Alles im Zeitplan? Zum Baufortschritt der Tunnel für Stuttgart 21 Mitte Februar 2017

Nach unserem letzten Bericht zum Vortriebsstand Anfang Dezember 2016 mit dem Schwerpunkt zum Anhydrit-Risiko möchten wir wieder einen Überblick über den aktuellen Baufortschritt beim Tunnelbau für Stuttgart 21 geben. Nachfolgend finden Sie den Vortriebsstand der einzelnen Tunnel zum 13.02.2017 sowie die detaillierten und monatlichen Zahlen in unseren Übersichten ab Oktober 2015 / bis September 2015:

Drei Jahre nach dem offiziellen Baubeginn Anfang Dezember 2013 sind von den für Stuttgart 21 geplanten 59 Tunnelkilometern rund  rund 43% aufgefahren. Noch 33,5 Kilometer Tunnel müssen  für Stuttgart 21 noch vorgetrieben und ca. 42 Kilometer bergmännischen Strecken innenverschalt werden. Der Bau von 12,2 Tunnelkilometern,  des Nord- und Südkopfs am „Tiefbahnhof“, der Tunnel am Flughafen und des S-Bahn-Tunnels Los 4 Süd, sind noch nicht einmal angelaufen.

Angesichts des Baufortschritts möchten wir an den Zeitplan des Tunnelbaus für Stuttgart 21 erinnern, der noch zu Beginn der Vortriebsarbeiten von der Bahn präsentiert wurde, beispielsweise auf dem Lenkungskreis im Mai 2014. Daraus ist ersichtlich, wann die Rohbauarbeiten (RB) in den Planfeststellungsabschnitten bzw. der einzelnen Tunnel einschließlich der Innenverschalung eigentlich fertiggestellt sein sollten, um den immer noch offiziellen Inbetriebnahmetermin im Dezember 2021 einhalten zu können:

So müsste beispielsweise der Feuerbacher Tunnel Ende nächsten Jahres und die anderen Tunnel im Stadtgebiet bis spätestens Mitte 2019 einschließlich der Innenverschalung im Rohbau fertig gestellt sein. Inzwischen hat die Bahn in den Lenkungskreisunterlagen die Rohbautermine nach hinten verschoben, ohne dass dies sich rechnerisch auf den offiziellen Inbetriebnahmetermin auswirkt. Darüber hatten wir im Juli in unserem Beitrag „Wie belastbar sind die Zeitpläne für Stuttgart 21 in der Lenkungskreisunterlage der Bahn?“ berichtet.

Mittlerweile räumt die Bahn ein, dass nur ein der zwei Jahre Bauverzögerung am „Tiefbahnhof“ mit Gegensteuerungsmaßnahmen eingeholt werden könnten. Dennoch rückt der Konzern vom offiziellen Inbetriebnahmetermin von Stuttgart 21 zum Ende des Jahres 2021 nicht ab, um den zeitlichen „Druck“ auf die Baufirmen aufrecht zu erhalten.  Nachdem die vom Aufsichtsrat der DB AG beauftragte Wirtschaftprüfungsgesellschaft KPMG  die Einhaltung des offiziellen Zeitplans bei Stuttgart 21 auch mit Blick auf die kritischen Tunnelstrecken im Anhydrit als unrealistisch einschätzt und in der Süddeutschen bereits von „Stuttgart 24“ die Rede ist, sparen wir uns Hochrechnungen zum Tunnelbau. Die Stuttgarter und insbesondere die vom Tunnelbau direkt Betroffenen werden noch deutlich länger als von der Bahn kommuniziert mit den Belastungen durch die S21-Bauarbeiten leben müssen. Dies hatten wir immer wieder thematisiert, beispielsweise im Beitrag „59 Tunnelkilometer im Rohbau fertig bis 2019 – wie realistisch ist der Zeitplan von Stuttgart 21?„, auch wenn der durchschnittliche monatliche Vortrieb seit Juli 2016 deutlich über der 1.000.Meter-Marke liegt.

