Pressemitteilung: Risiko Anhydrit – S21-Anwohnernetzwerke fordern Garantien von Bahn und Bund

Pressemitteilung: Die Netzwerke 21 der vom S21-Tunnelbau betroffenen Anwohner und Eigentümer verfolgen die fahrlässige Behandlung des Themas Bauens im Anhydrit durch die Bauherrin Bahn seit Jahren mit größter Sorge. Fast 16 der 42 innerstädtischen Tunnelkilometer sind durch das tückische, quellfähige Gestein geplant. Immer wieder haben die Netzwerke vergeblich auf die von ihnen beauftragten gutachterlichen Stellungnahmen hingewiesen, welche die Risiken für die Tunnel und die darüber liegenden Gebäude benannten. Doch jegliche Kritik wurde von der Bahn mit Hinweis auf die langjährige Forschungsarbeit ihres Sachverständigen für den Tunnelbau, Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Walter Wittke (WBI), und die Beherrschbarkeit der Risiken abgetan. Noch im Januar wurde ein Mitglied der Netzwerke als „Verschwörungstheoretiker“ geschmäht, als es gegenüber Vertretern der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) auf die unterschätzten Risiken hinwies.

Dabei musste die PSU wenige Monate später einräumen, dass die noch 2010 in der Schlichtung von Prof. Wittke dargestellten doppelt abgesicherten Schutzmaßnahmen („Gürtel und Hosenträger“) für den Bau der Tunnel unter dem Killesberg gegen den Quellprozess nicht ausreichend sind und ein 144 Millionen teures Verfahren mit Kunstharzinjektionen erforderlich ist. Diese wirken jedoch nur in unmittelbarer Umgebung der Tunnelröhren, von denen die Injektionen ausgehen. Während die Gebirgslockerungen und Rissbildungen durch die teils heftigen Sprengungen Wasserwege eröffnen, die aus Sicht der Netzwerke unkalkulierbar sind.

Nun kommt mit dem von der Bahn selbst beauftragten KPMG-Gutachten die Wahrheit auf den Tisch. Auch mit diesen zusätzlichen Schutzmaßnahmen sind die Tunnel vor den tückischen Quellprozessen, die sich auf die Betriebstauglichkeit der Tunnel und auf die darüber liegenden Gebäude auswirken können, auf Jahrzehnte hin nicht geschützt.

Dass die Bahn ihre Planungen und Baumaßnahmen bei Stuttgart 21 für die Tieferlegung des Bahnknotens einer dicht besiedelten Großstadt mit einer extrem schwierigen Geologie nur auf die Bewertung eines einzigen Fachmannes abgestützt hat, ist grob fahrlässig. Auch wenn der herangezogene Tunnelbauexperte als „Tunnelbaupapst“ gelten mag. Bei jeder kleinen Operation holt man sich eine Zweitmeinung – bei einem Milliarden teuren Großprojekt war dies anscheinend überflüssig.

Ein Sprecher der PSU erklärt, dass bereits Hunderte von Tunnelmetern im Anhydrit „ohne Probleme“ vorgetrieben wurden. Doch dies sagt gar nichts. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Quellprozesse erst nach Jahren eintreten können und damit auch die verheerenden Folgen für die darüber liegende Bebauung oft erst nach Jahren kommen. Dabei hat der Sprecher eingeräumt, dass es im Zuge des Vortriebs für das Projekt bereits Hebungen gab.

Im KPMG-Gutachten wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit den Quellprozessen auch Gebäudeschäden verbunden sein können. Über den Tunneln liegen die Grundstücke und Häuser von Hunderten von Stuttgarter Bürgern. Es sind unsere Häuser, die von den gravierenden Risiken betroffen sind und mit denen die Bahn offensichtlich spielt. Wenn hier Schäden auftreten, wird Eigentum und Vermögen vernichtet, das weder der Bahn noch dem Bund oder einer anderen öffentlichen Hand gehört.

Der Hinweis auf die Versicherungen, die die Bahn für Schadensfälle hat, ist wenig beruhigend. Erste Erfahrungen von Eigentümern bei Stuttgart 21 mit der Versicherung der Bahn bei der Schadensabwicklung lassen Schlimmstes befürchten. Der aktuell in der Stuttgarter Zeitung berichtete Fall, nachdem der 2012 vom Feuerbacher Zugunglück Geschädigte bis heute keinen Schadensersatz erhalten hat, weil die Bahn diese Schadensfälle nur bis 300.000 Euro versichert hat, wirft ebenfalls ein erschreckendes Szenario auf. Zumal bei erst nach Jahren einsetzenden Quellprozessen die Beweislast bei den geschädigten Eigentümer liegt.

Die von der Untertunnelung bei Stuttgart 21 betroffenen Eigentümer stehen vor einer unsicheren Zukunft. Dies wollen sie nicht hinnehmen. Vielmehr fordern sie für ihre und die benachbarten Grundstücke Garantien der Bahn und des Bundes, dass jeder Schaden an Gebäuden, der im Zusammenhang mit dem Tunnelbau steht, vollumfänglich übernommen wird.

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