Pressemitteilung Netzwerk Wangen/Untertürkheim
Egal wie teuer Stuttgart 21 am Ende wird, an den Bewohnern des Lindenschulviertels will die Projektgesellschaft Stuttgart Ulm sparen: Wegen mangelnder Sicherung drohen während der Bauzeit Gefahren für die Standfestigkeit der Gebäude. Für den späteren Eisenbahnbetrieb in den Tunneln unter dem Lindenschulviertel will die Bahn die Bewohner schlechter vor Lärm und Erschütterungen schützen als im Kernerviertel.
Im Untertürkheimer Lindenschulviertel erwartet die Bahn durch die Untertunnelung Senkungen an den Häusern von bis zu 3 cm. Die Fachleute der Bahn rechnen dennoch nicht mit nennenswerten Schäden. Am Kurt-Georg-Kiesinger Platz in der Stadtmitte sollen die Setzungen geringer sein (bis etwa 2 cm). Dort gibt es sorgfältig geplante Sicherungsmaßnahmen, u.a. wegen der teilweisen Pfahlgründung des LBBW-Gebäudes. Auch die Gebäude entlang des Bruckwiesenwegs sind auf Pfählen gegründet. Eine Planung für eine besondere Sicherung der Bauwerke sucht man hier jedoch vergeblich. „Es kann doch nicht sein, dass unsere Häuser weniger Schutz bekommen als die LBBW!“, empören sich die Anwohner.
Auch beim Schutz vor dem zermürbenden sekundären Luftschall wird mit zweierlei Maß gemessen: Im Lindenschulviertel liegen die geplanten Tunnelröhren knapp unter den Kellern, weil die Züge Richtung Obertürkheim bereits hinter den Otto-Konz-Brücken wieder oberirdisch fahren sollen. Trotzdem will die Bahn die Gleise hier nur mit einer leichten Federung verlegen. Im Kernerviertel im Bereich Urban- und Schützenstraße baut die Bahn dagegen eine schwere Federung ein, die den sekundären Luftschall besser abfangen kann. Dabei ist dort der Abstand zwischen Tunnel und Keller teilweise weniger knapp.
Der Hinweis der Bahn auf unterschiedliche geologische Gegebenheiten geht an der Realität vorbei: Anfang März sind die Tunnelarbeiten auf der Untertürkheimer Neckarseite angekommen. Seither ist jede Sprengung in den Gebäuden im Lindenschulviertel zu hören. Inzwischen kommen auch die von den Sprengungen ausgelösten Erschütterungen dort an, obwohl sie längst noch nicht direkt unter den Häusern sind. Das bedeutet, dass davon auszugehen ist, dass auch im Bahnverkehr jeder Zug erhebliche Immissionen erzeugt. „Wo bleibt der von der Bahn so gern bemühte Grundsatz der Gleichbehandlung?“, fragt Barbara Weber, Sprecherin des Netzwerks Wangen/ Untertürkheim.
Dass die leichte Federung ausreicht, ist keineswegs sicher: Laut Planfeststellungsbeschluss müsste die Bahn die neuen Tunnel mit der besseren Dämmung nachrüsten, wenn sich herausstellt, dass der Schutz vor Lärm und Erschütterungen unzureichend ist. Den wirkungsvollen Schutz von Anfang an einzubauen, sei der Bahn nicht zuzumuten – aus Kostengründen, so das Eisenbahn-Bundesamt.
„Wenn die Bahn schon im dicht besiedelten Stuttgarter Stadtgebiet baut, muss sie garantieren können, dass die betroffenen Stadtgebiete für die Menschen bewohnbar bleiben“, mahnt Sabine Reichert-Hebel, Bezirksbeirätin in Untertürkheim. Ob der Immissionsschutz zweiter Klasse am Ende wirklich billiger wird?
Seit drei Jahren möchte das Netzwerk Wangen/Untertürkheim Antworten von der Bahn auf diese und andere Fragen, zuletzt in der Infoveranstaltung am 1. März 2016 in der Sängerhalle im Lindenschulviertel. Vergeblich, denn die Bahn sparte das Thema komplett aus – man habe ja noch reichlich Zeit -, um nur Tage später die Unterquerung des Neckars mit der ersten Tunnelröhre zu verkündigen. Das Netzwerk hakte nach und mahnte aufgrund der Sachlage zur Eile – mit Unterstützung des Untertürkheimer Bezirksbeirats. Auf Antworten warten sie allerdings bis heute.
Seit drei Jahren wartet das Netzwerk Wangen/ Untertürkheim auf Antworten zu diesen und anderen Fragen und dies obgleich bei der Eröterungsverhandlung im September 2013 in Stuttgart-Vaihingen auf Anregung des Regierungspräsidiums dazu eine Zusage gemacht wurde.
Am 28. April um 19:30 Uhr sind die Betroffenen eingeladen in den Kulturtreff Untertürkheim, Strümpfelbacher Straße 38, zur Vorbereitung auf die nächste Informationsveranstaltung der Bahn am 12. Mai für die Untertürkheimer Anwohner. Gastgeber dieses Vorbereitungstreffens sind das Netzwerk Wangen/Untertürkheim und das Infobündnis Zukunft Schiene – Obere Neckarvororte.
Informationsmaterial:
- Informationen mit Auszügen aus der BISS-Karte, der geotechnischen Stellungnahme der Bahn vom März 2013 , dem Planfeststellungsbescheid PFA 1.6a und Anmerkungen des Netzwerks Wangen/Untertürkheim finden Sie hier.
- Übersicht der WBI über die vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen entlang des Tunnelbaus im Neckarbereich (Kein Düsenstrahlverfahren im Bereich der Pfahlbauten Wohngebäude Bruckwiesenweg)
- Ein Protokoll eines Eigentümers anlässlich eines Gruppengesprächs, zu dem die DB Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH nach der verunglückten Informationsveranstaltung im März geladen hatte, können Sie hier lesen.