Anhand der von der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH veröffentlichten wöchentlichen Grafiken möchten wir Sie wieder über den Vortriebsstand in den einzelnen Stadtteilen informieren:

PFA 1.2.Fildertunnel / 1.6a Obertürkheimer Tunnel (Innenstadt, d.h. Rettungszufahrt Süd / Kernerviertel / Gänsheide incl. Uhlandshöhe):

  • Vom Obertürkheimer Tunnel ist nur die Weströhre im Bau. Diese kam trotz des dort vorhandenen anhydritführenden Gesteins in den letzten Monaten entlang der Gänsheide deutlich voran und steht unter  Gablenberg. Es laufen auch die Arbeiten an den Querschlägen. Die Erschütterungen der rund um die Uhr stattfindenden Sprengarbeiten sind für die Anwohner deutlich spürbar.
  • Der Tunneldurchschlag der Weströhre war nach den Anwohnerveranstaltungen im Frühjahr noch für Ende 2016 avisiert. Nach der aktuellen Planung soll dieser im März 2017 erfolgen.
  • Der Bau der Oströhre des Obertürkheimer Tunnels Richtung Wangen sollte nach Aussage des Abschnittsleiters Günther Osthoff Anfang 2017 starten. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass die Vortriebsarbeiten erst nach dem Tunneldurchschlag der Weströhre beginnen.
  • Der Baus des Fildertunnels vom Verzweigungsbauwerk Süd Richtung der geplanten Wendekaverne stockt weiterhin auf Höhe der Gerok- bzw. Hausmannstraße. Die genaue Lage der Wendekaverne ist noch nicht klar.
  • Wahrscheinlich im Laufe des Jahres 2017 soll der Anfahrbereich unter dem Kernerviertel vom Verzweigungsbauwerk vorgetrieben werden. Nähere Informationen sind auf der am 21.3. geplanten Informationsveranstaltung für die Anwohner des Kernerviertels zu erwarten. Die Genehmigung der Planänderung zur Ausweitung der Hebungsfläche im Kernerviertel erfolgte Ende November 2016. Wir werden noch darüber berichten.

PFA 1.2. / Fildertunnel (Fasanenhof, Möhringen, Degerloch):

  • Über die wechselhaften geologischen Verhältnisse und die damit verbundenen Herausforderungen der ersten Schildfahrt hat Dr. Martin Wittke in seinem Vortrag vor der Univerität Stuttgart berichtet.
  • Auf ihrer zweiten Schildfahrt steht die Tunnelvortriebsmaschine in der Weströhre auf Höhe der Epplestraße.
  • Die durchschnittliche Vortriebsleistung der letzten Wochen ist wie beim zweiten Abschnit der ersten Schildfahrt aufgrund des klebrigen Gesteins in den letzten Wochen deutlich abgefallen. Durchschnittlich lag der Vortrieb der Weströhre einschließlich des bergmännischen Teils bei ca. 12 Meter pro Tag.
  • Der Einbruch der maschinellen Vortriebsleistung ist jedoch für den Baufortschritt des Fildertunnels nicht von Belang. Die Maschine kann ihre dritte Schildfahrt von Degerloch Richtung Gänsheide/Wendekaverne erst dann fortsetzen, wenn die Weströhre des mittleren Fildertunnels unter Degerloch bergmännisch vorgetrieben und die Maschine durch dieses Zwischenstück durchgezogen wurde.
  • Von den 1,15 Kilometer des bergmännischen Teils der Weströhre sind gerade einmal ca. 210 Meter realisiert. Über die Verzögerungen beim bergmännischen Tunnelbau unter Degerloch haben wir berichtet.
  • Aktuell hat der bergmännische Vortrieb der Weströhre die Wohnhäuser der Falterausiedlung in Degerloch unterfahren. Weiterhin sind trotz der hohen Überdeckung von mehr als hundert Meter die rund um die Uhr stattfindenden Sprengungen in Degerloch spürbar. Gegen die Belästigungen durch die Sprengarbeiten an Sonn- und Feiertagen wurde eine Strafanzeige eingereicht.
  • Der geplante Vortrieb der Weströhre bis zum Fernsehturm verläuft dann nur noch unter dem Wald und nicht mehr unter Gebäuden. Dennoch dürften die Auswirkungen der Sprengarbeiten noch im Umkreis zu spüren sein.

