Halbzeit beim Tunnelvortrieb für Stuttgart 21. Zum aktuellen Baufortschritt in den einzelnen Stadtteilen Ende Mai 2017

Diese Woche wurde nach über drei Jahren  mit 29,4 km die Halbzeit des Vortriebs der 58 Kilometer Tunnel für Stuttgart 21 erreicht. Die Stuttgarter Zeitung konstatierte, dass keine Pressemeldung der Bahn bzw. DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH darauf aufmerksam machte. Bei den Tunneln, die unter den Stuttgarter Wohngebieten verlaufen, sind bis auf den Fildertunnel sogar zwei Drittel gegraben.Wir möchten wieder einmal einen kurzen Überblick über den aktuellen Baufortschritt beim Tunnelbau für Stuttgart 21 geben. Nachfolgend finden Sie den Vortriebsstand der einzelnen Tunnel zum 29.05.2017 sowie weitere Zahlen in unseren Übersichten ab Oktober 2015 / bis September 2015:

Auch wenn der neue Bahnchef Richard Lutz „finster entschlossen ist“ Stuttgart 21 im Zeit- und Kostenplan zu bauen, haben inoffiziell sowohl Projektchef Manfred Leger als auch der Architekt Christoph Ingenhoven eingeräumt, dass der immer noch Inbetriebnahmetermin von Stuttgart 21 zum Ende des Jahres 2021 nicht haltbar sei. Dafür müsste der Rohbau aller 59 Tunnelkilometer bis spätestens Mitte 2019 einschließlich dem Innenausbau von 44 bergmännischen Tunnelkilometern realisiert sein. Unter den weiteren 29 Tunnelkilometern stehen noch technisch sehr anspruchsvolle Strecken an, wie beispielsweise der Anfahrbereich mit den großen Tunnelquerschnitten und den Hebungsinjektionen unter dem Kernerviertel, die knappe Unterfahrung in Untertürkheim oder die Unterquerung des Neckars mit zwei weiteren Röhren. Den größten Zeitverzug verursacht jedoch nach derzeitigem Eingeständnis der Bahn der Bau des „Tiefbahnhofs“. Vorletzte Woche berichteten die beiden Stuttgarter Zeitungen, dass wegen fehlender Baugenehmigungen und den technisch komplexen Bauarbeiten an den Kelchstützen der Rohbau der Bahnsteighalle frühestens 2021 fertig gestellt werden kann. Die Inbetriebnahme würde sich damit drei weiteren Jahren für Innenausbau und Testbetrieb auf Ende 2024 verzögern, schrieben die Stuttgarter Nachrichten.

Anhand der von der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH veröffentlichten wöchentlichen Grafiken möchten wir Sie wieder über den Vortrieb in den einzelnen Stadtteilen informieren:

PFA 1.2.Fildertunnel / 1.6a Obertürkheimer Tunnel (Innenstadt, d.h. Rettungszufahrt Süd / Kernerviertel / Gänsheide incl. Uhlandshöhe):

  • Aktuell laufen in diesem Bereich die Bauarbeiten am Verzweigungsbauwerk Süd und an der Wendekaverne unterhalb der Gerokstraße. Laut Information des Abschnittsleiters Günther Osthoff auf der letzten Infoveranstaltung für das Kernerviertel soll die die Wendekaverne 2017 unterhalb der Gerokstraße wie planfestgestellt aufgefahren werden. Die Lage ist auf der präsentierten Folie erkennbar.
  • Im Frühjahr 2018 soll die Tunnelvortriebsmaschine nach ihrer 3. Schildfahrt in der Weströhre von Degerloch über die Gänsheide in der fabrikhallengroßen Kaverne wenden (Folie).
  • Laut Osthoff liegt die geplante Kaverne zwar im Übergangsbereich, nicht jedoch nicht im quellfähigen Anhydrit. Die Staubwolken, die wieder nach Sprengungen an der Rettungszufahrt neben dem Wagenburgtunnel austreten, weisen daraufhin, dass wieder trocken gesprengt wird.
  • Nach dem Tunneldurchschlag der Weströhre des Obertürkheimer Tunnels im März wird jetzt die Oströhre des Tunnels vom dritten Querschlag aus Richtung Wangen vorgetrieben. Der Vortrieb hat Gablenberg erreicht.
  • Weiterhin wird für den Vortrieb gesprengt. Die für April veröffentlichten Messprotokolle an den Messpunkten Gerokstraße 1,2 und Haussmannstraße 22 sowie Ecklen- und Straußweg weisen keine Überschreitungen der Erschütterungsrichtwerte nach der DIN 4150 auf.
  • Entgegen der Information der Bahn auf Anwohnerveranstaltung im März sind die  vorbereitenden Bohrungen vom Schacht in der Urbanstraße für Hebungsinjektionen im Kernerviertel oberhalb der Urbanstraßenoch nicht angelaufen. Vor wenigen Wochen wurden jedoch erst einmal wie zuvor in der Kernerstraße auch in der Schützenstraße zusätzliche Messsonden in den Untergrund eingebracht.
  • Mit dem Vortrieb des Anfahrbereichs unter dem Kernerviertel Richtung Hauptbahnhof soll laut Informationsveranstaltung (Folie 1 / Folie 2) erst 2018 begonnen werden, wenn die ersten Hebungsinjektionen zur Verdichtung des Bodens und die Anhebung der Gebäude im ersten Hebungsfeld abgeschlossen sind.

