Zum Vortriebsstand beim Tunnelbau für Stuttgart 21 zum April 2016: noch mehr als 75 % der Tunnelkilometer müssen gegraben werden

Wie zu Beginn jedes Monats möchten wir wieder einen Überblick über den Baufortschritt bzw. Vortriebsstand bei Stuttgart 21 der vergangenen vier Wochen geben. Aktuell sind zweieinhalb Jahre nach dem ersten feierlichen Tunnelanstich  fast ein Viertel bzw. 14,15 der geplanten rund 59 Tunnelkilometer für Stuttgart 21 aufgefahren:

Bis auf die maschinell hergestellte 4 Kilometer lange Oströhre des oberen Fildertunnels noch ohne Innenverschalung. Die wöchentlichen Vortriebzahlen seit Mai 2014 finden Sie in unseren Übersichten bis ab Oktober 2015 / bis September 2015. Der Baufortschritt bei den einzelnen S21-Tunnel weicht stark von einander ab (22,9% beim Obertürkheimer Tunnel bis 48,1% beim Bad Cannstatter Tunnel). 12,2 Tunnelkilometer, darunter die Tunnel für den nicht planfestgestellten Filderabschnitts, befinden sich noch nicht im Bau.

Nach dem aktuell noch geltenden Zeitplan will die Bahn weitere 44,65 Kilometer bis spätestens Ende 2018/Mitte 2019 durch den schwierigen Stuttgarter Untergrund auffahren und innenverschalen. Ein nach unserer Einschätzung weiterhin unrealistisches Unterfangen. Selbst wenn die vor einem Jahr von Bahnvorstand Volker Kefer im Verkehrsausschuss angekündigte 1.000 Meter-Marke  erreicht worden wäre. Diese Marke ist jedoch bis auf den Monat Oktober, als Schächte und Stollen nacherfasst wurden, bislang in keinem Monat erzielt worden. Allerdings wird, sobald der maschinelle Tunnelvortrieb für die zweite Röhre des oberen Fildertunnels anläuft, die 1.000- Meter-Marke sicherlich erreicht bzw. überschritten werden. Hier unsere aktuelle Monatsübersicht zum April 2016:

Derzeit überprüft die Projektgesellschaft die „Termin- und Kostensituation“. Auch angesichts der noch zu realisierenden Tunnelstrecken in der Größenordnung von dreiviertel der geplanten Strecke bzw. 44,6 Kilometern können wir uns nichts anderes vorstellen, als dass die Projektgesellschaft wegen Verzögerungen bei den Trog- und Tunnelbaustellen ihren Zeitplan von Stuttgart 21 bzw. den Inbetriebnahmetermin revidieren werden muss.

Anfang April hatten wir einen ausführlichen Überblick über den Stand beim Tunnelbau von Stuttgart 21 mit den von der Projektgesellschaft eingestellten wöchentlichen Grafiken veröffentlicht. Gegenüber diesem Stand hat sich folgendes getan:

1. PFA 1.2./1.6a Kernerviertel / Gänsheide / Gablenberg

a) PFA 1.2./Fildertunnel :

b) PFA 1.6a./  Obertürkheimer Tunnel:

• Seit Anfang Februar 2016 sind die beiden Oströhren des Fildertunnels und des Obertürkheimer Tunnels im Bau. Wegen der dort anzutreffenden schwierigen Geologie (u.a. anhydritführende Gesteinsschichten) geht es nur sehr langsam voran. Bei der Oströhre des Fildertunnels wurden seit Baubeginn Anfang Februar 2016 ungefähr 70 Meter vom Verzweigungsbauwerk Süd vorgetrieben, in den letzten vier Wochen durchschnittlich 1,3 Meter am Tag.
• Die Ost-Röhren des Fildertunnels und des Obertürkheimer Tunnels befinden sich aktuell ungefähr unterhalb der Gerokstraße etwa auf Höhe des Gebäudes von Haus und Grund.
• Bei den Weströhren des Filder- und des Obertürkheimer Tunnels tut sich dagegen auch mehr als eineinviertel Jahre nach Baubeginn des Verzweigungsbauwerks nichts. Eigentlich sollte das Verzweigungsbauwerk im Oktober 2015 fertiggestellt sein. Wahrscheinlich müssen laufen noch die Arbeiten an den Pfeilerstollen des westlichen Verzweigungsbauwerks, bevor der Tunnelvortrieb der beiden West-Röhren des Fildertunnels Richtung Wendekaverne und des Obertürkheimer Tunnel Richtung Wangen starten kann.
• Weiterhin werden Sprengungen durchgeführt. Dies zeigen auch die Staubwolken, die aus dem Tunnelportal an der Rettungszufahrt. Das Netzwerk Kernerviertel hatte bei der Bürgerbeauftragten und dem Umweltamt der Stadt wegen der Staubbelastung nachgehakt.

