Gerstern stand eine Aussprache zur Staub- und Lärmbelastung durch die Stuttgart 21-Baustellen für das Kernerviertel auf der Tagungsordnung des Bezirksbeirats Mitte. Basis für die Aussprache war die schriftliche Stellungnahme der Bürgerbeauftragten der Stadt Stuttgart, Alice Kaiser, vom 23.9.2016. Der Bezirksbeirat hatte in seiner Sitzung am 12.September nach der StZ-Berichterstattung über die Sprengschwaden (Bericht / Kommentar) die Bürgerbeauftragte um Information gebeten, „was von der DB AG gegen die Staub- und Lärmbelästigung und wie hierbei die Abstimmung mit den Anwohnern aussehen kann.“
Das Netzwerk Kernerviertel konnte zu diesem Tagesordnungspunkt vor dem Bezirksbeirat Mitte mündlich ergänzende Anmerkungen vortragen, die wir hier zusammengefasst wiedergeben:
- Zur fehlenden Kontrolle durch die Stadt Stuttgart und dem EBA
- Das Netzwerk forderte erneut, dass auch die Stadt Stuttgart im Interesse ihrer Bürger bei Beschwerden auch Immissions-Messungen durchführt. Oder zumindest die Messgutachten der Bahn einfordert und prüft, damit dies nicht -wie bislang praktiziert- ausschließlich den betroffenen Anwohnern in den Netzwerken überlassen bleibt. Das Eisenbahn-Bundesamt als zuständige Aufsichtsbehörde ist weiterhin personell für diese Aufgabe nicht ausreichend ausgestattet.
2. Zur versprochenen Veröffentlichung der Messberichte im Internet
- Entgegen dem Transparenzversprechen veröffentlichte die DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) die nach den Messkonzepten aller 6 bis 8 Wochen für jeweils 7 Tage durchzuführenden Messungen teilweise nur sporadisch oder erst auf Nachfrage der Netzwerke im Internet.
- So wurden trotz mehrfachen Nachhakens des Netzwerks Kernerviertel Messberichte an den beiden Messpunkten Sänger- und Urbanstraße von der PSU erst nach einem Antrag des Netzwerks auf Einsicht beim Eisenbahn-Bundesamt nachträglich eingestellt.
- Entgegen der Stellungnahme der Bürgerbeauftragten sind bis heute die vom Immissionsschutzbeauftragten im August und September 2016 durchgeführten Messungen des Förderbands nicht im Internet veröffentlicht. Das Netzwerk Kernerviertel hat auf Anfragen bei der Bauinfo der PSU die Auskunft bekommen, dass „diese Testmessungen nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sind“.
- Bei den Staubmessungen werden keine Monatsberichte, sondern nur die kummulierten Jahreswerte einmal im Jahr im Internet veröffentlicht.
3. Zu den Sprengstaubwolken an der Rettungszufahrt:
- Seit Ende September sind die Staubwolken nicht mehr so stark aufgetreten. Ob dies an weiteren Schutzmaßnahmen der DB Projekt Stuttgart-Ulm liegt oder dass derzeit nicht mehr trocken im anhydritführenden Gestein gesprengt wird, ist unklar. Mit Belastungen ist bei den weiteren Vortriebsarbeiten im Anhydrit zu rechnen. Beispielsweise ab 2017 beim zweiten Vortrieb Richtung Wangen oder beim Bau der Wendekaverne unter der Gänsheide/Uhlandshöhe.
- Die Staubmessungen werden anhand der Anzahl der Staubpartikel in einem Messbecher in einem Monat bzw. über das Jahr hin gemessen. Diese quantitativen Messungen bilden nicht die Belastungen der Anwohner im Wohngebiet sowie der Kinder am nahen Spielplatz ab, die im Sommer immer wieder die Staubwolken und den Ammoniak-Geruch abbekommen hatten. Einen Eindruck gibt ein Videozusammenschnitt vom August 2016. Weitere Informationen sind in den Beiträgen vom 10.August und 18.Juli 2016 zu finden.
- Die Schadstoffbelastung durch den Sprengstaub an der Rettungszufahrt wurde bislang nicht gemessen. Das Eisenbahn-Bundesamt hatte in einem Schreiben an das Netzwerk Kernerviertel zugesagt, dass die PSU sich mit dem Landesamt für Umwelt zur Klärung des Ammoniak-Grenzwertes in Verbindung setzt.
- Die PSU will das Netzwerk Kernerviertel Mitte November über die aktuellen Staubmessungen informieren. Bis zur nächsten geplanten Anwohnerveranstaltung im März 2017 wird sich auch zeigen, ob die Sprengstaubwolken weiterhin das Kernerviertel belasten.
4. Zum Lärm durch den Betrieb des Förderbands:
- Laut der Stellungnahme der Bürgerbeauftragten „versteht und bedauert“ die Bahn, dass sich die Anwohner durch den Betrieb des Förderbandes „gestört fühlen„. Dabei hatte die Bahn noch 2014 auf einer Bezirksbeiratssitzung (StN) und auf mehreren Anwohnerveranstaltungen (StZ) erklärt, dass der Betrieb des Förderbands im Kernerviertel „gar nicht oder kaum wahrnehmbar sein“ wird.
