Tunnel-Tam-Tam: Fildertunnel-Taufe lenkt von den eigentlichen Problemen bei Stuttgart 21 ab – OB spricht kritische Punkte an

Seit Tagen wurden die Stuttgarter durch die Medien auf das „Großereignis“ der feierlichen Fildertunneltaufe vorbereitet. Die beiden Stuttgarter Zeitungen berichteten bereits im Vorfeld ausführlich über die 120 Meter lange und 2000 Tonnen schwere Tunnelbohr-maschine der Firma Herrenknecht (StZ / StN), die für den Tunnelbau notwendigen 53.260 Tübbingen (StN)  die Notwendigkeit eines zusätzlichen Autobahnanschlusses wegen der allein für den Tübbingen-Transport zusätzlichen 260.000 LkW-Fahrten (StN), interviewten einen Tunnelbauer (StZ) und kommentierten das angekündigte Kommen des Oberbürgermeisters Fritz Kuhn (StZ).

Heute war es so weit. Die Feier fand in Anwesenheit der Projektbefürworter und der Gegner statt (StZ / StN / SWR / Welt). Die Bürgerinitiative Schutzgemeinschaft Filder benannte die Tunneltaufe im Vorfeld als ein „törichtes Tunnel Tam-Tam“ und zählte zahlreiche ungeklärte Fragen durch den Großbaubetrieb für die Anwohner auf der Filderebene auf (hier).

Allerdings wies der Stuttgarter Oberbürgermeister in seiner Rede daraufhin, dass die offenen Fragen beim Brandschutz, beim Lärmschutz während der Arbeiten, bei Entschädigungszahlungen für Grundstücksbesitzer, beim Betrieb des Grundwasser-managements sowie der Finanzierung geklärt werden müssten (StZ). Die Stuttgarter Nachrichten berichten in ihrer Ausgabe vom 11.07. (hier), dass der OB angesichts der Kostensteigerungen bei dem umstrittenen Bahnprojekt von 4,5 auf 6,5 Milliarden Euro an die Bahn und ans Land Baden-Württemberg appellierte, man dürfe sich nicht auf einen Punkt zubewegen, „an dem die Finanzierung nicht mehr geklärt ist“. Die StN berichten weiter:

„Bei seinem ersten Besuch eines S-21-Tunnelanstichs trug der projektkritische Kuhn auch einen ganzen Katalog an Forderungen an die Bahn vor. Die Bahn müsse während des Baus von Stuttgart 21 „systematisch die Belastung der Bevölkerung minimieren“. Nur so lasse sich für das Projekt Vertrauen gewinnen. Kuhn verlangte beim Brand- und Lärmschutz überzeugende Lösungen, hier liege „noch viel Arbeit vor uns“.“

Dass dies der Bahn noch auf die Füße fallen wird (BER lässt grüßen !), darin sind sich die Projektkritiker einig. Wie schnell die Bahn nach den Feierlichkeiten wieder von den grundlegenden Problemen des Projekts eingeholt werden wird, zeigten auch die Aussagen des Bahnvorstand Volker Kefer auf der Veranstaltung der Stuttgarter Nachrichten am Montag. Er betone zwar, dass die Bahn auf jedenfall Stuttgart 21 bauen werde, räumte aber ein, dass es eine interne Diskussion über die Kosten gäbe. 10% der Mittel sind verbraucht; etwa der Hälfte sind Aufträge vergeben. Die Frage ist nicht, ob, sondern  wann der Kostendeckel gesprengt wird. Gibt es dann keine Einigung, geht es dann nicht ohne Klage gegen die Projektpartner. Als ein weiteres Indiz, dass die Finanzierung von Stuttgart 21 aus dem Ruder laufen werde, ist das plötzliche Ausscheiden des renom-mierten Projektsteuerers und Baumanagers Klaus Grewe aus dem Projektbeirat von Stuttgart 21 zu werten (StZ 1 / StZ2). Im Interview mit der Stuttgarter Zeitung vom 25.06.2014 räumt er offen ein, dass die Zahlen bei Stuttgart 21 wohl eher politischem Wunschdenken als einer genauer Kostenkalkulation geschuldet seien (hier).

Daneben gab Volker Kefer auf der Veranstaltung bekannt, dass sich die Baufirma Hochtief und Bilfinger & Berger aus dem Projekt zurückziehen würde. Diese Baufirma hatte den Auftrag für den Tunnel Richtung Cannstatt bekommen (hier). Hier ist der Tunnelvortrieb bis Ende Juni rund 170 Meter weit vorgedrungen ( Link zum Webbeitrag). Die Möglichkeit eines Ausstiegs aus einem Vertrag ist für die beauftragten Firmen je nach Vertragsgestaltung sehr begrenzt. Sonst wären sie zum Ersatz des durch den Ausstieg verursachten Schadens verpflichtet. Der Wortlaut der Kefer-Erklärung „Hochtief zieht sich zurück“ deutet auch darauf hin, dass unerwartete Schwierigkeiten aufgetreten sind und man sich über die dadurch notwendigen Maßnahmen und deren Preis – zumindest noch – nicht einigen konnte.

Auch ein weiterer  Satz des Bahnvorstandes sollte alle Projektbefürworter und – kritiker aufhorchen lassen. Volker Kefer erwähnte auf der Veranstaltung in einem Nebensatz, dass die Bahn in Untertürkheim umplane. Bereits die Grünen hatten in einer aktuellen Anfrage im Bundestag (hier) nach dem immer noch nicht planfeststellten Abstellbahnhof im PFA 1.6b und nach möglichen Planänderungen (Passagierausstiege am Abstellbahnhof ?) nachgehakt. Möglicherweise verdichten sich damit die Gerüchte um einen Regional-bahnhof in Untertürkheim, der den Tiefbahnhof ergänzen soll.

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