Zum aktuellen Baufortschritt bei den Tunneln für Stuttgart 21: SUSE steckt weiterhin fest. Sprengungen belasten Anwohner

Wie jeden Monat möchten wir einen Überblick über den aktuellen Baufortschritt beim Tunnelbau für Stuttgart 21 geben. Nachfolgend finden Sie die Übersicht der Netzwerke über den Vortriebsstand der einzelnen Tunnel zum 24.10.2016 sowie die detaillerten Zahlen in unseren Übersichten ab Oktober 2015 / bis September 2015:

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Von den für Stuttgart 21 geplanten 59 Tunnelkilometern sind etwas mehr als ein Drittel aufgefahren. Fast zwei Drittel der Strecke einschließlich der Innenverschalung bei 44 bergmännischen Tunnelkilometern müssen in den nächsten 2,75 Jahren realisiert werden, wenn die Bahn ihren offiziellen Zeitplan für den Tunnelrohbau einhalten will. Der Bau von 12,2 Tunnelkilometern, d.h. des Nord- und Südkopfs am „Tiefbahnhof“, der Tunnel am Flughafen und des S-Bahn-Tunnels Los 4 Süd, sind noch nicht einmal angelaufen.

Obwohl die Bahn weder ihren Projektpartnern in den Lenkungskreisen noch den Anwohnern auf den Informationsveranstaltungen, wie beispielsweise zuletzt für den Stuttgarter Osten, einen konkreten Zeitplan für den Tunnelbau im schwierigen Stuttgarter Untergrund präsentiert, hält die Bahn trotz eines Zeitverzugs von mehr als zwei Jahren unbeirrt an der Inbetriebnahme von Stuttgart zum Fahrplanwechsel Ende 2021 fest. Nachdem selbst die von der DB AG beauftragte Wirtschaftprüfungsgesellschaft KPMG  die Einhaltung des offiziellen Zeitplans bei Stuttgart 21 als unrealistisch einschätzt und in der Süddeutschen bereits von „Stuttgart 24“ die Rede ist, können wir uns unsere bisherigen skeptischen Anmerkungen bzw. Hochrechnungen zum Tunnelbau sparen. Die Übersicht mit den wöchentlichen bzw. monatlichen Zahlen für den bergmännischen und maschinellen Vortrieb finden Sie in der oben verlinkten Datei.

Zumal der Tunnelbau von weiteren rund 37 Kilometern im geologisch schwierigen Stuttgarter Untergrund mit Risiken und Herausforderungen verbunden ist. Dies zeigt sich derzeit beispielsweise beim Tunnelbau auf den Fildern. Nahezu von der Öffentlichkeit unbeachtet steckt die Tunnelvortriebsmaschine SUSE seit fünf Wochen auf der Höhe von Möhringen fest und bewegt sich maximal um jeweils einen Meter pro Woche. Laut einem Bericht der beiden Stuttgarter Zeitungen vom 9.Oktober ist ein Antrieb des Schneiderads ausgefallen. Eigentlich sollte der Vortrieb Mitte Oktober weitergehen. Dass dieser derzeit noch andauernde Stillstand der Tunnelvortriebsmaschine nicht unbedingt zu Verzögerungen führt, weil sich auch der bergmännische Tunnelvortrieb unter Degerloch deutlich im Hintertreffen befindet, haben wir bereits berichtet. [Update : Nach den von der Projektgesellschaft aktuell veröffentlichten Vortriebszahlen zum 31.10.2016 ist der maschinelle Vortrieb wieder angelaufen.]

Auch zusätzliche Schutzmaßnahmen bei den geplanten 16 Kilometer Tunnelröhren im kritischen anhydritführenden Gestein werden Zeit und Geld kosten. Nach einem Bericht der SWP vom 20.Oktober über die erneut erforderliche Sanierung des Engelbergtunnels soll der Feuerbacher Tunnel neben den seit Juni eingeräumten Kunststoffinjektionen nun auch mit einem zusätzlichen Gitternetz gegen mögliche Quellungen gesichert werden. Landesverkehrsminister Winfried Hermann schloss laut SWP (hier) nicht aus, „dass weitere Abschnitte von S 21 so abgesichert werden müssen: „Bei einer so großen Baumaßnahme weiß man nie, was noch kommt.“

