Antwort des EBA auf die Kritik des Netzwerks Kernerviertel zur Nichteinhaltung der Lärmschutzauflagen

Das Eisenbahn-Bundesamt hat jetzt auf die beiden Briefe des Netzwerks Kernerviertel zu den völlig unzureichend umgesetzten Lärmschutzauflagen (23.05.2014 und 08.07.2014) geantwortet. Wir hatten über die Kritik des Netzwerks mehrfach berichtet (Beitrag vom 28.3.14 / Beitrag vom 27.04.14 / Beitrag vom 06.05.14 / Beitrag vom 02.06.14 Beitrag vom 10.07.14) und zuletzt ausführlich in unserem Beitrag „Ja, mach nur einen Plan: wie bei den Lärmprognosen für den Tiefbahnhof getrickst wurde“.

Der Brief des EBA, datiert vom 29.07.2014, traf allerdings erst deutlich später ein. Lesen Sie hier. Eigentlich sollte man erwarten,  dass das EBA als Aufsichtsbehörde für die Einhaltung der von ihm erlassenen Lärmschutzauflagen aus der Baugenehmigung, die vor Baubeginn vorliegen müssen, sorgt. Doch dem ist nicht so.

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Mail- und Briefverkehr muss das EBA jetzt sogar einräumen, dass die Kritik des Netzwerks Kernerviertel an den unzureichenden Lärmprognosen in den schalltechnischen Detailgutachten  zutreffend ist: „Soweit Sie darauf hinweisen, dass noch nicht alle nach den jeweiligen Planfeststellungsbeschlüssen vorgesehenen Gutachten vorliegen, ist dies im Großen und Ganzen richtig. Diese sind vorgesehen worden, um die zum Zeitpunkt der Planfeststellung gemachten Lärmprognosen aufgrund konkret bekannter Bauabläufe und Informationen über die Lärmquelle und deren Standort detaillierter zu begutachten. Damit sollte es ermöglicht werden, weitere Prognosen zum erwarteten Lärm zu erhalten und Minderungs- und Schutzmaßnahmen vorsehen zu können.“

Doch welchen Schluss zieht das EBA daraus? Statt die nach der Planfeststellung vor Baubeginn vorzulegenden Gutachten einzufordern und über die Minderungs- und  Schutzmaßnahmen einschließlich der Entschädigungen zu entscheiden, stellt das EBA schlicht und ergreifend fest, dass die Bahn noch nicht viel gebaut und daher noch keine Betroffenheiten festzustellen sind:

„Derzeit hat die Vorgabenträgerin nach wie vor nur in wenigen planfestgestellten Bereichen mit der Bautätigkeit und insbesondere mit der bei der Planfeststellung fokussierten lärmintensiven Tätigkeit begonnen…. Ingesamt sind Anhaltspunkte, dass eine Verletzung der schützendwerten Rechte Dritter unmittelbar zu besorgen sind,  nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu erkennen.“

Man kann in diesem Fall der Aussage des EBAs, dass im Umfeld des Kernerviertels noch nicht viel gebaut wurde,  inhaltlich zustimmen. Entgegen den Verlautbarungen des  Kommunikationsbüros tut sich tatsächlich nicht viel auf den Baustellen im Umkreis des Kernerviertels. Der Tunnelbau unterhalb des Kernerviertels stockt  seit Monaten aus unbekannten Gründen (hier die aktuellen Vortriebsstände). Und auch die geruhsamen Aktivitäten auf der Baustelle zum ersten Trogbaufeld vermitteln nicht gerade den Eindruck, dass die Baufirma Züblin – wie sie jüngst auf der Pressekonferenz eingeräumen musste – unter Zeitdruck steht. Sie erinnern eher an eine ABM-Maßnahme, um eine einmal erteilte Baugenehmigung aufrecht zu erhalten.

Doch der Bau in den beiden Planfeststellungsabschnitten 1.1. und 1.2., die das Kernerviertel unmittelbar betreffen, hat begonnen und wird sicherlich Fahrt aufnehmen, sobald die Genehmigung der Planänderung zum Grundwassermanagement absehbar ist. Die konkret anstehenden Trogbaumaßnahmen für 2014 bis 2016  wurden bereits auf der Pressekonferenz am 5.8.14  (Video / Präsentation) vorgestellt. Auch auf der Seite des Kommunikationsbüros ist ein aktueller Bauzeitenplan (Stand Juni 2014) veröffentlicht. Danach soll ab August bzw. September an mehreren Baufeldern, daunter auch am Baufeld 25  in unmittelbarer Nähe der Wohnhäuser gearbeitet werden.Weitere Bauinfos können Sie den Präsentationen der Bahn und der SSB auf den letzten Anwohnerveranstaltungen für das Kernerviertel entnehmen  (Bahn  31.05.14Bahn 04.06.14 / SSB 04.06.14 / Bahn 02.04.14 / Bahn 06.11.13).

