geländeoberfläche (Folie). Unklar blieb, ob auch schon vor den eigentlichen Vortriebsarbeiten bereits Messungen durchgeführt werden.
5. Geplantes Schallbauwerk Süd auf dem Baufeld 25
- Viele Fragen der Anwohner betrafen das Schwallbauwerk Süd, das auf dem Baufeld 25 unmittelbar neben den Wohnhäusern im Kernerviertel gebaut werden soll.
- Auf die Frage nach einer realistischen Größendarstellung des Schwallbauwerks zeigte Abschnittsleiter Michael Pradel eine Folie, auf der das Schwallbauwerk in einem Gebäudekomplex entlang der Sängerstraße baulich eingebunden ist. Dies seien gerade aktuelle Überlegungen, aber noch keine spruchreifen Planungen. Auf der Folie war erkennbar, dass nach diesen Überlegungen das seit Jahren leer stehende Wohngebäude Sängerstraße 6 durch einen Neubau ersetzt werden soll.
- Entgegen dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss ist für den Luftwechsel und Druckausgleich der dauerhafte Einsatz von Ventilatoren am Schwallbauwerk nicht mehr erforderlich. Die vier Hochleistungsventilatoren werden an 10 Tagen im Jahr tagsüber in einem einstündigen Probebetrieb getestet.
- Dabei gäbe es keine Konflikte mit der dafür geltenden TA Lärm, so der Immissionsschutzbeauftragte Peter Fritz. Die Immissionswerte von max. 70 dB(A) bei den umliegenden Wohngebäuden würden eingehalten werden. Dass jedoch einmal im Jahr ein Test im Volllastbetrieb erforderlich ist, bei dem das Wohngebiet mit einem deutlich höheren Pegel beschallt wird, erwähnte er nicht. Auch nicht, dass die hohen Werte des Testbetriebs laut dem Änderungsbescheid des EBAs nur unter Ausnutzung einer Ausnahmeregelung, Ziffer 6.1. der TA Lärm zulässig sind.
- Beim Lärm des unterirdischen Bahnbetriebs, der durch die Öffnungen des Schwallbauwerk nach oben übertragen wird, werden laut Einschätzung von Peter Fritz die Anforderungen gemäß der 16. BImSchV sowohl am Tag als auch in der Nacht eingehalten. Nähere Angaben zu den zu erwartenden Immissionen machte er nicht.
- Auf die Frage einer Anwohnerin, ob mit den die Öffnungen des Schwallbauwerks auch eine Luftbelastung des Kernerviertels durch den unterirdischen Bahnbetrieb (Stichwort Feinstaub durch Schienenabrieb) verbunden sei, verneinte Peter Fritz dies. Seiner Antwort, dass mit den Zügen auch die frische Luft von den Fildern herunterkommt, konnte jedoch nur bedingt gefolgt werden.
6. Immissionen / Staub und Feinstaub
- Der Immissionsschutzbeauftragte für Staub und Luftschadstoffe Dr. Achim Lohmeyer stellte die Staubmessungen am Urbansplatz (orange) seit Mai 2014 vor. Da die Messstelle für ein Jahr außer Betrieb genommen wurde, sind die Messwerte am Königin-Katharina-Stift (hellblau) verzeichnet. Trotz den teilweise sehr dichten Sprengstaubwolken lagen die Messwerte beider Messstellen deutlich unter dem Grenzwert (rot). Zur Verdeutlichung, dass der Grenzwert nicht völlig unrealistisch ist, hat er in seiner Folie den Messpunkt Nordbahnhofstraße (dunkelblau) aufgenommen:
- Er ging in seiner Präsentation kurz auf die Maßnahmen ein, um beim Sprengvortrieb die Staubbelastung zu mindern (Folie).
- Nach den anhaltenden Protesten der Anwohner und der Eltern auf dem nahe gelegenen Spielplatz wurde eine Feinstaubmessstation am begrünten Urbanspplatz oberhalb des Wagenburgtunnels aufgestellt. Die seit 19.11.2016 dort gemessenen Werte liegen meist in der Größenordnung wie die Messwerte der Feinstaubmessstation am Hauptbahnhof:
- Dr. Lohmeyer erläuterte, dass er daher nicht erklären könne, ob die Überschreitungen vom Verkehr oder vom Baustellenbetrieb resultieren. Dass am Hauptbahnhof und am Urbansplatz eine ganz unterschiedliche Belastung durch den Autoverkehr herrscht, wurde nicht angesprochen.
- Auf die Frage aus dem Publikum, ob er seine Enkelkinder an diesem Spielplatz mit den immer wieder erhöhten Feinstaubwerten spielen lassen würde, antwortete er mit einem „Ja“.
7. Immissionen / Lärm
Die Folien des Immissionsschutzbeauftragten für Schall und Erschütterungen Peter Fritz finden sich nicht in der online gestellten Präsentation. Daher müssen wir leider auf teilweise unscharfe Fotos zugreifen.
