Fast genau ein Jahr nach dem vielzitierten Interview „Warten Sie ab, wie schnell wir hier noch werden“ hat die Stuttgarter Zeitung (hier) wieder ein ganzseitiges Interview mit Manfred Leger, dem Chef der DB Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH, veröffentlicht.
Die ausweichenden Antworten des Projektchefs zu den Bauverzögerungen bei Stuttgart 21 und das Vorschieben des Artenschutzes werden in den Online-Kommentaren heftig kritisiert. Doch die Medien – darunter auch der Spiegel (hier)- melden bereits, dass sich Stuttgart 21 wegen des Eidechsenvorkommens an der Neubaustrecke um ein Jahr verzögern könnte.
Der BUND reagiert mit einer Pressemitteilung mit dem Tenor „Eidechsen als Sündenböcke“. Daraus ein Zitat: „Der BUND sieht in den Aussagen des S21-Chefs ein billiges Manöver um vom Unvermögen der Bahn bei dem Projekt Stuttgart 21 abzulenken. Die nicht nur nach Bundesnaturschutz-, sondern auch nach Europarecht streng geschützten Zaun- und Mauereidechsen müssen quasi als Sündenböcke herhalten. Unvollständige und veraltete Planungsunterlagen, ständiger Personalwechsel bei der DB-Projekt GmbH und Beratungsresistenz gegenüber anderen Behörden und Bürgern, sind die wahren Kostentreiber und Zeitfresser des Milliardenprojektes.“ Die Geschäftsführerin des BUND Baden-Württemberg erklärt im SWR (hier) den Artenschutz der Eidechsen.
Doch was lässt sich aus dem Interview mit dem Projektchef noch herauslesen?:
- Erstmals nach 2012 ist die Projektgesellschaft noch dabei die „Kosten- und Terminsituation“ bei Stuttgart 21 im Detail neu zu bewertet. Die Bewertung läuft seit Sommer letzten Jahres, sie sei in den nächsten Tagen fertig und soll nach einem Beschluss des Aufsichtsrates der DB testiert werden. Die ist eine neue Information. Die Projektgesellschaft verwies bislang auf das installierte Risikomanagement und „auf die dem Baufortschritt entsprechende solide Grundlage der Berechnungen der Bahn.“
- Die Antwort des Projektschefs zum Inbetriebnahmetermin und die weiterhin fehlenden Genehmigung des Filderabschnitts deuten darauf hin, dass der bislang fest gemeißelte Start zum Dezember 2021 nicht gehalten werden kann.
- Welche Auswirkungen eine Verlängerung der Bauzeit auf die Kostensituation hat, wird aus dem Interview nicht deutlich. Die Einhaltung des bisherigen, vom Aufsichtsrat Anfang 2013 freigegebenen Kostenrahmens für Stuttgart 21 von 6,5 Milliarden wird nicht explizit erwähnt. Dafür ist von einer „Fortführung der Gespräche zur Sprechklausel“ die Rede, von der der Projektchef eine „gute Lösung“ erwartet.
- Der bereits zum Baustart nach Aussagen des Züblin-Projektleiters ohne Puffer ausgestattete Zeitplan für den „Tiefbahnhof“ dürfte nicht mehr zu halten sein. Die im Lenkungskreis und in der Presse immer wieder angekündigte Statik-Freigabe der Bodenplatte liegt weiterhin nicht vor. Eigentlich waren die ersten Betonierarbeiten für Januar 2015 geplant. Jetzt erwartet Manfred Leger den Start im Sommer bzw. Herbst 2016. Also zu einem Zeitpunkt, an dem die ersten drei Baufelder 16,22, und 25 nach dem im August 2014 vorgestellten Zeitplan bereits längst fertig gestellt sein müssten.
- Der Nachfrage nach dem schleppenden Baufortschritt beim Tunnelbau für Stuttgart 21 weicht der Projektchef aus. Stattdessen ist wieder nur von einer Mischkalkulation von 50% des Tunnelfortschritts von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke die Rede; zwei Projekte mit völlig unterschiedlichem Baufortschritt. Und er erwähnt, dass am Hauptbahnhof in den nächsten 12 Monaten an zwei Teilstrecken, bei den Tunneln nach Obertürkheim und nach Bad Cannstatt, die Durchbrüche geschafft werden sollen.