Das Kommunikationsbüro veröffentlicht mittlerweile in regelmäßigen Abständen den aktuellen Stand des Tunnelvortriebs (hier). Die Zahlen der letzten Monate (hier) offenbaren deutlich, dass im „bestgeplantesten Projekt“ allen öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie den Tunneltaufen („Tunnel-Tam-Tam“) zum Trotz weitgehend Stillstand auf der Baustellen herrscht. Aktuell sind nur 1,35 % der geplanten Tunnelstrecken in Stuttgart gegraben. Einzig die vom Zwischenangriff Nord Richtung Hauptbahnhof und Bad Cannstatt vorangetriebenen Tunnel kommen im Durchschnitt 2 Meter pro Tag voran. Bei den anderen Tunnelbaustellen unterhalb des Kernerviertels, dem Fildertunnel und dem Tunnel in Wangen kann man folgendes konstatieren:
Kernerviertel: Seit dem Baustart Anfang November 2013 sind nur 166 Meter der schmalen Rettungszufahrt fertiggestellt und der eigentliche Tunnelvortrieb stockt aus unbekannten Gründen bereits seit Monaten. Im April musste noch eine eilige Planänderung (größere Radien wegen der 12 -Meter- SSB-Rettungsbusse) vom Eisenbahn-Bundesamt im Galopp durchgewunken werden, um den angeblichen Fortgang der Baumaßnahmen nicht zu gefähren. Nach dem Zeitplan der Bahn, der auf der Anwohner-veranstaltung im Rathaus im November 2013 präsentiert wurde (hier), sollte im Frühjahr die Innenverschalung und ab dem 3.Quartal 2014 die Herstellung des Verzweigungs-bauwerkes Richtung Wangen und die Fildern starten. Doch nach Informationen des Netzwerks Kernerviertel sind die Unterfahrungsrechte mit den Eigentümern der darüberliegenden Häuser an der Hausmann- und Gerokstraße weder in Verhandlung noch abgeschlossen.
Wangen: Anfang Dezember 2013, am Namenstag der Schutzheiligen der Tunnelbauer, wurde mit einer großen Tunneltaufe der Baustart des ersten Tunnels für Stuttgart gefeiert. Danach ging bis Juni mit 19,9 Meter nicht mehr viel voran. Bis Mitte Juli waren es noch 3 Meter. Seither stockt der Vortrieb des Stollens (nicht Bahntunnels!). Die Bahn musste jetzt einräumen, dass ein unerwartet hoher Wasserandrang die Vortriebsarbeiten am Querstollen stark behindern. Der Geologe Dr. Ralf Laternser hat den letzten Bericht der Untertürkheimer Zeitung über die Informationsveranstaltung der Bahn in Wangen zum Anlass genommen, auf seiner Webseite www.geologie21.de darüber zu berichten. Lesen Sie hier.
Fildertunnel: Als Vorbereitung für den Tunnelvortrieb mit der Tunnelvortriebsmaschine wurden am Filderportal 143 Meter bergmännisch vorangetrieben. Seither ruht der Tunnelvortrieb. Nach der offiziellen Tunneltaufe Anfang Juli im Beisein von Presse und Prominenz wird der eigentliche maschinelle Vortrieb nach dem gestrigen Bericht der Stuttgarter Nachrichten (hier) erst im September oder Oktober starten. Die 120 Meter lange Maschine muss erst einmal hydraulisch in den Tunnel geschoben werden.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen. Die in den Netzwerken organisierten Anwohner und Eigentümer haben – unabhängig von ihrer Haltung zu Stuttgart 21 – allein schon wegen der Gebäuderisiken und der unzureichenden rechtlichen Absicherung kein Interesse, dass die Tunnelarbeiten für Stuttgart zügig voranschreiten. Aber der geringe Baufortschritt des letzten Dreivierteljahres lässt befürchten, dass die jahrzehntelangen Planungen der Bahn für den komplexen Stuttgarter Untergrund völlig unzureichend waren und die propagierten Kosten- und Zeitpläne Makulatur sind.
Die Bahn hatte während der Schlichtung und bis zur Volksabstimmung immer wieder auf die hohen Kosten der Verzögerung hingewiesen. Jetzt findet von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt, seit Monaten in vielen Baustellen ein Quasi-Baustopp statt, der den Bahn- fahrern und Steuerzahlern noch Millionen kosten wird und der einen Vorgeschmack auf die kommende Dauerbaustelle Stuttgart 21 gibt. Man kann hier nur noch an den Satz des vor kurzem aus dem Beirat des Projekts ausgestiegenen Baumanagers Klaus Grewe aus dem Interview mit der Stuttgarter Zeitung (hier) erinnern, der offen ausprach, dass hier in Punkto Kosten- und Zeitpläne mit Wunschzahlen statt mit echter Kalkulation hantiert wird:
„Ich kann ein Projekt so systematisch aufbauen, dass ich weiß, was es mich kostet und was passiert, wenn ich zu einem gewissen Punkt komme. Es geht immer um Technik, um Zeit und um Geld. Wenn ich am Anfang sauber rechne, weiß ich, was mich beispielsweise eine Unterbrechung kostet. Es darf eine Wunschdiskussion geben. Denn wenn ich so vorgehe, weiß ich, was mich diese Wünsche kosten. Wird aber von Anfang an mit Wunschzahlen gerechnet, kann ich natürlich auch nicht wissen, was eventuelle Unterbrechungen kosten... Ich muss am Anfang eine Menge Fleiß investieren und genaue Kosten und Zeitrahmen errechnen. Das darf sich in der Planungsphase verändern, weil ich dazulerne. Aber in der Bauphase darf sich das nicht mehr verändern. Was Sie in Stuttgart in den vergangenen Jahren erlebt haben, ist, dass Wunschzahlen geäußert wurden und ein Projekt unter dieser Maßgabe betrachtet wurde. Wenn ich kalkulierte Zahlen habe, passiert das nicht.“