Die Bahn ist nach der Baugenehmigung dazu „verpflichtet“, die umfassenden schalltechnischen Detailgutachten rechtzeitig vor Baubeginn zu erstellen.  Im Planfeststellungsbescheid 1.1. heißt es dazu auf Seite 44f: „Die Vorhabenträgerin [die Bahn] wird verpflichtet, dem Eisenbahn-Bundesamt rechtzeitig vor Baubeginn auf der Grundlage der schalltechnischen Untersuchung zum Baubetrieb (Anlage 16.2) für die Baugruben, Baubetriebsflächen und Baustraßen schalltechnische Detailgutachten vorzulegen. Die Gutachten sind abschnittsübergreifend zu erarbeiten, d.h. es sind jeweils sämtliche, gleichzeitig auftretenden Schallimmissionen zu berücksichtigen, unabhängig von der Zuweisung zu einem bestimmten Planfeststellungsabschnitt. Die Schallgutachten haben auch über die Wirksamkeit von Schallminderungsmaßnahmen Auskunft zu geben.“ Eine Lärmprognose auf Basis der Ausführungsplanung einschließlich realistisch angesetzter Bauzeiten ist machbar und für die Entscheidung des EBA über die daraus folgenden Minderungs- und Schutzmaßnahmen dringend erforderlich.

Statt dessen verweist das EBA auf die baubegleitenden Arbeitskreise –  zu denen jedoch bislang kein Anwohner oder eine Bürgerinitiative eingeladen wurde – , in dem „vielleicht notwendige Erläuterungen… zu den inzwischen  im Internet veröffentlichten Gutachten oder die Beantwortung von Fragen zu den Gutachten“ ihren „Platz findet„. Hier drückt sich das EBA um seine orginäre Aufgabe,  die Einhaltung der Planfeststellungsauflagen auch im Bereich des Lärmschutzes, zu gewährleisten. Dies ist aus Sicht der betroffenen Anwohner eine Bankrotterklärung einer Aufsichtsbehörde und nicht im Geringsten akzeptabel. Auch die in den Briefen erhobenen weiteren Forderungen des Netzwerks Kernerviertels – darunter die Einhaltung der Lärmschutzvorgaben aus der Planfeststellung,  den Bau der planfestgestellten Lärmwand entlang der Rettungszufahrt,  die Veröffentlichung des Gutachtens zum passiven Schallschutz, umfassende Messkonzepte für den PFA 1.1. und 1.2. sowie die Beauftragung eines tatsächlich unabhängigen Immissionsschutzbeauftragten – ging das EBA in seinem Antwortschreiben nicht ein.

Welche Konsequenzen das Nichthandeln des EBA für die Anwohner hat, zeigt das Beispiel in Untertürkheim. Dort wurden bereits in der ersten Nacht der Bauarbeiten die planfest-gestellten Lärmwerte massiv überschritten, sodass die Baustelle von den empörten Anwohner gestürmt wurde. Das EBA hatte auch nicht im Vorfeld eingegriffen, als der Bahngutachter in seinem schalltechnischen Detailgutachten Lärmwerte deutlich über den Richtwerten der AVV-Baulärm prognostiziert hatte. Wir hatten darüber mehrfach berichtet (Beitrag vom 04.02.14 / Beitrag vom 14.02.2014 / Beitrag vom 30.03.14) zuletzt am 17.Juli im Beitrag „Planfeststellung und Baurealität am Beispiel der Lärmpegel an der Rettungszufahrt Benzstraße in Untertürkheim„.

Auch für das Kernerviertel berechnete der Bahngutachter in den bisher vorliegenden schalltechnischen Gutachten für den Trogbau und die Rettungszufahrt Süd zum Teil Überschreitungen der Maximalwerte aus der Planfeststellung. Bei einer umfassenden Lärmprognose auf Basis des gesamten geplanten Baugeschehens müsste er höchstwahr-scheinlich weitere Überschreitungen einräumen, die zusätzliche aktive und passive Schallschutzmaßnahmen, wie Schallschutzfenster und Entschädigungen, nach sich ziehen würden. Doch daran haben anscheinend weder das Eisenbahn-Bundesamt noch die Bahn ein Interesse.

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