Von kaputten Schneideradantrieben und anderen Schwierigkeiten beim Bau des Fildertunnels

In unserem letzten Monatsbericht zum Baufortschritt bei den S21-Tunneln haben wir darauf hingewiesen. Die Tunnelvortriebsmaschine SUSE steht seit mehr als drei Wochen still. Gestern berichten die beiden Stuttgarter Zeitungen (hier) über die Ursache. Ein Antrieb des Schneidrads ist ausgefallen. Die Vortriebsarbeiten sollen laut einem Sprecher der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) Mitte Oktober wieder aufgenommen werden. Weiterhin sieht die PSU den Fildertunnel im Hinblick auf die geplante Inbetriebnahme von Stuttgart 21 nicht gefährdet. Allerdings müsse die Vortriebsleistung im bergmännischen mittleren Fildertunnel erhöht werden, schreibt die StNZ, „damit die Maschine zur Jahreswende 2017 auf 2018 das Tal erreiche, so ein Projektsprecher“.

Doch ist dies mit Blick auf den bisherigen Baufortschritt des Fildertunnels auch realistisch? Nach den auf der Degerlocher Anwohnerveranstaltung im September 2014 und zuletzt im Bezirksbeirat kommunizierten Zeitplan sollten die bergmännischen Arbeiten für die beiden jeweils 1,15 Kilometer langen Röhren des mittleren Fildertunnels in nur 15 Monaten realisiert sein. Dies setzt einen durchschnittlichen täglichen Tunnelvortrieb von 5,2 Meter pro Tag voraus.

Wie in unserem letzten Monatsbericht über den Tunnelvortrieb erwähnt, lag die tatsächliche durchschnittliche bergmännische Vortriebsleistung beim mittleren Fildertunnel im letzten halben Jahr seit Baustart mit weniger als 2 Metern täglich deutlich darunter. So stockte der Vortrieb zwischen Mitte Juni und Anfang August, da nach einem Bericht der StZ (hier) das erste von drei Abdichtungsbauwerken pro Tunnelröhre gegen den Wassereintritt im Übergang zum Anhydrit gebaut wurde. Aktuell steht der bergmännische Vortrieb der Oströhre unter der Falterausiedlung kurz vor dem geplanten Querschlag zur Weströhre, durch die Mitte 2017 die Tunnelvortriebsmaschine für die Weiterfahrt Richtung Gänsheide / Wendekaverne durch gezogen werden soll:

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Das heißt, für die geplante 1,15 Kilometer lange Weströhre des mittleren Fildertunnels, durch die Tunnelvortriebsmaschine durchgezogen werden soll, ist noch kein einziger Meter vorgetrieben. Bei dem derzeit durchschnittlichen täglichen, bergmännischen Vortrieb von 3 Metern am Tag würden die Arbeiten allein für diese Tunnelröhre noch mehr als ein Jahr benötigen. Pausen bzw. Zeitverzögerungen für den Bau weiterer geplanter Abdichtungsbauwerke kämen noch hinzu. Erst dann könnte die Vortriebsmaschine durchgezogen werden und ihre dritte Schildfahrt Richtung Gänsheide/ Wendekaverne starten. Dass die Vortriebsmaschine wie von der Bahn geplant zur Jahreswende 2017/18 die Innenstadt auf Höhe der geplanten Wendekaverne erreicht, ist mit dem aktuellen bergmännischen Baufortschritt definitiv nicht zu realisieren.

Dr. Martin Wittke referierte im April im geotechnischen Institut der Universität Stuttgart über die Planung und Bauausführung des 19,8 Kilomter langen Fildertunnels. Wir haben über die von ihm erwähnten „Herausforderungen“  beim Bau des Tunnels berichtet.

Die Zwangspause der Tunnelvortriebsmaschine SUSE und der deutlich langsamere bergmännische Vortrieb beim mittleren Fildertunnel sind nicht jedoch die einzigen Schwierigkeiten, mit denen die Bahn beim Bau des Fildertunnels derzeit kämpft. Seit Monaten herrscht nach den veröffentlichten Grafiken Stillstand beim bergmännischen Vortrieb der beiden Röhren zwischen dem Verzweigungsbauwerk Süd und der geplanten Wendekaverne. Die Vortriebe stehen auf Höhe der Haussmann- und Gerokstraße:

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Wie dem Vortrag von Dr. Wittke  zu entnehmen ist, steht wegen der schwierigen geologischen Situation noch nicht einmal die genaue Lage der fabrikhallen großen Wendekaverne fest. Und auch die bergmännischen Bauarbeiten im Anfahrbereich des Fildertunnels unter dem Kernerviertel sind wegen der noch nicht genehmigten Verdoppelung des Gebiets der Hebungsinjektionen nicht angelaufen.

Sprich: die bergmännischen Vortriebsarbeiten zum Bau des mittleren Fildertunnels hinken deutlich hinter dem Zeitplan her. Soweit sich deren Vortriebsleistung nicht deutlich erhöht, werden diese den geplanten Vortrieb der Tunnelvortriebsmaschine und damit die Fertigstellung des Rohbaus des Fildertunnels ausbremsen. Die Wirtschaftsprüfer der KPMG rechnen nach dem der Süddeutschen vorliegenden Gutachten mit deutlichen Verzögerungen bei der Fertigstellung von Stuttgart 21. Der Fildertunnel könnte trotz des Einsatzes einer Tunnelvortriebmaschine dafür mit verantwortlich sein.

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