Die Stuttgarter Zeitung widmete gestern eine ganze Seite den „Problemen“ bei der „Riesenbaustelle“ Stuttgart 21 und zwar die Geologie , der Artenschutz und der Baulärm. Abgesehen davon, dass der Bahn bei Stuttgart 21 wegen nicht finanzierter Mehrkosten in Milliardenhöhe noch Probleme in ganz anderer Größenordnung drohen. Hier noch ein paar Anmerkungen zu den in den StZ-Beiträgen geschilderten Problemen:
- Problem Geologie/ Bau der Abdichtungsbauwerke unter Degerloch
Der StZ-Beitrag zur Geologie berichtet über Bauarbeiten für die die Dammringe unter Degerloch, die zum Schutz vor eindringendes Wasser als Abdichtungsbauwerke vor und hinter dem Übergangsbereich zum quellfähigen Anhydrit hergestellt werden. Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein „Problem“, sondern um eine geplante Bautechnik im schwierigen Stuttgarter Untergrund, von der die Bahn überzeugt ist, dass sie diesem Risiko gerecht wird.
Immerhin müssen bei Stuttgart 21 fast 16 der 59 Tunnelkilometer Anhydrit in mehreren Linsen durchfahren und jeweils vor und nach diesen durch Abdichtungsbauwerke geschützt werden. Die Bahn ging 2009 sogar soweit, dass sie im Vertrauen auf die Wirksamkeit als Einsparpotential die ursprünglich geplanten Tunnelwandstärken reduzierte. Oder wie es Bahnchef Rüdiger Grube in der Stuttgarter Zeitung (hier) formulierte:“Wir wollen sichere Tunnel bauen, aber keine Bunker„. Hier eine Folie aus der Schlichtungspräsentation des Bahnvorstands Volker Kefer:
Nur in einem Nebensatz erwähnt der StZ-Artikel, dass unter dem Killesberg dieser Schutz entgegen den jahrelangen Einschätzungen des Sachverständigen nicht ausreicht. Zusätzlich ist ein 144 Millionen teures Injektionsverfahren erforderlich, über das wir in zwei Beiträgen (Beitrag 1 / Beitrag 2) berichtet haben. Hier hat die Bahn ein Problem, weil sie entgegen den Warnungen kritischer Geologen jahrelang die Risiken des Tunnelbaus im tiefliegenden Anhydrit unterschätzt hat. Dieses neue Verfahren kostet sowohl Geld als auch zusätzliche Bauzeit.
2. Problem Artenschutz / Bergmännischer Tunnelbau Ehmannstraße
Die Stuttgarter Zeitung berichtet beim Problem Artenschutz über die noch nicht genehmigte Planänderung zum bergmännischen Tunnelbau im Bereich der Ehmannstraße. Doch die geschützten Rosen- und Juchtenkäfer tauchten nicht plötzlich auf. Genauso wenig wie die Zaun- und Mauereidechsen, die die Bahn noch in Untertürkheim und zum Bau der Neubaustrecke umsiedeln muss. Laut der Aufsichtsratsvorlage fallen zusätzlich 45 Millionen für den Umweltschutz an.
Dass für Stuttgart 21 im PFA 1.5. in ein streng EU-geschütztes Flora-Fauna-Habitat eingegriffen werden soll, war vor Baubeginn bekannt. Jetzt hängt der Baufortschritt dort davon ab, ob die entsprechenden Genehmigungen erteilt werden. Also ein eigentlich absehbares Problem. „Die Echsen sind nicht schuld„- so berichtet auch Kontext.
3. Problem Baulärm / Stuttgarter Norden und Unterürkheim
Die Stuttgarter Zeitung berichtet über das Problem Baulärm bei Stuttgart 21 am Beispiel des Stuttgarter Nordens, wo allein 410 Wohneinheiten mit Schallschutzfenstern ausgestattet werden müssen. Auch bei den angebotenen Schutzmaßnahmen wegen den nächtlichen Belastungen durch die Meißelarbeiten hat die Bahn jetzt im Zuge des abgelehnten Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgerichts nachgebessert.
Doch dies ist eigentlich auch kein Problem. Bei einer umfassenden und soliden schalltechnischen Berechnung bereits vor Baubeginn hätten die erforderlichen aktiven und passiven Schutzmaßnahmen geplant und budgetiert werden müssen. Jetzt muss die Bahn gegenüber dem Aufsichtsrat einräumen, dass 65 Millionen zusätzlich für den Schallschutz aufgewandt werden muss. Ob diese Größenordnung tatsächlich realistisch ist, sei dahin gestellt. Die Bahn begründet diese Mehrkosten mit zusätzlichen Lärmschutzauflagen.
Wir haben auf dieser Webseite immer wieder darüber berichtet, dass die Lärmprognosen des langjährigen Gutachters unzureichend waren. Die Bahn musste immer wieder beim aktiven und passiven Schallschutz nachbessern. So auch im Stuttgarter Norden. Hier musste die Bahn gegenüber den Anwohnern des Wartbergs und Umgebung mehrfach einräumen, dass die Prognosen des Gutachters und die Schutzmaßnahmen wieder revidiert werden müssen. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Bis heute fallen die Belastungen durch den von den Lüftern am Zwischenangriff Prag ausgehenden primären und sekundären Schall höher als prognostiziert aus. Die versprochenen Nachbesserungen der Bahn durch aktiven Schallschutz greifen immer noch nicht.