Am 13.Oktober 2016 tagt der Aufsichtsrat der DB AG in einer Sondersitzung über Stuttgart 21. Dabei soll das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgeselllschaft KPMG und des Schweizer Ingenieurbüros Ernst Basler und Partner vorgestellt werden, das der Aufsichtsrat im März zur Kosten- und Bauzeitprognose in Auftrag gegeben hatte. Das Aktionsbündnis hat sich wegen der Kostenabschätzung des Bundesrechnungshofs im Vorfeld der Sitzung in einem offenen Brief an die Mitglieder des Aufsichtsrats gewandt.
Jetzt berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrer exclusiven Meldung „Bahnprojekt Stuttgart 24“ im Vorfeld über die Ergebnisse des streng vertraulichen Gutachtens. Danach könne man „nach derzeitigem Kenntnisstand davon ausgehen, „dass die Gesamtkosten in einer Bandbreite von rund 6,3 bis 6,7 Milliarden Euro liegen werden“.
Damit liegen die Prüfer zwar unter den vom Bundesrechnungshof geschätzten 10 Milliarden. Doch laut SZ haben die Prüfer erhebliche Bedenken, was die Risikobewertung der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH insbesondere beim Tunnelbau betrifft. Die SZ schreibt:
„Der zuständigen Tochtergesellschaft DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) werfen sie vor, sich mit bestimmten Bauproblemen „nicht ausreichend“ befasst zu haben.Vor allem beim Tunnelbau sehen sie die Gefahr, dass das Projekt durch ein Eindringen von Wasser noch einmal mehr Geld kostet.Die Bahn habe diverse Risiken „unterbewertet“ oder „unterschätzt“, schreiben die Experten. So stellten die Prüfer bei einer Besichtigung des Tunnels Bad Cannstatt Feuchtigkeit fest. Dabei habe die Projektgesellschaft der Bahn zuvor behauptet, die Tunnel seien in der Bauphase „absolut trocken“.
Auch der zuletzt mantrahaften Erklärung der Bahn in der Öffentlichkeit, dass sie trotz einer Verzögerung von zwei Jahren die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 zum Dezember 2021 halten könne, erteilten die Prüfer eine klare Absage. So schreibt die SZ:
„Wegen diverser Schwierigkeiten gehen die Autoren davon aus, dass sich die Inbetriebnahme des Bahnhofs um mindestens ein Jahr, womöglich aber sogar um drei Jahre verschiebt. Der Starttermin könne „nach unserer Einschätzung zwischen Dezember 2022 und Dezember 2024 liegen“, schreiben sie. Dazu heißt es in dem Gutachten: „Nach unserer Ansicht ist die vollständige Einsparung von 24 Monaten bei einer verbleibenden Restbauzeit von rund fünf Jahren als nicht realistisch anzusehen.“ Zwölf Monate ließen sich gewinnen, durch die Risiken beim Tunnelbau könnte sich aber die Bauzeit auch um bis zu 36 Monate verlängern. Deshalb kalkulieren die Gutachter mit einem Termin für die Inbetriebnahme des Bahnhofs zwischen Dezember 2022 und Dezember 2024.“
Sprich: auch die vom Aufsichtsrat beauftragten Gutachter schätzen die Risikobewertung und die Zeitplanung der Bahn bei Stuttgart 21 für nicht realistisch ein. Fraglich ist, wie dann die Wirtschaftsprüfer die Einhaltung des Kostenrahmens von 6,7 Milliarden attestieren können. Daher die Einschränkung der Prüfer „nach derzeitigen Kenntnissstand“.
Nicht nur beim der Einhaltung des offiziellen Zeitplans führt die Bahn die Öffentlichkeit an der Nase herum. Dass die Prüfer beim Besuch des Cannstatter Tunnels Feuchtigkeit feststellten, obwohl dieser nach Aussage der Bahn „absolut trocken“ gebaut sei, ist ein starkes Stück.
Wir möchten noch einmal daran erinnern, dass die Netzwerke 21 immer wieder auf die Risiken des Tunnelbaus im Anhydrit auch für die darüber liegenden Gebäude hingewiesen haben. So hatten die Netzwerke im Frühjahr 2013 im Rahmen des Planänderungsverfahrens zum Grundwassermanagment den Geologen Dr. Hermann Behmel mit einer Stellungnahme und einer Präsentation für die Erörterung beauftragt. Wir hatten zuletzt im Juni berichtet. Alle Einwände seinerseits wurden vom Regierungspräsidium Stuttgart letztendlich nur zu den Akten genommen wurden. Dr. Behmel wies damals darauf hin, dass sich der Wassereintritt vorallem im Bereich des Killesbergs kaum vermeiden lässt. Dies ist genau der Bereich, in dem jetzt die Bahn 144 Millionen Euro zusätzlich investiert, um die Tunnel vor dem Wassereintritt zu schützen und in dem die Prüfer jetzt Feuchtigkeit vorfanden. So schrieb Dr. Behmel in seiner Stellungnahme 2013:
„Killesberg-Kriegsberg: Im Bereich der Störungen greift die Umwandlung von Anhydrit zu Gips und die Auslaugung von Gips weit in die Tiefe. Horizontale Verwerfungen ohne oder mit geringer vertikaler Komponente können auch in einer Serie von Bohrungen nicht erkannt werden. Bei nahezu allen Störungen handelt es sich häufig nicht um glatte Brüche, sondern um breite Zonen der Gesteinszerrüttung. Beim Tunnelvortrieb entstehen neue Wasserwegsamkeiten im Gestein, der Wasserzutritt aus dem Gipskarst in den Anhydrit lässt sich kaum vermeiden.“
Und als ein Vorstandsmitglied des Netzwerks Killesberg letztes Jahr in einem Gespräch mit der PSU auf die Risiken der Sprengungen im kritischen anhydritführenden Gestein unterhalb des Killesbergs hinwies, wurde er damals wortwörtlich als „Verschwörungstheoretiker“ titutliert…