Zum neuen Bauverfahren im Anhydrit. Von Netzwerken 21 beauftragter Geologe warnte vor Gefahr des Wasserzutritts

Über das 144 Millionen teure neue Bauverfahren der Tunnel im PFA 1.5. zur Absicherung gegen den Wassereintritt im Anhydrit haben wir bereits berichtet. In der Schlichtung hatte der renommierte Sachverständige für den Tunnelbau, Prof. Dr. Walter Wittke, das „erprobte Bauverfahren“ mit „doppelter Sicherheit“ gegen die Einwände von kritischen Geologen verteidigt. Damit waren allerdings die Bedenken nicht ausgeräumt. Im Gegenteil.

Wir möchten noch einmal daran erinnern, dass die Netzwerke 21 immer wieder auf die Risiken des Tunnelbaus im Anhydrit auch für die darüber liegenden Gebäude hingewiesen haben. So hatten die Netzwerke im Frühjahr 2013 im Rahmen des Planänderungsverfahrens zum Grundwassermanagment den Geologen Dr. Hermann Behmel mit einer Stellungnahme und einer Präsentation für die Erörterung beauftragt. Im März 2013 erläuterte Dr. Behmel auf einer Infoveranstaltung der Netzwerke in Stuttgart Wangen  die aus seiner Sicht beim Tunnelbau des Obertürkheimer Tunnels für die Gebäude bestehenden Risiken. Alle Einwände seinerseits wurden vom Regierungspräsidium Stuttgart letztendlich nur zu den Akten genommen wurden.

Dr. Behmel wies damals darauf hin, dass sich der Wassereintritt vorallem im Bereich des Killesbergs kaum vermeiden lässt. Dies ist genau der Bereich, in dem jetzt die Bahn 144 Millionen Euro zusätzlich investieren muss, um die Tunnel vor dem Wassereintritt zu schützen. So schrieb Dr. Behmel in seiner Stellungnahme 2013:

„Killesberg-Kriegsberg: Im Bereich der Störungen greift die Umwandlung von Anhydrit zu Gips und die Auslaugung von Gips weit in die Tiefe. Horizontale Verwerfungen ohne oder mit geringer vertikaler Komponente können auch in einer Serie von Bohrungen nicht erkannt werden. Bei nahezu allen Störungen handelt es sich häufig nicht um glatte Brüche, sondern um breite Zonen der Gesteinszerrüttung. Beim Tunnelvortrieb entstehen neue Wasserwegsamkeiten im Gestein, der Wasserzutritt aus dem Gipskarst in den Anhydrit lässt sich kaum vermeiden.“  Seine  Präsentation enthielt die folgenden Längsschnitt des Feuerbacher Tunnels:

Behmel Killesberg 3

Der Sachverständige für den Tunnelbau der Bahn für Stuttgart 21, Prof. Dr. Wittke, verwies wiederholt auf seine Erfahrungen beim Bau des Hasenbergtunnels und den jahrelangen Forschungen im Freundensteintunnel. Nun reichen die damals zum Einsatz kommenden Sicherungstechniken doch nicht aus. Dabei hätte die Bahn auch einmal auf kritische Geologen hören müssen. So schrieb Dr. Behmel in seiner Präsentation:

„Im Vergleich zum Hasenbergtunnel werden die stärker bebauten Gebiete Kriegsberg, Killesberg, Wartberg, Feuerbach, Kernerviertel und Stuttgart Ost mit einer größeren Anzahl von Tunnelröhren unterfahren. Eine größere Zahl tektonischer Störungen, Anhydrit- und Auslaugungsfronten werden in viel kürzeren Abständen viel häufiger gequert. Der schmale Bergsporn des Hasenbergs hat einen hohen Oberflächenabfluss der Niederschläge, geringe Versickerungsraten und geringe Wasserzutritte durch die Störungen. Die größeren Flächen Killesberg und Gablenberg haben höhere Versickerungsraten mit einer größeren Wahrscheinlichkeit des Wasserzutritts in den Anhydrit. Schäden an Rohrleitungen und Gebäuden sind auch außerhalb den Beweissicherungsgrenzen nicht auszuschließen. Die Beweissicherungsgrenzen sind daher nach der geologischen Struktur parzellenscharf auszuweisen. „

Auch die Forderung nach an der geologischen Struktur orientierte Beweissicherungsgrenzen wurde nicht aufgegriffen bzw. von der Bahn unter Hinweis auf die Unbedenklichkeit ihrer Vortriebsarbeiten abgetan. Mit Ausnahme des Lindenschulviertels blieb es bei den engen Beweissicherungszonen entlang einzelner Tunneltrassen. Im Stuttgarter Osten, unter dem die Vortriebe des Obertürkheimer Tunnels und des Fildertunnels fast 10 Kilometer im Anhydrit durchfahren, ist von der Bahn überhaupt keine Beweissicherung vorgesehen!

Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass sich durch den Tunnelbau im Anhydrit die Geländeroberfläche anhebt. So vier Jahre nach dem Bau des Heslacher Tunnels in mehr als 70 Meter Überdeckung. Seine Präsentation enthielt dazu folgende Folie:

Behmel Killesberg 4

Doch davon war auf keiner Informationsveranstaltung der Bahn für die vom Tunnelbau betroffenen Anwohner die Rede, auch nicht auf der Veranstaltung am 2.Juni für den Stuttgarter Osten.

Wir möchten daher auch noch einmal auf den Vortrag des Geologen Dr.Behmel hinweisen,  den er 2013 auf einer Veranstaltung der Netzwerke in Wangen gehalten und den Fluegel-TV dankenswerterweise aufgenommen hat:

Themen:

04:23 Topographie, Hangbewegungen und -Rutschungen
07:35 Hohlräume unter Stuttgart
12:20 Anhydridspiegel
13:40 Aufquellungen: Wagenburgtunnel, Nordröhre
15:20 Hebung der Weinsteige durch den Bau des Heslacher Tunnels (Anhydrid)
18:00 Auslaugungen, Dolinen in Stuttgart

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