Anfang August hatten wir eine ausführliche Übersicht über den Tunnelbau bei Stuttgart 21 in den einzelnen Abschnitten gegeben. Diesen Monat werden wir nur die Veränderungen gegenüber diesem Stand bzw. gegenüber unserem letzten Bericht vom September 2016 vorstellen:

PFA 1.2.Fildertunnel / 1.6a Obertürkheimer Tunnel (Innenstadt, d.h. Rettungszufahrt Süd / Kernerviertel / Gänsheide incl. Uhlandshöhe):

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  • Vom Obertürkheimer Tunnel ist nur die Weströhre im Bau. Diese kam trotz des dort vorhandenen anhydritführenden Gesteins in den letzten Monaten entlang der Gänsheide deutlich voran und steht kurz vor der Plankstraße. Unterbrechungen beim Vortrieb zum Bau von Abdichtungsbauwerke zum Schutz vor eindringendes Wasser sind bislang nicht erkennbar.
  • Der Bau der Oströhre des Obertürkheimer Tunnels Richtung Wangen soll nach Aussage des Abschnittsleiters Günther Osthoff erst 2017 starten.
  • Der Baus des Fildertunnels vom Verzweigungsbauwerk Süd Richtung der geplanten Wendekaverne stockt weiterhin aus unbekannten Gründen seit Monaten auf Höhe der Gerok- bzw. Hausmannstraße.
  • Weiterhin unklar ist, wann der Anfahrbereich unter dem Kernerviertel vom Verzweigungsbauwerk vorgetrieben wird. Mit einer Planänderung zur Ausweitung der Hebungsinjektionen ist durch das Eisenbahn-Bundesamt ist wahrscheinlich erst Anfang nächsten Jahres zu rechnen.
  •  Vertreter des Netzwerks Kernerviertel haben dem Bezirksbeirat Mitte über die Staub- und Lärmbelastung durch den Tunnelbau und das Förderband berichtet. 

PFA 1.2. / Fildertunnel (Fasanenhof, Möhringen, Degerloch):

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  • Über die wechselhaften geologischen Verhältnisse und die damit verbundenen Herausforderungen der ersten Schildfahrt hat Dr. Martin Wittke in seinem Vortrag vor der Univerität Stuttgart berichtet.
  • Auf ihrer zweiten Schildfahrt steht die Tunnelvortriebsmaschine seit fünf Wochen auf Höhe des Möhringer Stöfflerwegs fest. Wie erwähnt, ist nach einem Bericht der beiden Stuttgarter Zeitungen ein Antrieb des Scheiderads defekt.
  • Dennoch wäre ein kurzfristiger Einbruch der Vortriebsleistung für den Baufortschritt des Fildertunnels nicht von Belang. Die Maschine kann ihre dritte Schildfahrt von Degerloch Richtung Gänsheide/Wendekaverne erst dann fortsetzen, wenn die Weströhre des mittleren Fildertunnels unter Degerloch bergmännisch vorgetrieben und die Maschine durch dieses Zwischenstück durchgezogen wurde. Über die Verzögerungen beim bergmännischen Tunnelbau unter Degerloch haben wir berichtet.
  • Aktuell steht der bergmännische Vortrieb der Oströhre unter der Falterausiedlung unmittelbar vor dem geplanten Querschlag zur Weströhre. Weiterhin sind trotz der hohen Überdeckung von mehr als hundert Meter die rund um die Uhr stattfindenden Sprengungen in Degerloch spürbar.
  • So schreibt die Degerlocher Oben-Bleiben-Gruppe: Ein Anwohner „hat an mehrere amtliche Stellen ein Beschwerde-Schreiben der Anwohner des Gebietes Pfullingerstrasse/Unterhäuserstraße abgesandt, unterfüttert mit einer Unterschriften-Sammlung und ärztlichem Attest über Schlafstörungen durch den nächtlichen Lärm der Spreng-Arbeiten. In dem Schreiben wird bei Fortsetzung der Ruhestörungen eine Strafanzeige angedroht. Es bleibt abzuwarten, welche Wirkung die Beschwerde entfaltet.“
  • Im Gegensatz zu den anderen Tunnelvortrieben werden diese Sprengungen nicht auf der Webseite angekündigt. Die Degerlocher Oben-Bleiben-Gruppe hat sich deswegen an die Projektgesellschaft gewandt.
  • Am 7.Oktober hat das EBA die Planänderung zum Sonic Boom Bauwerk beim Filderportal genehmigt. Das EBA schreibt in seinem Bescheid über den Zweck dieser Umplanung: „Gegenstand des Vorhabens ist eine Änderung des Sonic Boom Bauwerkes um Vorgaben gemäß dem aktuellen Stand der Technik erfüllen zu können. Durch die in diesem Zusammenhang geplante Verlängerung des Sonic Boom Bauwerkes einschließlich einer Änderung der Ausführung der Lüftungsöffnungen an der Tunneldecke und einer Aufweitung des Trogbauwerkes wird eine frühzeitige Druckentlastung ermöglicht. Dadurch verringern sich gegenüber der bereits planfestgestellten Variante die mit der Mikrodruckwelle in Verbindung stehenden Schallimmissionen am Tunnelaustritt. Gegenstand der Planänderung ist weiterhin die Anpassung der Ausführung des Rettungsplatzes und der Zufahrt zum Filderportal.“

