Angesichts der Komplexität und dem Umfang des Themas können wir nur punktuell auf unserer Webseite über die Erörterung zum Filderabschnitt PFA 1.3. berichten bzw. soweit das Thema auch für die vom Tunnelbau betroffenen Anwohner relevant sein könnte.
Am zweiten Tag der Erörterung zum beantragten Filderbereich war erneut das Thema Lärm und Erschütterung auf der Tagesordnung. Die Stuttgarter Zeitung berichtet in ihrer morgigen Ausgabe (hier), dass die Gutachter der Stadt Leinfelden-Echterdingen massiv die Lärm- und Erschütterungsplanungen der Bahn für den Bau- und Bahnbetrieb kritisiert haben. Nach Einschätzung des von der Stadt beauftragten Lärmfachmanns Prof. Dr. Michael Koch sind die Gutachten der Bahn mit Fehlern behaftet. Zahlreiche Gebäude im Umkreis der Baustelle und der Bahnstrecke hätten eigentlich Anspruch auf Schallschutzmaßnahmen. Die Kosten für diese Maßnahmen, die der Rechtsanwalt der Bahn strikt ablehnt, würden sich grob geschätzt auf rund 5 Millionen Euro belaufen.
Dies ist sicherlich nicht das erste Mal, dass die Bahn mit fragwürdigen Prämissen in ihren Lärmgutachten versucht, um teure Schallschutzmaßnahmen herum zu kommen. Wir erinnern dabei nur an die Kritik des Netzwerks Kernerviertel an der Lärmplanung der Bahn für den Trogbau und die weiteren Baustellen rund um den Hauptbahnhof. Hier zeigen sich Parallelen. Auch hier kann man den Eindruck gewinnen, dass die von der Bahn beauftragten Gutachten einzig und allein das Ziel haben, Kosten für aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen einzusparen. Die Aufsichtsbehörde, das Eisenbahn-Bundesamt nimmt dies – ohne Konsequenzen für die Bahn- einfach hin. Wir haben darüber mehrfach berichtet (Antwort des EBA auf die Kritik des Netzwerks Kernerviertel zur Nichteinhaltung der Lärmschutzauflagen / Ja, mach nur einen Plan: Wie bei den Lärmprognosen für den Tiefbahnhoftrog getrickst wurde / Baustart Tiefbahnhof zum 5. August und dabei sind die Lärmschutzauflagen im Kernerviertel nicht umgesetzt / Netzwerk Kernerviertel fordert Baustopp bis Lärmschutzauflagen aus der Planfeststellung erfüllt sind / Netzwerk Kernerviertel fordert das Eisenbahn-Bundesamt auf, endlich für die Einhaltung der Lärmschutzauflagen zu sorgen / Bahn veröffentlicht Unterlagen zu Lärm und Erschütterung im Internet – Kritik an Lärmplanung und Messkonzept /Bahnvertrag für die Schallschutzfenster schließt weitere Rechte aus der Planfeststellung aus – Bahn verweigert die Veröffentlichung des Gutachtens zum passiven Schallschutz /Lärmschutzplanung bei Stuttgart 21 außer Kontrolle – Netzwerk Kernerviertel fordert Eingreifen der Stadt Stuttgart ).
Auch bei den Bauarbeiten in Untertürkheim ist das Eisenbahn-Bundesamt trotz Messungen, die extrem hohe Lärmbelästigungen von über 101 dB(A) aufwiesen, nicht eingeschritten (Planfeststellung und Baurealität am Beispiel der Lärmpegel an der Rettungszufahrt Benzstraße in Untertürkheim / Infobündnis Zukunft Schiene: Eisenbahnbundesamt und Bundesverkehrsministerium ignorieren massive Verstöße gegen Lärmschutzauflagen in Untertürkheim / Infobündnis Zukunft Schiene: Akteneinsicht beim EBA weist auf dramatische Lärmüberschreitungen in Untertürkheim hin).
Im Gegensatz zu den Leinfeldenern Bürgern bleibt es jedoch den vom Baulärm bei Stuttgart 21 Betroffenen selbst überlassen, sich mit der untätigen Aufsichtsbehörde herumzustreiten. Von der Stadt Stuttgart, einem offiziellen Projektpartner bei dem Bahnprojekt, kommt trotz der Beteuerungen des OB bei der Tunneltaufe des Fildertunnels bislang keinerlei rechtliche Unterstützung für die Betroffenen.
Es bleibt zu hoffen, dass im Fall von Leinfelden-Echterdingen ein amtlich bestellter Gutachter bei der Anhörungsbehörde, dem Regierungspräsidium und dem Eisenbahn-Bundesamt mehr Erfolg bei der Kritik an den Lärmgutachten der Bahn hat. Das von der Stadt Leinfelden in Auftrag gegebene Gegengutachten finden Sie hier. Der Gutachter fordert insbesondere zur Einschätzung der Gesamtbelastung der Anwohner die Einbeziehung des bereits vorhandenen Umgebungslärms in die schalltechnische Berechnung. Diese Gesamtbelastung ist bislang auch in keinem der schalltechnischen Detailgutachten der Bahn wahrend der fast ein Jahrzehnt dauernden Bauarbeiten für die Stuttgarter Innenstadt berücksichtigt.
Update: Die Vertreter der Bahn haben nach den Einwendungen des städtischen Gutachters eingelenkt. Die Bahn will das im Planfeststellungsverfahren 1.3. ausgelegte Lärmschutzkonzept für den erweiterten Bahnbetrieb auf den Prüfstand stellen. (StZ / StN) Bisher hatte der Schienenkonzern den Einbau weiterer Schallschutzmaßnahmen zur Entlastung betroffener Anwohner kategorisch abgelehnt. Der Rechtsanwalt der Bahn versprach, dass die Studie vor der Erstellung des Abschlussberichts im Regierungspräsidium Stuttgart vorliegen würde. Die Stuttgarter Zeitung (hier) merkt dazu an : „Die Kehrtwende der Bahn beim Lärmschutz könnte damit zusammenhängen, dass der Konzern selbst ein Rechtsrisiko entdeckt hat. Nach bisherigem Standpunkt stellt der Mischverkehr für die Bahn keinen „erheblichen baulichen Eingriff dar“, ein zusätzlicher Lärmschutz wurde abgelehnt. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2013 listet aber offenbar auch den Funktionswandel einer Strecke als Anlass für weitergehenden Schutz auf.“