Wir hatten bereits in einem Beitrag auf die Recherche der Bürgerinitiative Infobündnis Zukunft Schiene -Obere Neckarvororte- hingewiesen, nachder es entgegen den offiziellen Aussagen der Bahn massive Lärmüberschreitungen bei den Baustellenarbeiten im letzten Jahr in Untertürkheim gab. Heute erhebt die Bürgerinitiative in einer Pressemeldung schwere Vorwürfe gegen die Aufsichtsbehörden:
„Das Infobündnis Zukunft Schiene– Obere Neckarvororte erhebt schwere Vorwürfe gegen das Eisenbahnbundesamt und das Bundesverkehrsministerum. Beide Behörden reagieren seit Monaten ausweichend auf Nachfragen der Bürgerinitiative zu den massiven Verstößen gegen Lärmschutzauflagen an der S21-Baustelle in Untertürkheim.
Im Schallgutachten zum Planfeststellungsverfahren war der Gutachter der Bahn von viel geringerem Baustellenlärm ausgegangen. Erst im Sommer 2013 rückte derselbe „unabhängige“ Sachverständige kurz vor Baubeginn mit den realistischen Zahlen heraus. Er prognostizierte, dass die Baustelle tagsüber mindestens doppelt so laut werden würde wie im Planfeststellungsbeschluss angenommen. Für die Nachtstunden prophezeite er, dass die Baustelle sogar vier- bis achtmal so laut sein würde.
Angesichts der fortgesetzten Untätigkeit der Aufsichtsbehörden fragt das Infobündnis Zukunft Schiene:
- Warum schreitet keine Behörde ein, obwohl im Planfeststellungsverfahren Überschreitungen der Richtwerte von maximal 7 dB(A) prognostiziert wurden?
- Warum ist eine Überschreitung der Richtwerte ‚erst‘ ab etwa 30 dB(A) alarmierend?
- Sind Überschreitungen von knapp 27 dB(A) etwa tolerierbar, weil sie der „unabhängige“ Sachverständige in seinem Detailgutachten vom Juli 2013 selbst prognostiziert hatte?
- Spielt das Recht auf körperliche Unversehrtheit nur dann eine Rolle, wenn eine Beschwerde „nachhaltig und substantiiert vorgetragen“ werden kann?
- Hoffen Behörden und Vorhabenträger darauf, dass angesichts der Bevölkerungsstruktur im Umkreis der Baustelle eine solche Beschwerde unterbleibt?
- Wird die Nichtachtung der Grundrechte von Menschen mit möglicherweise vorhandener Sprachbarriere, geringerem Bildungsniveau oder niedrigerem Einkommen von staatlichen Behörden als vernachlässigbarer Kollateralschaden angesehen?
Die Bürgerinitiative erhebt die folgenden Forderungen:
- Das Eisenbahnbundesamt hat als zuständige Behörde unverzüglich für einen wirksamen Schutz der betroffenen Bevölkerung vor den Lärmbelastungen zu sorgen, die selbst bei großzügiger Auslegung der AVV Baulärm unzumutbar sind.
- Dafür ist zunächst die sofortige Einstellung der Baumaßnahmen erforderlich, bis wirksame Lärmschutzmaßnahmen ergriffen werden können und deren Funktionsfähigkeit nachgewiesen ist. Angesichts zahlreicher noch ausstehender Genehmigungen kann keine Rede davon sein, dass die Baumaßnahmen im öffentlichen Interesse „dringend erforderlich“ seien oder „ohne die Überschreitung der Immissionsrichtwerte nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt werden können“. (AVV Baulärm Ziffer 5.2.2)
- Ein wirklich unabhängiger Sachverständiger ist einzuschalten, der die vorliegenden schalltechnischen Untersuchungen auf ihre Plausibilität hin überprüft und ggf. über- arbeitet.
- Die betroffenen AnwohnerInnen sind über die Möglichkeit passiver Lärmschutzmaß- nahmen ebenso unverzüglich in Kenntnis zu setzen wie über die im Planfeststellungs- beschluss als „Surrogat für nicht gewährte Schutzmaßnahmen“ bezeichneten Ent- schädigungszahlungen.
- Die örtliche Polizeibehörde ist nicht befugt, lärmgeplagte Bürgerinnen und Bürger mit der unzutreffenden Aussage „Alles genehmigt!“ abzuwimmeln. Die Dienst habenden Bamten haben dies daher zu unterlassen. Vielmehr haben sie belästigte AnwohnerInnen darüber aufzuklären, dass die Baumaßnahmen nur unter Auflagen genehmigt wurden, Betroffene ggf. Anspruch auf Lärmschutz wie z.B. Schallschutzfenster und/ oder Entschädigungszahlungen haben. Zusätzlich haben die Beamten sowohl auf die Zuständigkeit des vom Vorhabenträger inzwischen eingerichteten Bau-Info-Centers hinzuweisen als auch auf die Notwendigkeit, Beschwerden auch dort einzureichen.
- Die Beschäftigten des Bau-Info-Centers haben alle unzutreffenden und einschüchternden Behauptungen gegenüber betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zu unterlassen. Sie haben Beschwerden aufzunehmen und lückenlos zu dokumentieren. Eine – zumal abschlägige – Bewertung einer Anwohnerbeschwerde steht ihnen nicht zu und ist daher grundsätzlich zu unterlassen.
Zu den Details lesen Sie bitte die ausführliche Stellungnahme des Infobündnisses im Anhang. Alle zitierten Unterlagen liegen dem Infobündnis Zukunft Schiene vor. Bitte, beachten Sie auch die graphischen Darstellungen (Grafik 1 / Grafik 2) zur Lärmsituation in Untertürkheim im Anhang.
Noch immer wartet das Infobündnis Zukunft Schiene – Obere Neckarvororte auf eine Einladung zum in der Planfeststellung zugesagten baubegleitenden Arbeitskreis.“
Update 17.03.2014: Die Stuttgarter Zeitung hatte am 14.März dieses Thema aufgegriffen und berichtet. Den Bericht und einen Kommentar dazu von Seiten des Infobündnisses finden Sie hier.