PFA 1.5. / Tunnel Bad Cannstatt (Killesberg, Bad Cannstatt):

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  • Die Vortriebe der beiden Röhren des Bad Cannstatter Tunnels vom Zwischenangriff Nord Richtung Innenstadt haben unterhalb des Killesberges die Wohngebiete der Birkenwaldstraße / Himmelsberg (Oströhre) sowie der Rebhalde (Weströhre) erreicht. Weiterhin wird unter dem Kriegsberg das Verzweigungsbauwerk hergestellt.
  • Laut aktueller Pressemitteilung der PSU wird der Durchbruch der Oströhre vom Zwischenangriff Nord Richtung Hauptbahnhof zum Jahreswechsel erwartet.
  • Der Baufortschritt der beiden Röhren des Cannstatter Tunnels weicht stark voneinander ab. Wegen des Anhydritvorkommens  kommen die Mineure in der Weströhre langsamer voran. In der Oströhre wurde hingegen laut einem StZ-Bericht über die neue zusätzliche Sicherungstechnik bislang kein Anhydrit angetroffen. Auf dem Weg bis zum Hauptbahnhof wird noch – entgegen des offiziellen Längsschnitts – mit einer weiteren Anhydritlinse gerechnet.
  • Wegen des harten Gesteins muss auch für den Bau des Cannstatter Tunnels unterhalb des Killes- und Kriegsbergs gesprengt werden. Trotz der Überdeckung sind diese für Anwohner am Killesberg deutlich spürbar. Die Sprengungen finden im Gegensatz zu den anderen Tunneln nur im Zeitraum zwischen 6 bis 22 Uhr statt.
  • Weiterhin sind die Tunnelvortriebsarbeiten von der Ehmannstraße Richtung Bad Cannstatt wegen Artenschutz bzw. einer noch nicht genehmigten Planänderung nicht angelaufen.
  • Am Neckarhang steht wegen dem Bau der neuen Neckarbrücke die Fällung von Bäumen bevor. Wolfgang Rüter, Reporter der Straße, hat über die geplanten Fällungen und andere vorbereitende Maßnahmen der Bahn auf der Parkschützerseite berichtet.

 PFA 1.5. / Tunnel Feuerbach (Killesberg, Feuerbach):

