Landesbergdirektion und Eisenbahn-Bundesamt antworten Netzwerk Kernerviertel wegen Sprengschwaden

Wir haben bereits zwei Mal über die Sprengschwaden berichtet, die aus der Rettungszufahrt Süd neben dem Wagenburgtunnel immer wieder die Sicht vernebeln und Richtung der nahen Wohngebäude des Kernerviertels ziehen. Ein Wohnviertel, das ohnehin stark durch den Feinstaub der Innenstadt und des oberirdischen S 21- und SSB-Baustellenbetriebs belastet ist.

Auf die Anfrage beim Umweltamt der Stadt Stuttgart erhielt das Netzwerk am 20.April von der Bürgerbeauftragten Alice Kaiser die Antwort, dass die Projektgesellschaft „ihre alternativen Schutzmaßnahmen optimiert“. In beiden Berichten (Bericht 1 / Bericht 2) hatten wir die Sprengschwaden mit Fotos bzw. einen Film dokumentiert, dass diese Schutzmaßnahmen nicht greifen.

Messungen finden nicht oder nur eingeschränkt statt. Die Staubmessstelle am nahen Messpunkt Urbanstraße neben dem nächsten Wohnhaus wurde kurzerhand für ein Jahr aus dem Messprogramm und erst seit Juni 2016 wieder in Betrieb genommen. Die Messungen erfolgen monatlich. Veröffentlicht wird nur ein Gesamtwert im nächsten Jahresbericht. Luftschadstoffmessungen der teilweise stinkenden Wolken lehnte der Immissionsschutzbeauftragte für Staub und Abgase auch nach Beschwerden der Anwohner bereits am Zwischenangriff Prag ab.

Daher hatte sich das Netzwerk Kernerviertel per E-Mail an die beim Freiburger Regierungspräsidium angesiedelte Landesbergdirektion gewandt, die die Sprengungen bei Stuttgart 21 genehmigt. Die Landesbergdirektion wertete als Fachbehörde die Nachfragen des Netzwerks als Beschwerde und leitete diese an das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) weiter. Auf nochmaliges Nachhaken beantwortete die Landesbergdirektion auch die folgenden Fragen des Netzwerks nach der Zusammensetzung der Sprengschwaden, der Grenzwerte, der Messungen und der zuständigen Behörde. Lesen Sie hier. Die Landesbergdirektion legte ihrer Antwort noch einen Bericht des IFA zu Sprengschwaden bei.

Die Landesbergdirektion sieht die Veranwortung, dass Messungen stattfinden beim EBA. So heißt es in der Mail: „Regelungen zu Art, Umfang und Überwachung von Emissionen (ggf. Immissionen) und der dazu ggf. gebotenen Messungen sind von der dafür zuständigen Immissionsschutzbehörde (hier: das EBA) festzulegen“.

Auf die von der Landesbergdirektion weitergeleitete Nachfrage des Netzwerks Kernerviertel traf Ende letzter Woche ein dreiseitiges Schreiben des EBAs ein. Lesen Sie hier. Trotz der Ausführlichkeit ist die Antwort leider sehr unbefriedigend.

Das EBA informiert über die Bestandteile des Sprengstaubs, wiederholt die von der Landesbergdirektion mitgeteilten Grenzwerte, listet alle Maßnahmen auf, mit denen die Bahn die Sprengschwaden zu verhindern sucht, und kommt zum Schluss: „Aufgrund dieser Vielzahl an Maßnahmen, die durch den Vorhabenträger getroffen wurden, in Verbindung mit dem erforderlichen Fachpersonal für Sprengungen sind auch aus Sicht des Immissionsschutzbeauftragten keine Messungen für die oben genannten Grenzwerte erforderlich, da im vorliegenden Fall keine Besonderheiten vorliegen“.

Einziges Zugeständnis ist , dass die Bahn mit der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) Kontakt aufnimmt mit dem Ziel, zur Prüfung der Relevanz der Ammoniakkonzentrationen einen Beurteilungswert abzusprechen.  Nach Festlegung eines Beurteilungswertes erfolgen Konzentrationsmessungen für Ammoniak am Tunnelportal“.