2. PFA 1.2./Fildertunnel / Fasanenhof / Möhringen / Hoffeld / Degerloch:

• Die Oströhre des oberen Fildertunnels zwischen dem Filderportal und Hoffeld ist im Rohbau hergestellt.
• Die Tunnelvortriebsmaschine steht noch am Filderportal und konnte am Tag der offenen Baustelle besichtigt werden. Nach dem im Vorfeld dieses Tages von der DB Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) kommunizierten Zeitplan soll der maschinelle Vortrieb der Weströhre des oberen Fildertunnels Anfang Mai starten.
• Parallel dazu sollen Mitte Mai die bergmännischen Vortriebsarbeiten für den Bau des mittleren Fildertunnels beginnen. Eigentlich war der Baubeginn dieser Arbeiten nach dem auf den Anwohnerveranstaltungen vorgestellten Zeitplänen Ende letzten Jahres vorgesehen. Doch wegen der fehlenden Genehmigung der beantragten Planänderung für die Vergrößerung der Baustelleneinrichtungsfläche am Filderportal konnten die Bauarbeiten nicht starten. Eine modifizierte Planänderung zur Erweiterung der Baustelleneinrichtungsfläche am Filderportal wurde am 25.April vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) genehmigt. Wie die Stuttgarter Nachrichten (hier) bereits ankündigte, wurde von Seiten der Stadt Stuttgart in der Nähe des Filderportals eine zusätzliche Lagerfläche bereitgestellt und außerdem kann die Bahn „vorab auf künftige Logistikflächen für den Gleisbau beim Flughafen zurückzugreifen.“

3. PFA 1.5./ Killesberg / Feuerbach / Bad Cannstatt

a) Bad Cannstatter Tunnel:

• Das Verzweigungsbauwerk Nord unterhalb des Kriegsbergs befindet sich weiterhin im Bau. Anfang April genehmigte das EBA eine Planänderung für eine Änderung der Lage und Form des Verzweigungsbauwerks. Dafür war das Einverständnis der betroffenen Eigentümer für den Erwerb einer etwas größeren Fläche erforderlich.
• Die Vortriebe der beiden Röhren des Bad Cannstatter Tunnels vom Zwischenangriff Nord Richtung Innenstadt haben unterhalb des Killesberges auf Höhe der Mönchshaldenstraße (Oströhre)  und der Birkenwaldstraße (Weströhre) erreicht.
• Derr Baufortschritt der beiden Röhren weicht stark voneinander ab. In den letzten vier Wochen kamen die Vortriebsarbeiten der Weströhre durchschnittlich rund 3,1 Meter am Tag voran, die der Oströhre rund 1,8 Meter pro Tag.
• Der Bau der beiden Röhren vom Zwischenangriff Prag Richtung Bad Cannstatt ruhen weiterhin wegen einer noch nicht eingereichten Planänderung für den Bereich der Ehmannstraße.

b) Feuerbacher Tunnel:

• Der Vortrieb des Feuerbacher Tunnels hat in der Weströhre Richtung Innenstadt die Oskar-Schlemmer-Straße erreicht. Die Oströhre Richtung Feuerbach steht knapp vor dem Höhenfreibad Killesberg.
• Die durchschnittlichen Vortriebsarbeiten pro Tag betrugen in den letzten vier Wochen an der Oströhre in beiden Richtungen insgesamt 2,5 Meter, an der Weströhre in beiden Richtungen 3 Meter.
• Weiterhin klagen sich die Anwohner des Wartbergs über den Lärm und die Vibrationen der Lüfter am Zwischenangriff Prag. Die Bahn ist immer noch dabei diese zu modifizieren. Wir werden noch darüber berichten.

