Letzten Mittwoch lud der Vorstand der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH die vom passiven Schallschutz betroffenen Eigentümer am Wartberg zu einer geschlossenen Informationsveranstaltung ein. Im Anschluss an die 1.5 stündige Info-Veranstaltung im Turmforum gab es eine Baustellenrundfahrt mit dem Bus zu verschiedenen Stationen, der Logistikstelle C2 und dem Tunnelmund ZA Prag. Die Veranstaltung richtete sich gezielt an Eigentümer. Mieter waren nicht eingeladen. Journalisten waren ebenfalls nicht zugelassen. Auf die große Informationsveranstaltung im Herbst zum Thema Immissionen für alle Interessierten wurde hingewiesen.
Auf der Veranstaltung war jedoch von einen ganz anderen Baustellenszenario die Rede, als in der noch vor fünf Wochen veröffentlichten neuen schalltechnischen Untersuchung. Daher möchten wir hier doch kurz über die Informationen von Seiten der Bahn berichten, die zwei Eigentümerinnen am Wartberg schriftlich festgehalten haben, und diese noch anschließend kommentieren:
- „Der Vorstand der DB Projekt Peter Sturm, der Abschnittsleiter des Fachbereichs technische Dienste und Umwelt Dr. Florian Bitzer und der Rechtsanwalt der Bahn Dr. Peter Schütz berichteten von der veränderten Infrastruktur, die neue Berechnungen und neue Schutzmaßnahmen für die Anwohner notwendig macht. Warum sich jetzt alles so gravierend geändert hat, wurde nicht thematisiert.
- Sie berichteten von den geplanten aktiven Schallschutzmaßnahmen am ZA Prag. Laut Planfeststellung müsse zuerst aktiver Schallschutz vollzogen werden, danach erst passiver. Deshalb hat die Bahn nun ein Problem, weil die im Februar 2015 prognostizierten Werte weit übertroffen werden und nun doch aktiver Schallschutz eingerichtet werden muss. Geplant ist ein Dach mit einer Fläche von 6.000m² über den Tunnelmund ZA Prag, das voraussichtlich bis Ende Jahres 2015 fertiggestellt werden kann. Dämmwert: 25 dB(A). Diese Einhausung hatten wir Betroffenen schon im Februar angeregt, wurden damals aber brüsk zurückgewiesen, weil das technisch nicht machbar wäre.
- Parallel zu den Planungsarbeiten des Daches sollen die passiven Maßnahmen laufen. Alle Eigentümer, die für die gestrige Veranstaltung eingeladen wurden, haben einen Anspruch auf passiven Schallschutz, unabhängig davon, wie das neue Lärmgutachten im Herbst 2015 aussehen wird. Der Anspruch wird über die Firma INGE detailliert geprüft. Die Eigentümer haben ein Infoblatt zur Umsetzung passiver Schallschutzmaßnahmen erhalten.
- Bis das Dach über dem Tunnelmund fertig ist, wird nachts nur im Tunnel gearbeitet, der Aushub dann am Morgen transportiert und verladen. Nachts hört man also: den LKW-Verkehr, die Zufuhr von Frischbeton und die 4 Entlüftungsrohre. Wie diese überdacht werden, wisse man noch nicht. Die Geräusche des Entlüftungsbetriebs sind nachts deutlich vom Gudrunweg bis mindestens zur Gunterstraße 6 zu hören.
- Auch das Förderband, mit dem nun der Aushub vom Tunnel aus abtransportiert werden soll, wird mit besagtem Dach überdeckelt sein.
- Der Aushub wird auf Güterwaggons verladen und durch den durch den Pragtunnel oder über die Gäubahn abtransportiert. Täglich ist mit 3 langen Zügen zu rechnen.
- Zum Entrauchungsbauwerk wird gesondert zu einer Infoveranstaltung eingeladen, wenn es planfestgestellt ist. Es handele sich um ein reinen Notfalltunnel, in dem keine Abgase entlüftet würden. Nur im Brandfall würde es eingesetzt. Insofern käme kein weiterer Lärm nach 2021 auf die Anwohner zu.
- Die Baustellenrundfahrt war in der Tat beeindruckend. Bedrückend, die Eingriffe in das Erdreich, insbesondere der Tunneltrog, der unterhalb des Grundwasserspiegels sitzt, wenn ich das richtig verstanden habe.
- Positiv hervorzuheben ist die Bereitschaft der Bahnvertreter, zeitnah zu informieren, das Bemühen um den Schallschutz, die Anliegen der Betroffenen ernstzunehmen.“
Das auf dieser Veranstaltung vorgestellte Baustellenszenario für den Zwischenangriff Prag mit einem Förderband und dem Abtransport durch drei Güterzüge weicht jedoch komplett von dem der schalltechnischen Untersuchung vom 10.Juli 2015 ab. Zu den Widersprüchen dieses Gutachtens hatte das Netzwerk Killesberg letzte Woche ein Schreiben an den Vorstand der DB Projekt Stuttgart-Ulm mit einem Fragekatalog gerichtet, über das wir berichteten. Auch zu Überlegungen einer Güterzugverladung, von der im Frühjahr die Rede war, hatte sich das Netzwerk Killesberg in einem Schreiben an die DB Projekt gewandt. Die Bahn antwortete in ihrem Schreiben, dass das Baustellenszenario noch nicht geklärt sei. Damals hieß es, dass erneut ein schalltechnisches Detailgutachten für den Zwischenangriff Prag erstellt werden soll, das die Grundlage für weitere Schritte bildet. Doch das im Juli 2015 veröffentlichte neue Gutachten bildete nicht im geringsten die Planungen für eine Bahnverladung mit Förderband ab.