Die in Aussicht gestellte Messung für Ammoniak ist zumindest ein erster Schritt und zu begrüßen.  Dennoch ist es unerklärlich, wie das EBA in seinem Schreiben erklären kann, dass im „vorliegenden Fall keine Besonderheiten vorliegen“ und gemeinsam mit dem Immissionsschutzbeauftragten weitere Messungen ablehnt. Bedeutet dies, dass das EBA davon ausgeht, dass aufgrund der Maßnahmen der Bahn keine Sprengschwaden auftreten oder dass ins Wohngebiet ziehende Sprengschwaden möglicherweise über Jahre des Vortriebs hinzunehmen sind? Wozu wurde ein Immissionsbeauftragter für Staub und Abgase bei Stuttgart 21 bestellt, wenn er maximal den Staub, aber nicht die Abgase misst und bei den täglich hochziehenden Staubwolken weiterhin keinen Handlungsbedarf sieht?

Wie kommt das EBA zu der Einschätzung, dass ein Staubmesspunkt bei einem unmittelbar oberhalb des Tunnelmunds liegenden Wohngebäude eine „freiwillige Leistung“ der Bahn handelt? Ist das Staubmesskonzept der Bahn auf Europas größter Baustelle nicht verpflichtend? Sieht das EBA hier keinen Handlungsbedarf für weitere Messungen und Auflagen an die Bahn zur weiteren Reduzierung der Schwaden, weil die Planfeststellungsbescheide wieder einmal eine Immissionsbelastung, in diesem Fall das Problem der Luftbelastungen durch Sprengstaub nicht berücksichtigt hatten?

Im betreffenden Planfeststellungsbeschluss PFA 1.2. Seite 35 wurde der Bahn als Bauherrin als Nebenbestimmung folgende Auflage erlassen:

„Die Vorhabenträgerin wird verpflichtet, zur Vermeidung bzw. Minimierung möglicher Staubimmissionen bis zur Bauleistungsvergabe ein Vorbeugungs-, Sicherungs- und Überwachungskonzept für eine nachhaltige Staubemissionsminderung zu entwickeln und dem Eisenbahn-Bundesamt vorzulegen. Neben den Maßnahmen zur Begrenzung der Emissionen aus Verbrennungsmotoren hat das Konzept konkrete Maßnahmen zum Schutz gegen Staub und zur geeigneten Baumaterialauswahl festzulegen. Das Konzept ist bauzeitbegleitend dem Baufortschritt entsprechend anzupassen und auf seine Wirksamkeit hin zu überwachen.“

Zwischen der Außenstelle des EBAs in Stuttgart in der Olgastraße und der Baustelleneinrichtungsfläche vor der Rettungszufahrt Süd neben dem Wagenburgtunnel liegen gerade einmal 500 Meter. Wir empfehlen den Mitarbeitern des EBAs diesen kurzen Spaziergang und sich vor Ort nach Sprengungen ein Bild zu machen. Dann würde deutlich werden, dass trotz der aufgelisteten Schutzmaßnahmen der Bahn die Schwaden weiterhin aus dem Tunnelmund nach oben Richtung Wohnhäuser des dicht besiedelten Kernerviertels ziehen.

Dies ist auch wieder auf einem aktuellen Video zu sehen, das Frank Schweizer von seinem Wohnhaus aufgenommen hatte und das die BI Neckartor dankenswerterweise eingestellt hat:

Update 12.09.2016: Die Stuttgarter Zeitung berichtete (hier) über die Staubwolken durch die Sprengungen, die an der Rettungszufahrt Süd neben dem Wagenburgtunnel austreten. (Die BI Neckartor hat freundlicherweise wieder einen Video-Zusammenschnitt des Netzwerk Kernerviertel ins Netz gestellt und in einem Beitrag über die Belastungen durch S21-Baustellen aufgegriffen.)

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