4. PFA 1.6a./  Obertürkheimer Tunnel/ Wangen/ Unter- und Obertürkheim:

• Der Bau der Oströhre kommt in den letzten vier Wochen mit durchschnittlich 1,1 Meter nur schleppend voran. Dagegen weist unsere Statistik für den Bau der Weströhre für beide Vortriebsrichtungen trotz des andauernden nächtlichen Sprengverbotes einen sehr hohen täglichen Durchschnitt von 11,8 Meter aus.
• Der Vortrieb der Oströhre des Obertürkheimer Tunnels Richtung Innenstadt hat die Jägerhalde erreicht, der Vortrieb der Weströhre mittlerweile unbebautes Gebiet. Daher sind die Angebote der Bahn an die Anwohner auf Hotelübernachtungen inzwischen ausgelaufen. Für Wangener Anwohner geht damit eine fast einjährige extreme Belastung durch die Spreng- und Meißelarbeiten für den Tunnelvortrieb unter ihren Häusern allmählich zu Ende.
• Dafür trifft es jetzt das Lindenschulviertel in Untertürkheim, das noch immer nicht auf den grafischen Übersichten der PSU eingezeichnet ist. Der Tunnelvortrieb der Weströhre müsste bereits ca. 100 Meter vor dem Untertürkheimer Wirtenberg-Gymnasium angekommen sein.
•  Seitdem die Tunnelvortriebsarbeiten auf der Untertürkheimer Neckarseite angekommen sind, ist jede Sprengung in den Gebäuden im Lindenschulviertel zu hören und zu spüren.Auch dass eine Sprengung am 25.April wegen Verzögerungen bei den vorbereitenden Arbeiten im Nachtzeitraum entgegen des Nachtsprengverbotes kurz nach 22 Uhr durchgeführt wurde, war deutlich wahrnehmbar und wurde von der PSU entschuldigend bestätigt.
• Auf der Parkschützerseite berichtete das Infobündnis Zukunft Schiene über ahnungslose Nachbarn, die eine alte Dame wegen des Lärms verdächtigten.
• Die starke Übertragung der Erschütterungen deutet daraufhin, dass auch im Bahnverkehr jeder Zug erhebliche Immissionen für die Anwohner des Lindenschulviertels erzeugen wird. Das Netzwerk Wangen/Untertürkheim machte in einer Presseerklärung auf das gegenüber der Innenstadt vergleichsweise niedrige Schutzniveau aufmerksam.
• Auch die Tatsache, dass noch bei einigen Eigentümer im Lindenschulviertel keine Beweissicherung durchgeführt wurde, löste Unruhe aus. Das Netzwerk Wangen/Untertürkheim hakte mehrfach bei der Bürgerbeauftragten bzw. der PSU nach.
• Auch das Untertürkheimer Wirtenberg Gymnasium soll unterfahren werden. Die Stuttgarter Zeitung (hier) berichtete über eine Tunnelbesichtigung einer Gruppe von Schülern und Lehrern. In einer Infoveranstaltung erklärte der zuständige Geologe die Vortriebsarbeiten. Danach kommen die Arbeiten Richtung Lindenschulviertel derzeit pro Woche 30 Meter voran.
• Etwas Verwirrung stifteten die grafischen Übersichten und Vortriebszahlen der letzten Wochen über den Obertürkheimer Tunnel. Die  PSU musste eingezeichnete Tunnelvortriebe und gemeldete Zahlen nachträglich korrigieren.
• Am 12.Mai findet eine Infoveranstaltung für die vom Tunnelbau betroffenen Anwohner in Untertürkheim statt. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die Bahn über die kritischen Nachfragen des Netzwerks Untertürkheim zu den geologischen Risiken und Beeinträchtigungen der Unterfahrung informieren wird.