PFA 1.2. / Fildertunnel (Fasanenhof, Möhringen, Degerloch):

  • Auf ihrer zweiten Schildfahrt hat die Tunnelvortriebsmaschine in der Weströhre die Bopseräcker.  Die Vortriebsmaschine muss auf ihrer insgesamt 4 Kilometer langen zweiten Schildfahrt noch ca. 600 Meter bis kurz nach der Sprollstraße absolvieren. Wenn es in der derzeitigen Vortriebsgeschwindigkeit weitergeht, wird dies im Juli/August erreicht sein.
  •  Um den Zeitplan einzuhalten wird unter Degerloch an den dem bergmännischen Teilstück der Weströhre mittlerweile in zwei Richtungen gearbeitet. Bis September 2017 soll der 1,1 Kilometer lange bergmännische Abschnitt der Weströhre vorgetrieben sein, damit die Maschine durchgezogen werden und ihre dritte Schildfahrt von Degerloch Richtung Wendekaverne starten kann. Aktuell müssten noch ca. 300 m dafür aufgefahren werden.
  • Ende April berichteten Bahnvertreter im Bezirksbeirat Degerloch. Anwohner klagten wieder über die hohen Belastungen durch die Sprengungen, aber auch trotz der Überdeckung Risse in den Gebäuden. Während die beiden Stuttgarter Zeitungen von „angeblichen“ Schäden berichteten, kritisiert das aktuelle Degerlocher Journal, dass die Anwohner mit ihrer Betroffenheit von der Bahn allein gelassen werden. Auch der SWR berichtete über eine Degerlocher Eigentümerin, die nach den Sprengungen Risse an ihrem Wohnhaus beklagte.
  • Dass dies nicht immer nur „subjektive Empfindungen“ der Anwohner sind, zeigen einzelne Erschütterungswerte, die auch im April  am Messpunkt Silberpappelweg 30 oberhalb des nächtlichen Anhaltswerts lagen.

PFA 1.5. / Tunnel Bad Cannstatt (Killesberg, Bad Cannstatt):

  • Ende Dezember fand der Tunneldurchschlag der Oströhre des Cannstatter Tunnels zwischen dem Verzweigungsbauwerk Nord und dem Zwischenangriff Nord statt. Auch die Querschläge sind vorgetrieben.
  • Weiterhin wird unter dem Kriegsberg das Verzweigungsbauwerk hergestellt. Aktuell laufen auch Verschalungsarbeiten.
  • Der Vortrieb der Weströhre des Bad Cannstatter Tunnels vom Zwischenangriff Nord Richtung Innenstadt steht oberhalb der Türlenstraße.
  • Wegen des Anhydritvorkommens  und des eingesetzten Injektionsverfahrens zur Abdichtung kommen die Mineure in der Weströhre langsamer voran, durchschnittlich ca, 3,2 Meter pro Tag in beiden Vortriebsrichtungen zusammen. Gesprengt wird maximal 1-2 Mal am Tag. Trotz der Überdeckung sind die Erschütterungen für Anwohner spürbar.
  • Obwohl die Veröffentlichung aller Messberichte von der Bahn zugesagt wurde, findet sich kein einziger Erschütterungsmessbericht für den Cannstatter Tunnel auf der Webseite der Projektgesellschaft.
  • Am Kriegsberg hatten sich bei mehreren Wohngebäuden deutliche Risse gebildet. Die Bahn hat mittlerweile eingeräumt, dass eine Verursachung durch den Sprengvortrieb nicht ausgeschlossen sei und will die Schäden regulieren.
  • Die bergmännischen Tunnelvortriebsarbeiten von der Ehmannstraße Richtung Bad Cannstatt unter dem Rosensteinpark sind angelaufen, nachdem das Eisenbahn-Bundesamt die 22.Planänderung freigegeben hatte.
  • Weiterhin nicht genehmigt ist die Fällung von hundert Bäumen im Naturschutzgebiet am Neckarhang des Rosensteinparks. Hier fehlt noch die Zustimmung der EU, insbesondere für die sechs Juchtenkäfer geschützten Bäume. Die PSU hofft laut StZ-Meldung und StN-Meldung auf die Genehmigung im Oktober 2017.