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  •  Der Vortrieb des Feuerbacher Tunnels hat Richtung Innenstadt die obere Birkenwaldstraße (Weströhre) und die Friedrich-Ebert-Straße (Oströhre) erreicht. In Richtung Feuerbach steht der Vortrieb auf Höhe der Rüdigerstraße (Oströhre) und seit Wochen auch auf der Höhe des Freibads (Weströhre).
  • Auch der Bau des Feuerbacher Tunnels erfolgt im Sprengvortrieb, den die Anwohner deutlich spüren. Im Gegensatz zum Bad Cannstatter Tunnel finden die Sprengungen rund um die Uhr unter dem Killesberg statt. Anwohner berichten von schlaflosen Nächten, wenn sie wegen der Sprengungen aufgewacht sind.
  • Weiterhin belastet der von den Lüftern am Zwischenangriff Prag ausgehende Lärm sowie die Vibrationen das Wohngebiet am Wartberg. Trotz mehrerer Zusagen der PSU konnten die Lüfter nicht weiter modifiziert werden. Weitere Verbesserungen an den Lüftern seien nicht mehr machbar. Anfang Oktober fand ein Ortstermin der Projektgesellschaft mit Vertretern des Netzwerks Killesberg und Anwohnern des Wartbergs statt, über das wir berichtet haben.
  • Neben den bereits bekannten zusätzlichen Kunststoffinjektionen zum Schutz vor eindringendes Wasser soll der Feuerbacher Tunnel laut einem Bericht der SWP auch mit einem zusätzlichen Gitternetz umgeben werden. So schreibt die SWP (hier): „Erkenntnisse vom Engelbergtunnel und der bis zu 100 Meter hohen Gesteinsschichten fließen direkt in „Stuttgart 21“ ein. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) spricht von „erheblichen Folgen“ für das Jahrhundertprojekt. Der Tunnel in Feuerbach müsse mit einem zusätzlichen Gitternetz umgeben werden, erklärte der Minister, damit  „das Gestein wasserdicht wird“. 

PFA 1.6a/ Tunnel Obertürkheim (Wangen, Untertürheim, Obertürkheim, Gablenberg):

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  • Die Vortriebe der Ost- und Weströhre des Obertürkheimer Tunnels Richtung Innenstadt sind beide unterhalb der Wangener Höhe. Die Weströhre steht kurz vor dem Plettenberg. Als nächstes steht die Unterfahrung des Stadtteils Gablenberg an. Auch hier müssen die Anwohner mit Lärm und Erschütterungen durch den Sprengvortrieb rechnen.
  • Der seit Juni stockende Tunnelvortrieb der Oströhre vom Zwischenangriff Wangen Richtung Neckar ist nach Erkundungsbohrungen seit September wieder angelaufen und hat den Neckar erreicht.
  • Die Sprengungen finden auch beim Vortrieb Richtung Neckar rund um die Uhr statt. Nach Aussage der Bürgerbeauftragten Alice Kaiser liegt die 24-Stunden-Spreng-Genehmigung vor bis der Neckar unterfahren wurde. Allerdings sind bereits jetzt schon der sekundäre Lärm und die Erschütterungen der Sprengungen laut einer Anwohnerin im ca. 600 Meter entfernten Lindenschulviertel auch im Nachtzeitraum  deutlich hör- und spürbar.
  • Dagegen herrscht beim Vortrieb der Weströhre wegen eines Wassereinbruchs auf Höhe der Untertürkheimer Albert-Dulk-Straße weiterhin Stillstand. Der Wassereinbruch fand an der Stelle statt, an die der Sachverständige für Wasserwirtschaft für die Röhre 62 noch im Juli 2016 zusätzliche geologische Erkundungen angeordnet hatte. Weitere Erkundungsbohrungen fanden laut Nachtrag im EU-Amtsblatt Anfang September nach dem Wassereinbruch statt.
  • Letzte Woche berichtete die Untertürkheimer Zeitung, dass entdeckte weitere Hohlräume mit Beton verfüllt werden müssen. Dazu muss der Sportplatz wegen dafür erforderlicher Bohrungen für Monate gesperrt werden. Auch im Bereich des Bruckwiesenwegs sind Bohrungen erforderlich, damit der Beton den mürben Untergrund für den Tunnelbau stabilisiert.
  • Dennoch soll der vorübergehende Stillstand laut einer Pressemitteilung der PSU keinen Einfluss auf den Baufortschritt beim Tunnelvortrieb des Obertürkeimer Tunnels haben.
  • Weiterhin läuft noch die Planänderung zum Wegfall des Einschubbauwerks in Obertürkheim. Ende September berichtete das Infobündnis Zukunft Schiene in einem Gastbeitrag, dass nach mehrfacher Umarbeitung des Planänderungsantrags vom Eisenbahn-Bundesamt bislang nur ein Teil der eingereichten Planänderung genehmigt wurde.
  • Nachdem die Bahn ihre Pläne für den S21-Abstellbahnhof in Untertürkheim zum dritten Mal seit 2006 komplett überarbeitet hat, will sie diese am 29.11.2016 um 19 Uhr in der Sängerhalle vorstellen.

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