- Auf die Frage, welche maximalen Immissionen durch das geplante Baugeschehen zu erwarten seien, präsentierte er zwei Folien für die Baulärmeinwirkung für den Tages- und Nachtzeitraum:
- Diese beiden Schallimmissionspläne sind dem schalltechnischen Detailgutachten für die Innenstadt vom Oktober 2015 entnommen. Man findet sie im Anhang 5.1.2. ab Seite 285 für die verschiedenen Lastfälle, d.h. den Berechnungen zugrunde gelegten Bauszenarien. Die beiden Karten bilden den Lastfall 3 mit lärmintensiven Bauarbeiten im Baufeld 21 und 23 ab.
- Zahlreiche Anwohner beschwerten sich auf der Veranstaltung durch den lauten brummenden Dauerlärm der Tunnelbelüftung an der Rettungszufahrt Süd, der auch durch die Fenster dringt und den Nachtschlaf behindert. Wir hatten über diese Lärmbelastung an der Rettungszufahrt bereits mehrfach berichtet, zuletzt am 19.März. Erst nach einem Antrag des Netzwerks Kernerviertel auf Einsicht beim Eisenbahn-Bundesamt veröffentlichte die PSU einen einzigen Bericht über die Lärmmessungen des letzten halben Jahres, der hohe Lärmpegel von deutlich über 60 dB(A) im Nachtzeitraum auswies.
- Zu den Messdaten am nahe gelegenen Messpunkt Urbanstraße 62 präsentierte der Immissionsschutzbeauftragte eine Folie, die ebenfalls nur einen Messwert seit Mitte Oktober enthielt und der deutlich über seiner Prognose lag: Nicht erwähnt wurde, dass die Folie nur die Werte der ruhigsten Nachtstunde zwischen 2 und 3 Uhr enthielt und die Durchschnittswerte für den gesamten Nachtzeitraum zwischen 20 bis 7 Uhr noch höher liegen.
- Zur Lärmbelastung erklärte der Rechtsbeistand der PSU Dr. Peter Schütz, dass nach der Planfeststellung die Richtwerte der AVV-Baulärm nicht eingehalten werden können. Die gälte auch den im Wohngebiet maximalen nächtlichen Spitzenpegel von 60 dB(A). Dies ist jedoch nicht ganz richtig. Zwar erlaubt der Planfeststellungsbeschluss die Richtwerte der AVV-Baulärm zu überschreiten, doch der nächtliche maximale Spitzenpegel ist dennoch zu beachten. Auf diese Vorgabe wird in den schalltechnischen Detailgutachten des Immissionsschutzbeauftragten, der zugleich als Gutachter fungiert, hingewiesen. So auch im aktuellen schalltechnischen Detailgutachten für die Innenstadt vom Oktober 2015.
- Nach Aussage des Immissionsschutzbeauftragte Peter Fritz wurde jedoch am 20.März der Tunnelvortrieb Richtung Gablenberg kurzfristig wegen des hohen Lärmpegels und des anstehenden Tunneldurchschlags gestoppt. Damit seien auch die Lärmwerte deutlich zurückgegangen. Als Gegensteuerungsmaßnahme würden jetzt die Anlagen mit weiteren Schalldämpfern nachgerüstet. Da auch das Vortriebskonzept für die zweite Röhre des Obertürkheimer Tunnels geändert wurde und ein Großteil über den ZA Wangen abgewickelt wird, sei mit weiteren Überschreitungen nicht mehr zu rechnen.
- Vertreter des Netzwerks Kernerviertel kritisierten, dass ausgerechet innerhalb des Zeitraums, in dem bei fortschreitenden Tunnelvortrieb mit einer höheren Lärmbelastung zu rechnen war, über ein halbes Jahr keine Messdaten veröffentlicht wurden. Der Immissionschutzbeauftragte stritt dies jedoch ab und erklärte anschließend, dass die Messberichte vorübergehend auf seinem Rechner verloren gegangen seien.
- Das Netzwerk kritisierte auch, dass das vom EBA genehmigte Messkonzept nicht eingehalten wurde. Danach müssten Messungen aller 4 bis 6 Wochen durchgeführt werden. Die Folie zeige, dass über ein Vierteljahr an einer Tunnelbaustelle mit einer hohen Lärmbelastung in einem Wohngebiet keine Messungen durchgeführt wurden. Bei einer engen Überwachung der Baustelle hätten Gegensteuerungsmaßnahmen wie beispielsweise am ZA Prag mit niedrigeren Drehzahlen der Lüfter im Nachtzeitraum geprüft werden müssen. S21-Chef Manferd Leger versprach daraufhin aufzuklären, ob in diesem Zeitraum doch noch eine Messung stattgefunden hat.
- Daneben zeigte Peter Fritz noch zwei Folien mit den Messdaten, die am unbewohnten Gebäude Sängerstraße 6 gemessen wurden. Auch hier enthalten die Werte keine Durchschnittswerte des gesamten Tages- und Nachtzeitraums, sondern ausgewählte Stundenzeiträume:
Die gemessenen Pegel liegen insbesondere im Nachtzeitraum mit an die 60 db(A) sehr hoch. Laut Folie resultieren die hohen Nachtwerte aus dem Baustellenbetrieb. Allerdings zeigen die ersten Messungen aus dem 4.Quartal 2014, als der Tunnelbetrieb an der Rettungszufahrt nur reduziert stattfand, und Vergleichsmessungen aus dem Jahr 2011, dass dieser Messpunkt maßgeblich vom Straßenverkehr der B 14 vorbelastet ist.