Zum zweiten Tunneldurchschlag des Bad Cannstatter Tunnels unter dem Killesberg

Nach rund 3,5 Jahren Bauzeit wurde am Dienstag der zweite Tunneldurchschlag des Bad Cannstatter Tunnels unter dem Killesberg gefeiert. Die beiden Stuttgarter Zeitungen (hier), der SWR (hier) und Eisenbahn-TV (hier) berichteten darüber. Ein weiterer Film ist auf der Webseite der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) (hier) eingestellt.

Damit ist der erste S21-Tunnel unter bebautem Gebiet fertig vorgetrieben. Aktuell sind es 5.719 der insgesamt 6.660 Tunnelmeter. Den Vortriebstand des Bad Cannstatter Tunnels zum 9.Oktober 2017, kurz vor dem Durchschlag, zeigt die Grafik der PSU:

Es fehlt noch der rund ein Kilometer lange, zweigleisige Tunnelabschnitt unter dem Rosensteinpark bis zur geplanten Neckarbrücke. Der SWR schreibt dazu: „Wann der gesamte Tunnel fertig wird, ist laut Bahn noch nicht abzusehen. Es fehlt noch die artenschutzrechtliche Genehmigung der EU. Und in sechs Bäumen am Neckarportal werden Juchtenkäfer vermutet.“

Laut der Stuttgarter Zeitung waren allein für die 2,46 Kilometer lange Weströhre rund 560 Sprengungen mit 48 Tonnen Sprengstoff erforderlich. Sprich alle 4,4 Meter eine Sprengung. Hinzu kommen noch die Sprengungen für die Oströhre und die Sprengungen unter dem Killesberg für den Vortrieb der beiden Röhren des Feuerbacher Tunnels, die für die Anwohner trotz der Überdeckung von über 70 Meter deutlich spürbar waren und weiterhin sind. Entgegen dem Transparenzversprechen hat die PSU bislang allerdings keinen einzigen Bericht über die gemessenen Erschütterungen auf ihrer Webseite veröffentlicht.

Die Sprengungen fanden auch im anhydrithaltigen Gestein statt. In der Pressemitteilung der PSU, die auch weitere interessante Informationen zum Bau des Bad Cannstatter Tunnel enthält, heißt es dazu: „Der Durchschlag stellt einen weiteren Meilenstein bei der Neuordnung des Stuttgarter Bahnknotens dar – auch weil die Durchgängigkeit beider Röhren unter schwierigen geologischen Bedingungen erfolgte: Die Vortriebsmannschaften der Arge Tunnel Cannstatt (ATC) haben die Röhren teilweise in quellfähigem Gestein, dem sogenannten Anhydrit, aufgefahren. Damit sind über 80 Prozent der relevanten Anhydrit-Bereiche in den zusammenhängenden Tunneln Bad Cannstatt und Feuerbach durchfahren.Um einen im späteren Eisenbahnbetrieb sicheren Tunnel herzustellen – und das für die Dauer von mindestens 100 Jahren – haben wir uns beim Tunnelbau generell und beim Tunnelbau im quellfähigen Gestein im Besonderen für Maßnahmen entschieden, die zwar sehr aufwendig sind, die aber Sicherheit und Standfestigkeit für die gesamte Lebensdauer gewährleisten“, sagte Manfred Leger, der Vorsitzende der Geschäftsführung der DB Projekt Stuttgart–Ulm GmbH.“

Die ungefähre Lage der Anhydritlinsen unter dem Killes- und Kriegsberg verdeutlicht eine Folie des Tunnelbausachverständigen, die er im April 2017 im Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats präsentierte. Damals waren rund 74% der Anydritlinsen in diesem Abschnitt aufgefahren:

Bei den besonderen Maßnahmen, von denen der S21-Projektchef sprach, handelt es sich u.a. um Kunstharzinjektionen. Diese 144 Millionen teure Sicherungsmaßnahmen hatte der Tunnelbausachverständige nach einem Gutachten über die Ursachen des immer noch wegen Quellungen zu sanierenden Engelbergtunnel nachträglich vorgeschlagen. In der Schlichtung war noch von einer doppelte Absicherung („Gürtel und Hosenträger“) die Rede. Die eingesetzten Sicherungsmaßnahmen sind nicht unumstritten. Die vom Aufsichtsrat der DB AG beauftragten KMPG-Prüfer hatten erhebliche Bedenken, was die Risikobewertung der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH insbesondere beim Tunnelbau im Anhydrit für den Bad Cannstatter und Feuerbacher Tunnel betrifft. Über die Risikoeinschätzung der KPMG-Prüfer und über die S21-Tunnelstrecken im Anhydrit sowie die Reaktion der Bahn auf die Kritik der Prüfer berichteten wir im letzten Dezember.

Die Netzwerke forderten in Schreiben an den Aufsichtsratsvorsitzenden der DB AG  Garantien von Bahn und Bund im Schadensfall. Die Bahn und ihr Sachverständiger halten weiterhin das Baurisiko für beherrschbar und schließen Schäden aus. Bei der (einzigen) öffentlichen Informationsveranstaltung für die Anwohner im Stuttgart Nord im November 2015 war zwar von den zu erwartenden Anhydritzonen entlang der beiden Tunnelröhren die Rede, nicht jedoch von den zusätzlich erforderlichen Sicherungsmaßnahmen beim Tunnelvortrieb. 

Schäden sind jedenfalls bereits bei einigen Häusern am Kriegsberg aufgrund der  Sprengungen unter dem dort vorhandenen Rutschhang aufgetreten. Das Netzwerk Killesberg und Umgebung e.V. hatte dazu im Januar 2017 eine Pressemitteilung herausgegeben. Nach Gesprächen des Netzwerks mit der PSU erklärte sich diese bereit, die Schäden am Kriegsberg zu übernehmen. Zahlreiche Eigentümer lassen die Schäden noch nicht reparieren und warten die bis Mitte nächstes Jahr anstehenden Sprengarbeiten zum Bau des Feuerbacher Tunnels unter dem Kriegsberg ab.

Nachdem dem Tunneldurchschlag stellt sich die Frage, ob jetzt die Verschalungsarbeiten der beiden beiden Röhren des Bad Cannstatter Tunnels anlaufen. Dazu findet sich in der Pressemitteilung der PSU keine Information. Lediglich zur Innenverschalung im Bauabschnitt zwischen dem ZA Nord und dem Rosensteinpark heißt es in der Pressemitteilung: „Im Bereich der eingleisigen Tunnelabschnitte zwischen Nordbahnhofviertel und Rosensteinpark läuft der Innenausbau des Tunnels seit August 2016. Dabei wurden bereits 1470 Meter Tunnelsohle und 560 Meter Gewölbe hergestellt, dabei 13.503 Kubikmeter Beton und 924 Tonnen Stahl verbaut.“ Nicht ausgeschlossen ist, dass die Innenverschalung der beiden Tunnelröhren unter dem Kriegs- und Killesberg erst erfolgt, wenn die Sprengarbeiten für den benachbarten Feuerbacher Tunnel abgeschlossen sind und ein Quellen in den kritischen, anydrithaltigen Abschnitten ausgeschlossen werden kann.

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