Erneut keine Transparenz im Expertenstreit wegen Baurisiko im Anhydrit. Bahn veröffentlicht nur Argumente ihres Tunnelbausachverständigen

Vorgestern fand die von den Projektpartnern der Bahn  beantragte Sondersitzung des Lenkungskreises über die Baurisiken im Anhydrit statt. Wie in den Medien zu lesen war, konnte die Bahn und ihr Sachverständiger die Projektpartner und die Gegengutachter nicht überzeugen. Die Stuttgarter Zeitung (hier) schreibt:

„Während Walter Wittke, der Tunnelbausachverständige der PSU, darauf abhob, dass es jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit dem schwierigen Untergrund gebe und die Gefahren beherrschbar seien, bleiben die Schweizer Experten, die ein Gutachten im Auftrag des Bahn-Aufsichtsrats erstellt hatten, auf dem Standpunkt, dass es keine Methode gebe, die absolute Sicherheit biete. Sie schätzen die Eintrittswahrscheinlichkeit auf zwischen 0,5 und 13 Prozent ein. Für den Verkehrsminister steht deshalb fest: „Wir müssen weiter kritisch drauf blicken. Wenn der Feuerbacher Tunnel auf Zeit gesperrt werden muss, ist der Bahnhof nicht funktionsfähig“. 

Weiterhin ist das vom Aufsichtsrat der DB AG in Auftrag gegebene KMPG-Gutachten mit der sehr kritischen Einschätzung des renommierten Ingenieurbüros Ernst Basler + Partner über die Baurisiken des Tunnelbaus im quellfähigen Anhydrit und die damit nach ihrer Einschätzung verbundenen Bauverzögerungen bei Stuttgart 21 nicht veröffentlicht.

Gestern hat die DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) die Unterlagen zur Sondersitzung des Lenkungskreises auf ihrer Webseite (hier) eingestellt. Auch in dieser Unterlage finden sich nur die Argumente der Projektgesellschaft und die ausführliche Präsentation des Tunnelbausachverständigen Prof. Dr. Walter Wittke (WBI). Vergeblich sucht man die kritischen Einwände des Ingenieurbüros Ernst Basler + Partner. Zu vermuten ist, dass deren Präsentation wie auch das KPMG-Gutachten unter Verschluss ist. So schafft die Bahn kein Vertrauen.

In der Präsentation der PSU und WBI ist ausführlich von den Sicherungsmethoden die Rede, die einen Wassereintritt in den Tunnel verhindern. Doch die Prüfer von Basler Ernst + Partner hatten bei ihrem Besuch eines Tunnel Wasserzutritt festgestellt. So schrieb die SZ in ihrem Artikel „Bahnprojekt Stuttgart 24“ : „So stellten die Prüfer bei einer Besichtigung des Tunnels Bad Cannstatt Feuchtigkeit fest. Dabei habe die Projektgesellschaft der Bahn zuvor behauptet, die Tunnel seien in der Bauphase „absolut trocken“.

Die Bahn betont in den Folien die Überwachung der Tunnelvortriebsarbeiten durch die beauftragten Experten. Die Skepsis der betroffenen Eigentümer wird nicht verringert, wenn beispielsweise im Vorfeld und während des Sprengvortriebs eventuelle Hangbewegungen an einem ausgewiesenen Rutschhang wie dem Kriegsberg wegen verschmutzter Trivec-Messtellen nicht richtig aufzeichnet wurden. Oder von Gutachtern Wassereintritt in einem eigentlich trockenen Tunnel festgestellt wurde.

WBI hat auf die Frage der Projektpartner nach dem Risiko für Schäden an darüber liegenden Gebäuden (Drittschäden) beim Bauen im Anhydrit Folgendes geantwortet:

20170202 Auszug Lenkungskreis Drittschäden

Und zur Haftung bei Drittschäden findet man in der Präsentation folgende Folie:

20170202 Auszug Lenkungskreis Haftung

Die praktische Abwicklung von Gebäudeschäden wie im Falle der Neubaustrecke und in Untertürkheim sowie am Kriegsberg zeigt jedoch, dass die Gutachter der Versicherung die Verursachung der Schäden durch den Tunnelbau erst einmal ablehnen. Damit würden die geschädigten Eigentümer auf den Kosten sitzenbleiben, wenn nicht ihr Widerspruch gegen das Gutachten zu einer Neueinschätzung der Verursachung führt. Erst recht gestaltet sich der Nachweis für die Schadensursache schwierig, wenn Jahre nach dem Vortrieb Schäden wegen Anhydritquellungen und Hebungen an der Erdoberfläche auftreten.

Medienberichte zur Sondersitzung des Lenkungskreises:

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