Baustellenbetrieb am Zwischenangriff Prag doch lauter als geplant – Bahn veröffentlicht neue Lärmprognosen

Der Bau des Feuerbacher Tunnels hat begonnen. Bereits Ende Juni mussten Bahnvertreter in der Sitzung des Umwelt- und Technikausschusses des Gemeinderates und der Sitzung des Bezirksbeirates Nord einräumen, dass der Baubetrieb am Zwischenangriff Prag lauter ist als erwartet.

Ganz überraschend kommt dies nicht für die Bahn. Wir haben auch im Beitrag vom 9.Juli „Zwischenangriff Prag ist lauter als erwartet – Immisionsrechtliche Probleme bei der nächtlichen Verladung bereits seit der Planfeststellung bekannt“ darauf hingewiesen, dass das Eisenbahn-Bundesamt den Planfeststellungsbescheid 1.5. unter der Auflage erteilt hatte, dass der „erforderliche Erdumschlag [am Zwischenangriff Prag] im Nachtzeit weitestgehend zu minimieren ist„.

Heute veröffentlichte das Kommunikationsbüro eine Pressemitteilung (hier), in der auf das aktuell im Internet veröffentlichte aktualisierte schalltechnische Detailgutachten hingewiesen wird. Als Grund für das neue Gutachten wird eine aktualisierte Ausfühungsplanung angegeben. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Deutlicher wurde Dr. Florian Bitzer, Leiter der Abteilung Technische Fachdienste beim Bahnprojekt Stuttgart-Ulm, auf der Sitzung des Bezirksbeirates Nord, in der er Fehler des Gutachters bei den Lärmprognosen einräumen musste: So zitierte ihn die StZ (hier) mit den Worten „Wir mussten feststellen, dass wir mit den Prognosen das Baugeschehen nicht vollständig dargestellt haben“.

Zu einer umfassenden abschnittsübergreifenden Lärmplanung in schalltechnischen Detailgutachten ist die Bahn nach der Baugenehmigung bzw. den Planfeststellungsbescheiden zu Stuttgart 21 verpflichtet. Die Bahn und ihr langjähriger Gutachten hatten diese Auflage nur in einem eingeschränkten Umfang umgesetzt. Die Baustellenszenarien waren nicht realistisch bzw. nicht an den maximalen Belastung ausgelegt.  Unzureichend berechneter und umgesetzter Lärmschutz ist die Folge. Nicht nur am Wartberg, sondern beispielsweise auch im Kernerviertel.

Laut Pressemitteilung weist das Gutachten für die von der Baulogistik betroffenen Wohngebiete im Stuttgarter Norden gegenüber der letzten Prognose eine rund doppelt so hohe Anzahl von auf passiven Schallschutz anspruchsberechtigten Fassaden aus. Damit haben wieder eine deutliche größere Anzahl von Betroffenen Anspruch auf passiven Schallschutz. Vielen Anwohnern am Wartberg wurde Ende letzten Jahres erst Schallschutz zugesagt und dann zu unrecht verwehrt. In der Pressemitteilung wird dies wie folgt kommentiert: „Besonders bedauerlich sei es, dass Eigentümer, deren Anspruch auf den zunächst in Aussicht gestellten passiven Schallschutz nicht mehr als begründet erschienen war, nun doch passiven Schallschutz an ihren Gebäuden erhielten, so Bitzer weiter“.

Das veröffentlichte schalltechnische Detailgutachten für den Stuttgarter Norden enthält jedoch nur die Lärmprognosen für ausgewählte Immissionspunkte. Das Gutachten zum passiven Schallschutz, in dem die ermittelten Pegel bzw. der Anspruch auf passiven Schallschutz fassadenscharf für die betroffenen Gebäude der Wohngebiete Wartberg, Dormbusch, Nordbahnhof- und IGA-Viertel ausgewiesen werden, sucht man – wie auch für die anderen betroffenen Stadtteile –  vergeblich auf der Internetseite des Kommunikationsbüros. Die Gutachten zum passiven Schallschutz werden von der Bahn mit dem Hinweis auf den Datenschutz unter Verschluss gehalten, obwohl diese Gutachten weder Namen noch Adressen der Eigentümer auflisten.

Als aktive Schallschutzmaßnahme plant die Bahn für den Zwischenangriff Prag wie an der Rettungszufahrt ein Schallschutzdach. Die planfestgestellte Schallschutzwand an der Rosensteinstraße zwischen Nordbahnhof- und Ehmannstraße soll  von 2,5 Meter auf 4,0 Meter erhöht werden. Dafür sollen noch Maßnahmenblätter, die auch die Schallminderung ausweisen, erstellt und veröffentlicht werden. Bis zur Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahmen gibt es im Nachtzeitraum zwischen 20:00 und 7:00 Uhr Beschränkungen. So wird der nächtliche Ausbruch im Tunnel gelagert und die notwendigen Fahrten für den Abtransport werden auf den Tageszeitraum verlegt. Auch Baumaterialen für die Nacht werden so weit wie möglich im Tagzeitraum angeliefert und im Tunnel zwischengelagert.

In der Pressemitteilung heißt es weiter:“Die Projektgesellschaft nimmt das Thema Schallimmissionen ernst und wichtig“, unterstreicht Bitzer die Haltung der DB Projekt Stuttgart– Ulm GmbH. „Wir sind an einer guten Nachbarschaft interessiert und gehen in den nächsten Tagen auf die betroffenen Eigentümer zu.“ „Die Optimierung der Bauabläufe im Hinblick auf den Immissionsschutz ist noch nicht abgeschlossen“, teilt Bitzer abschließend mit. Das Detailgutachten vom 10. Juli 2015 werde weiter fortgeschrieben, konkrete Ergebnisse sind planmäßig im Herbst 2015 zu erwarten. Die Projektgesellschaft wird Anwohner, Gremien und Eigentümer weiterhin zeitnah informieren.

Aus Sicht des Netzwerks Killesberg und Umgebung e.V. sind jedoch noch zahlreiche Fragen zu den zugrundegelegten Baustellenszenarien und den damit verbundenen Lärmprognosen offen. Der Vorstand des Netzwerks hat sich daher an die DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH wegen einer zeitnahen Informationsveranstaltung für die Anwohner des Killesberges und des Nordbahnhof- und IGA-Viertels gewandt.

Update 29.07.2015: Die Stuttgarter Zeitung berichtet (hier) in ihrer heutigen Ausgabe sehr ausführlich über die Ankündigung der Bahn, beim Lärmschutz am Zwischenangriff Prag nachzubessern. Die Überdeckelung wird mit 6.000 Quadratmeter fast so groß wie ein Fussballfeld und kostet rund 2 Millionen Euro. Im Gegenzug müssen die bereits eingebauten Schallschutzfenster am Wartberg nicht nachgerüstet bzw. ausgetauscht werden. Im Kommentar (hier) fordert die StZ zu Recht mehr Verlässlichkeit von der Bahn: „Die Bahn muss Prognosen liefern, die belastbar sind. Im Halbjahresrhythmus revidierte Zahlen nagen an der Glaubwürdigkeit, der S-21-Macher“. Allerdings hinkt der Hinweis der StZ, dass eine Modernisierung des Kopfbahnhofes ebenfalls Baustellenbelastung mit sich gebracht hätte. Weder wären dabei zahlreiche Baustellen in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten noch 59 Kilometer Tunnelstrecken durch den Stuttgarter Untergrund erforderlich gewesen.

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