- Im Sommer war der Steinabwurf des Förderbands bei den Wohnungen im Kernerviertel mit direktem Blick auf das Baufeld jedoch teilweise sehr deutlich auch im Nachtzeitraum hörbar.
- Eine Anwohnerin des Netzwerks Kernerviertel erhielt u.a. folgende Information der Bauinfo auf Ihre Beschwerde hin: „Grundsätzlich ist es zutreffend, dass der Geräuschpegel im Kernerviertel, der durch den Betrieb des Förderbandes verursacht wird, schwanken kann. Dies kann zum einen seine Ursache in der schwankenden Konsistenz des Ausbruchmaterials und zum anderen auch in den meteorologischen Randbedingungen haben. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Windverhältnisse und auch gelegentlich auftretende Temperaturinversionen einen Einfluss auf den Immissionspegel haben.“
- Der vom Immissionsschutzbeauftragten im August an der Sängerstraße gemessene Werte von 44-45 dB bezieht sich nur auf den durch das Förderband ausgehenden Geräuschpegel. Dabei ist nicht berücksichtigt, dass das Kernerviertel durch weitere Lärmquellen (u.a. 24-Stundenbetrieb Tunnelbaubetrieb Rettungszufahrt, Verkehrslärm B 14) belastet ist. Die Messungen am Messpunkt Sängerstraße, wie beispielsweise der zuletzt veröffentlichte der KW 39 weisen Immissionsmittelwerte im Tageszeitraum von über 72 dB(A) und im Nachtzeitraum zwischen 20 bis 7 Uhr von über 62 dB(A) auf. Der Spitzenpegel betrug nachts über 68 db(A)!
- Derzeit ist das Förderband deutlich leiser wahrnehmbar. Die Möglichkeit der Anwohner zur Rückmeldungen besteht auch auf der für März 2017 geplanten Infoveranstaltung.
5. Zum Lärm durch die Tunnelbelüftung an der Rettungszufahrt
- Nicht in der Stellungnahme der Bürgerbeauftragten erwähnt, ist der von den beiden Lüftern unter dem Schallschutzdach an der Rettungszufahrt ausgehende Dauerlärm, obwohl derzeit nur einer der geplanten sechs Tunnelvortriebe in Betrieb ist.
- Aktuell läuft nur der erste Tunnelvortrieb Richtung Wangen. Der Bau der zweiten Tunnelröhre Richtung Wangen und die zwei Vortriebe für den Anfahrbereich unter dem Kernerviertel sollen erst 2017 starten. Die beiden Vortriebe des Fildertunnels Richtung Wendekaverne stocken seit Monaten.
- Das Netzwerk Kernerviertel hatte bereits im April die PSU darauf aufmerksam gemacht, dass die Lärmpegel an der Rettungszufahrt die prognostizierten Werte erreicht haben, obwohl wegen des eingeschränkten Tunnelvortriebs nur zwei der geplanten vier Lüfter in Betrieb sind. Die PSU verwies auf die regelmäßigen Messungen und dass weitere aktive Schallschutzmaßnahmen nicht erforderlich seien. Wir hatten darüber berichtet.
- Auch die im zuletzt veröffentlichten Messbericht vom 20.-26.7.2016 ausgewiesenen Lärmpegel überschreiten die im schalltechnischen Detailgutachten vom Oktober 2015 für die Rettungszufahrt ermittelten Maximalwerte.
- Ergänzende Anmerkung: So wurden Ende Juli 2016 im Nachtzeitraum durchschnittliche Immissionswerte von 55,3 dB(A) bis 58,8 dB(A) und zum Teil Spitzenpegel auch über den kritischen, eigentlich nicht mehr zulässigen 60 dB(A) gemessen. Die prognostizierten Pegel am nahen Wohngebäude Urbanstraße 62 sollten maximal zwischen 52,7 bis 54,4 dB(A) liegen. Zwischenzeitlich müsste wieder eine Schall-Messung an der Rettungszufahrt/ Wagenburgtunnel statt gefunden haben. Der Messbericht wurde jedoch noch nicht auf der Internetseite der PSU veröffentlicht.
- Nach den Erfahrungen beim Zwischenangriff Prag steigt der von den Lüftern ausgehende Lärmpegel bei fortgeschrittenem Vortrieb. Je länger die zu belüftende Tunnelstrecke, desto höhere Drehzahlen sind erforderlich. Zu erwarten ist, dass die Lärmpegel an der Rettungszufahrt neben dem Wagenburgtunnel noch steigen werden, wenn nicht weitere aktive Schallschutzmaßnahmen von der Bahn ergriffen werden.
- Der von der Tunnelbewetterung Rettungszufahrt ausgehende Dauerlärm wird sicherlich noch ein Thema auf der nächsten Informationsveranstaltung im März 2016 werden.