Bahnvertreter berichteten am 2. April auf der Informationsveranstaltung für die Anwohner des Kernerviertels über die Vorgehensweise zum Einbau von Schallschutz-fenstern. Von den angeschriebenen Wohnungseigentümern hätten nahezu alle ein hohes Interesse gezeigt. Das Prozedere finden Sie in der Bahn-Präsentation auf Seite 16.
Nicht erwähnt wurde dabei, dass die Eigentümer in der „Vereinbarung über die Erstattung von Aufwendungen für passiven Schallschutz“ auf alle weitergehenden Rechte aus den Planfeststellungsbescheiden verzichten sollen. So heißt es in §5 Abs. 1 : „Mit der Erstattung ist die Beinträchtigung der Nutzung der Wohnung … durch den bei der Realisierung des Projekts Stuttgart 21 entstehenden Baulärm vollständig ausgeglichen.“
Die betroffenen Eigentümer des Kernerviertels sollten sich dringend rechtlich beraten lassen, ob sie den Vertrag in dieser Fassung zustimmen. Nach der Planfeststellung stehen ihnen über den Einbau von Schallschutzfenstern hinaus ggf. auch Entschädigungszahl- ungen und im Extremfall auch eine kurzzeitige Übersiedlung zu. Die entsprechenden Passagen finden Sie im Handout des Netzwerks Kernerviertel über die Defizite in der Lärmplanung ab Seite 5. Die Bahn will durch diesen Vertragspassus auch hier wieder auf Kosten der betroffenen Anwohner Kosten sparen. Die Bahn weigert sich auch das Gut- achten über den passiven Schallschutz aus Datenschutzgründen (?) zu veröffentlichen. Daher ist eine Transparenz über die zugrundegelegten Lärmpegel und die empfohlenen Maßnahmen für die einzelnen Häuser nicht gegeben. Daher sollten die betroffenen Eigentümer eine Einsicht in dieses Gutachten bzw. die Daten fordern.
Darüberhinaus fordert das Netzwerk Kernerviertel weiterhin eine Überprüfung der Lärmplanung des langjährigen Bahngutachters und Immissionsschutzbeauftragten sowie laufender Lärmmessungen während der mehrjährigen Bauarbeiten durch das Umweltamt der Stadt Stuttgart. Das Netzwerk kritisiert neben der unzureichenden Lärmplanung auch, dass die Auswirkungen des Baulärms für die Wohngebiete nördlich der Sängerstaffel nicht untersucht wurden. Eine Erhöhung der Lärmprognosewerte und eine Erweiterung des vom Baulärm betroffenen Gebietes ist daher nicht ausgeschlossen.
Update: Erste Hinweise zum passiven Schallschutz:
Passive Schallschutzmaßnahmen sind nach der Planfeststellung für alle schutzwürdigen Räume vorzusehen, für die eine Überschreitung der Richtwerte der AVV-Baulärm (überwiegend Wohngebiet Tags: 55 dB (A) / Nachts 40 dB (A)) um mehr als 5 dB(A) für einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten prognostiziert wurde.
Soweit das Gebäude dicke Außenwände hat, ist i.d.R. die Schalldämmung nur für die Fenster erforderlich. Dies ist im Kernerviertel bei den historischen Altbauten häufiger der Fall als bei den mit dünneren Außenwänden ausgestatteten Nachkriegsbauten. Bei Dachgeschossen muss allerdings häufig auch das Dach gedämmt werden, da neben der Außenwand und dem Fenster auch das Dach Schall in die Wohnung trägt.
Welche Qualität das Schallschutzfenster haben muss, hängt auch von seiner Größe bzw. seinem Flächenanteil an der Fassade ab. Prinzipiell ist der Schutz abhängig vom prognos-tizierten Lärmpegel vor der Fassade und der Qualität der vorhandenen Konstruktionen (Fassade, Fenster, Dach). Die passiven Schallschutzvorkehrungen müssen nach Vorgaben der Planfeststellung die Einhaltung der in der VDI-Richtlinie 2719 („Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzeinrichtung“), Stand August 1987 in Tabelle 6 angegebene Anhaltsswerte für Innenschallpegel zu gewährleisten. In Schlafräumen sind zudem Belüftungsanlagen vorzusehen. Für den Mittelungspegel innen L(i) und für den mittleren Maximalpegel innen L(max) nach Tabelle 6 der VDI 2719 von 1987 ist der jeweils untere, strengere Anforderungswert zu nehmen.