PFA 1.5. / Tunnel Bad Cannstatt (Killesberg, Bad Cannstatt):

 PFA 1.5. / Tunnel Feuerbach (Killesberg, Feuerbach):

  •  Der Vortrieb des Feuerbacher Tunnels hat Richtung Innenstadt die Herman-KUrz-Straße (Weströhre) und die obere Birkenwaldstraße (Oströhre) erreicht. In Richtung Feuerbach steht der Vortrieb der Ost- und Weströhre auf Höhe der Rüdigerstraße.
  • Auch der Bau des Feuerbacher Tunnels erfolgt im Sprengvortrieb, den die Anwohner deutlich spüren. Im Gegensatz zum Bad Cannstatter Tunnel finden die Sprengungen rund um die Uhr unter dem Killesberg statt.
  • Neben den bereits bekannten zusätzlichen Kunststoffinjektionen zum Schutz vor eindringendes Wasser soll der Feuerbacher Tunnel laut einem Bericht der SWP auch mit einem zusätzlichen Gitternetz umgeben werden. So schreibt die SWP (hier): „Erkenntnisse vom Engelbergtunnel und der bis zu 100 Meter hohen Gesteinsschichten fließen direkt in „Stuttgart 21“ ein. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) spricht von „erheblichen Folgen“ für das Jahrhundertprojekt. Der Tunnel in Feuerbach müsse mit einem zusätzlichen Gitternetz umgeben werden, erklärte der Minister, damit  „das Gestein wasserdicht wird“. 
  • Um die Wirksamkeit der Abdichtungsmaßnahmen im Anhydrit, inbesondere des besonders kritischen Feuerbacher Tunnels wurde auf der Sondersitzung des Lenkungskreises im Januar gestritten.

PFA 1.6a/ Tunnel Obertürkheim (Wangen, Untertürheim, Obertürkheim, Gablenberg):

  • Die Vortriebe der Weströhre des Obertürkheimer Tunnels Richtung Innenstadt haben Gablenberg erreicht. Im März soll der Tunneldurchschlag erfolgen. Die Oströhre steht auf Höhe des Plettenbergs. Die Sprengungen unterhalb Gablenbergs sind für die Anwohner deutlich hör- und spürbar.
  • Der Tunnelvortrieb der Oströhre vom Zwischenangriff Wangen Richtung Untertürkheim steht am Kanal des Lindenschulviertels. Der sekundäre Lärm und die Erschütterungen der Sprengungen sind im ca. 200 Meter entfernten Lindenschulviertel hör- und spürbar.
  • Die bis zum 8.Februar für einen Monat erteilte Ausnahmegenehmigung für die Nachtsprengarbeiten zwischen 22 bis 24 Uhr ist ausgelaufen. Ein Antrag auf Verlängerung wurde gestellt. Bis dahin wird die Bahn im Nachtzeitraum wieder meißeln.
  • Eine Anwohnerin aus dem Lindenschulviertel hat in einem Eilverfahren gegen die Nachtsprengungen geklagt. Ihr Eilantrag wurde aus formalen Gründen abgewiesen. Laut dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes Stuttgart haben die Betroffenen jedoch einen Anspruch, dass die Auflagen der Planfeststellung, sprich die Einhaltung der Anhaltswerte bei den Sprengungen nach der DIN 4150 Teil 2 eingehalten werden.
  • Dagegen herrscht beim Vortrieb der Weströhre wegen eines Wassereinbruchs auf Höhe der Untertürkheimer Albert-Dulk-Straße weiterhin Stillstand. Hohlräume müssen mit Beton verfüllt werden müssen. Dazu muss der Sportplatz wegen dafür erforderlicher Bohrungen für Monate gesperrt werden. Auch im Bereich des Bruckwiesenwegs sind Bohrungen erforderlich, damit der Beton den mürben Untergrund für den Tunnelbau stabilisiert.
  • Dennoch soll der vorübergehende Stillstand laut einer Pressemitteilung der PSU keinen Einfluss auf den Baufortschritt beim Tunnelvortrieb des Obertürkeimer Tunnels haben.
  • Weiterhin läuft noch die Planänderung zum Wegfall des Einschubbauwerks in Obertürkheim. Ende September berichtete das Infobündnis Zukunft Schiene in einem Gastbeitrag, dass nach mehrfacher Umarbeitung des Planänderungsantrags vom Eisenbahn-Bundesamt bislang nur ein Teil der eingereichten Planänderung genehmigt wurde.
  • Nachdem die Bahn ihre Pläne für den S21-Abstellbahnhof in Untertürkheim zum dritten Mal seit 2006 komplett überarbeitet hat, hat sie diese am 29.11.2016 in Untertürkheim vorgestellt.

 

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