 PFA 1.5. / Tunnel Feuerbach (Killesberg, Feuerbach):

  •  Der Vortrieb des Feuerbacher Tunnels erfolgt weiterhin im Bereich der oberen Birkenwaldstraße. In Richtung Feuerbach steht der Vortrieb der Ost- und Weströhre auf Höhe der Rüdigerstraße.
  • Wegen der zusätzlichen Kunststoffinjektionen zum Schutz vor eindringendes Wasser kommen die Vortriebsarbeiten beim Feuerbacher Tunnel nur langsam voran. Durchschnittlich 2,5 Meter werden täglich jeweils in beiden Tunnelröhren als Strecke aufgefahren.
  • Auch der Bau des Feuerbacher Tunnels erfolgt im Sprengvortrieb, den die Anwohner spüren. Im Gegensatz zum Bad Cannstatter Tunnel finden die Sprengungen rund um die Uhr unter dem Killesberg statt.
  • Obwohl die Veröffentlichung aller Messberichte von der Bahn zugesagt wurde, findet sich kein einziger Erschütterungsmessbericht für den Feuerbacher Tunnel auf der Webseite der Projektgesellschaft.
  • Nach Darstellung der Kunstakademie hängt der Deckeneinsturz nicht mit den Erschütterungen durch den Sprengvortrieb zusammen.

PFA 1.6a/ Tunnel Obertürkheim (Wangen, Untertürheim, Obertürkheim, Gablenberg):

  • Der Tunnelvortrieb der Oströhre Richtung Hauptbahnhof steht kurz vor Gablenberg.
  • Dagegen kommen die Vortriebsarbeiten der beiden Röhren Richtung Obertürkheim im Gebiet des Untertürkheimer Lindenschulviertels wegen der schwierigen Geologie und der knappen Unterfahrung kaum voran.
  • Nachdem in den letzten Monaten der Boden für den Tunnelbau mit Beton verdichtet wurde, hat die Bahn Ende März den Untertürkheimer Sportplatz laut einer Pressemitteilung der PSU früher als geplant wieder an den Sportverein übergeben. Der Vortrieb ist allerdings immer noch nicht angelaufen. Möglicherweise hängt dies mit den zusätzlichen Abdichtungsmaßnahmen nach einem erneuten Wassereinbruch  zusammen, über die die StZ berichtet hatte.
  • Der Vortrieb der sehr knappen Unterfahrung des Untertürkheimer Lindenschulviertels kommt entsprechend nur sehr langsam voran. Tagsüber wird gesprengt und nachts gemeißelt, nachdem die bis zum 8.Februar für einen Monat erteilte Ausnahmegenehmigung für die Nachtsprengarbeiten zwischen 22 bis 24 Uhr ist ausgelaufen ist.
  • Seit kurzen klagen Anwohner über sehr starke Erschütterungen bei den Sprengungen. Wir werden noch darüber berichten.
  • Über die noch laufende Planänderung zum Wegfall des Einschubbauwerks in Obertürkheim, über die Ende September berichtete das Infobündnis Zukunft Schiene in einem Gastbeitrag berichtete, gibt es keine weiteren Informationen.
  • Nachdem die Bahn ihre Pläne für den S21-Abstellbahnhof in Untertürkheim zum dritten Mal seit 2006 komplett überarbeitet hat, hat sie diese laut einer Pressemitteilung der PSU Anfang April 2017 beim Eisenbahn-Bundesamt zur Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens einreicht.
  • Nach einem Bericht der StZ  ist die Umsiedelung der 6.o00 streng geschützte Eidechsen, die auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs von Untertürkheim leben, weiterhin nicht gelöst.
Dieser Beitrag wurde unter Anhydrit, Bad Cannstatt, Bauarbeiten, Baufortschritt, Bauschäden, Degerloch, Erschütterungen, Feuerbach, Gablenberg, Gänsheide, Haftung im Schadensfall, Hebungsinjektionen, Kernerviertel, Killesberg, Lärm, Obertürkheim, Ökologie, Planfeststellung, Sprengungen, Untertürkheim, Vortriebsstand, Wangen, Zeitplan veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.