Dabei sind weder ein Förderband noch ein Abtransport mit Güterzügen durch den Planfeststellungsbeschluss gedeckt. Dazu wäre eine formelle Planänderung erforderlich. Die Frage nach einer Planänderung wurde auf der Veranstaltung gestellt, aber nur ausweichend beantwortet.
Ein Förderband wurde damals im Zuge des Planfeststellungsverfahren vom Infoladen mit einem Schreiben ins Gespräch gebracht. Die Bahn verwarf diesen Vorschlag, da dazu ein Steinbrecher und eine Überdachung (!) des Zwischenangriffs erforderlich sei. Die Bahn bewegt sich also auf das zu, was in der Planfeststellung als unrealistisch verworfen wurde. Hier ein Auzug aus dem Planfeststellungsbescheid des PFA 1.5. S.257:
Anzumerken ist auch, dass die Lärmberechnungen in der Planfeststellung und den bisherigen schalltechnischen Untersuchungen des PFA 1.5. darauf basieren, dass an fast allen Angriffspunkten keine Anlieferung des Baumaterials im Nachtzeitraum erfolgt. Dazu ein Auszug aus dem Planfeststellungsbescheid zum PFA 1.5. Seite 291:
Doch nach der schalltechnischen Untersuchung vom 10.Juli 2015 sollen jetzt zur Betonanlieferung Lkws nachts im Minutentakt Richtung ZA Prag und auf den Baulogistikstraßen fahren. Bis zu 176 Lkws auf den Logistikstraßen allein für die Betonanlieferung in dem 11-stündigen Nachtzeitraum zwischen 20 Uhr und 7 Uhr bedeutet durchschnitlich aller 3,75 Minuten ein Lkw. Dabei ist noch nicht klar, ob in diesen Zahlen auch die Leerfahrten enthalten sind.
Dass die Bahn bei dem Baustellenszenario am Zwischenangriff Prag wegen zu hoher Lärmwerte „schwimmt“, zeigt auch die Anzahl der schalltechnischen Detailgutachten, die auf der Internetseite des Kommunikationsbüros für den PFA 1.5. eingestellt sind. Dabei ist die erste schalltechnische Untersuchung von 2013 gar nicht mehr auf der Homepage zu finden. Und für diesen Herbst wurde von der Bahn erneut ein überarbeitetes Gutachten angekündigt. Es ist für die betroffenen Anwohner eine Zumutung, dass sie sich im Vierteljahrestakt in neue Lärmgutachten einlesen müssen, die kurz darauf wieder überholt sind.
Eine seriöse Bau- und Immissionsplanung sieht anders aus!
Über das Hin und Her zum Baulärm am Zwischenangriff Prag seit Dezember 2014 können Sie sich in folgenden Beiträgen informieren:
Warum soviel lauter und deutlich mehr Lkws im Nachtzeitraum? Netzwerk Killesberg hakt wegen neuem Lärmgutachten nach / Baustellenbetrieb am Zwischenangriff Prag doch lauter als geplant – Bahn veröffentlicht neue Lärmprognosen / Nachtrag über die Tunnelführungen am Zwischenangriff Prag / Zwischenangriff Prag ist lauter als erwartet – Immisionsrechtliche Probleme bei der nächtlichen Verladung bereits seit der Planfeststellung bekannt / Nur die Bahn ist von hohen Lärmwerten überrascht, nicht die Netzwerke – Anmerkung zur UTA-Sitzung / Bahnverladung am Zwischenangriff Prag? DB Projekt Stuttgart-Ulm antwortet auf Schreiben des Netzwerks Killesberg / Netzwerk Killesberg wendet sich an DB Projekt wegen geplanter Güterzugverladung am Zwischenangriff Prag / Lärmmessungen bei Stuttgart 21: Messkonzepte und Messrealität am Beispiel des Wartbergs / Presse ausgesperrt – Informationen der Bahn für den Wartberg nur hinter verschlossenen Türen / Bahn bietet Informationen zum Baulärm und Schallschutz für die Anwohner des Wartbergs an /Alles planfestgestellt: die DB Projektbau antwortet auf das Schreiben des Netzwerks Killesberg zum Lärm am Wartberg / Zwischenangriff Prag – wie die Bahn die Anwohner am Wartberg desinformiert / Wartberg: Bahn lullte Anwohner ein – jetzt wird S21 richtig laut / Die Bahn plant Baustart am Wartberg trotz fehlender Unterfahrungsrechte und Genehmigung für das Entrauchungsbauwerk