Die Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH hat vorgestern den aktuellen Tunnelvortrieb zum 1.Dezember 2015 auf die Webseite gestellt. Daher möchten wir wieder einen kurzen Zwischenstand über den Baufortschritt beim Tunnelbau für Stuttgart 21 geben. Die Aufstellungen der Netzwerke über die seit Juni 2014 veröffentlichten Tunnelvortriebsstände können Sie hier (bis September 2015 / ab Oktober 2015) abrufen.
Wir müssen uns leider auf diese Zahlen beschränken. Karten, unter welchen Gebäuden/welchem Wohngebiet sich die Tunnelbaustellen aktuell befinden, sind weiterhin nicht im Internet abrufbar. Die Anfang des Jahres angekündigte Umprogrammierung der biss21-Seite war nach Auskunft von Projektchef Manfred Leger aus technischen Gründen anscheinend zu aufwendig. Viel Energie wurde hingegen in die Entwicklung der virtuellen 360-Grad-Einblicke in die Tunnelbaustellen investiert, die als „nette Spielereien“ den vom Tunnelbau betroffenen Anwohnern jedoch nicht viel an Erkenntnisgewinn bringen.
Aktuell sind nach fast zwei Jahren Bauzeit rund 11.151 von 59.090 Metern (ca. 18 %) der Tunnelstrecke für Stuttgart 21 vorangetrieben. In dieser Zahl sind auch rund 927 Meter enthalten, die die Bahn im Oktober 2015 an Stollen, Tunnel in offener Bauweise etc. nachträglich mitaufgenommen hat. Der Baufortschritt in den einzelnen Tunnelstrecken bzw. -röhren fällt sehr unterschiedlich aus. In keinem der bergmännischen Tunnelstrecken wird jedoch die an den Anwohnerveranstaltungen angekündigten 3-4 Meter pro Tag erreicht. Der maximale durchschnittliche Vortrieb in den letzten 3 Monaten liegt bei max. 2,2 Metern am Tag pro Röhre, bei den Röhren eines Tunnels insgesamt nur zwischen 5-6 Meter am Tag.:
- Rettungszufahrt Süd: Nach dem zuletzt vorgestellten Zeitplan sollte der Tunnelvortrieb von der Rettungszufahrt Süd Richtung Wangen, Wendekaverne und Anfahrbereich unter dem Kernerviertel eigentlich im November 2015 starten. Voraussetzung ist die Fertigstellung des Verzweigungsbauwerks Süd. Doch aktuell laufen dafür immer noch die Bau- und Betonierarbeiten, für das wieder in einer geologisch kritischen Übergangszone zum Anhydrit gesprengt werden muss. Das Förderband ist weiterhin nicht in Betrieb. Für die Rettungszufahrt soll im Januar 2016 als Schallschutzmaßnahme ein Dach installiert werden.
- Fildertunnel: Die Tunnelvortriebsmaschine hat mittlerweile ihre erste Schildfahrt vom Fasanenhof bis kurz vor der Gemarkung Degerlochs beendet. Wegen der Übergangszone zum Anhydrit soll der rund 1,15 km lange mittlere Fildertunnel in bergmännischer Weise gebaut werden. Dafür muss erst einmal die Maschine abgebaut zurückgezogen und am Filderportal für die zweite Schildfahrt wieder aufgebaut werden. Über den Ablauf und den bislang von der Bahn kommunizierten Zeitplan finden Sie mehr Informationen in unseren Beiträgen über die im September 2014 stattgefundene Anwohnerveranstaltung in Degerloch und die Anwohnerveranstaltung für den Stuttgarter Osten vom April 2015. Eine Initiative von Bürgern fordert aktuell eine Verlegung des unter dem Fernsehturms geplanten Tunnels um ca. 250 Meter.
- Tunnel PFA 1.5. (Bad Cannstatt / Feuerbach): Der Tunnel Bad Cannstatt ist mit 46% vorgetriebener Strecke als einziger Tunnel bei Stuttgart 21 deutlich vorangekommen. Auf der letzten Anwohnerveranstaltung für den Stuttgarter Norden erwähnte allerdings der Technische Abschnittsleiter Christoph Lienhard in einem Nebensatz, dass der Canstatter Tunnel gegenüber dem Feuerbacher Tunnel in geologisch „einfacheren“ Schichten (Stichwort Anhydrit) verläuft. Aktuell dürfte sich der Baufortschritt bei beiden Tunnel verlangsamen, da für den Vortrieb jetzt Sprengungen und vor allem bei Feuerbacher Tunnel Abdichtungsbauwerke für die Anhydrit-Zonen erforderlich sind. Nach Aussage der Bahn kann die Feuerbacher Tunnelbaustelle bis zur Installation des Schallschutzdaches am Zwischenangriff Prag auch nicht unter „Volllast“ betrieben werden. Auf der Anwohnerveranstaltung wurde in einer Grafik auch der Vortriebsstand des PFA 1.5. zum 10.11.2015 präsentiert. Seither fand folgender Baufortschritt in den einzelnen statt (vielleicht hilft dies als erste Orientierung):
- Tunnel Obertürkheim: Die Bahn kommt beim Tunnel Obertürkheim, dessen Tunneltaufe vor knapp zwei Jahren gefeiert wurde, weiterhin nur sehr schleppend voran. Erst trafen die Mineure „unerwartet“ zu viel Grundwasser an. Danach sehr hartes Gestein, in dem nur gesprengt oder gemeißelt werden kann. Die Anwohner in Wangen sind weiterhin massivem nächtlichen Lärm ausgesetzt und müssen seit mehr als 5 Wochen zum Durchschlafen in Hotels ausweichen. Nach dem Zeitplan, den die Bahn in der letzten Sitzung des Umwelt- und Technikausschusses präsentierte, werden die Anwohner noch mehrere Monate erst durch den Bau der Oströhre und anschließend durch die Weströhre dem Lärm ausgesetzt sein. Der durchschnittliche Vortriebsstand der Oströhre liegt derzeit bei 1,75 Meter am Tag. Die Bahn will weiterhin eine Ausnahmegenehmigung erreichen, dass sie auch nachts sprengen darf. Für die Anwohner ist dies jedoch nicht akzeptabel. Auch an anderen Bereichen hinkt der Tunnelbau im PFA 1.6a den kommunizierten Zeitplänen weit hinterher. Die geplanten Tunnelangriffe Unter- und Obertürkheim sind weiterhin (wie auch der Zwischenangriff Ehmannstraße im PFA 1.5.) wegen laufender Planänderungsverfahren nicht in Betrieb.
Wie auch in den Vormonaten wurde der von Bahnvorstand Volker Kefer im April vor dem Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages angekündigte monatlicher Tunnelvortrieb von rund 1.000 Meter auch im November 2015 nicht erreicht:
Da sich beim Baufortschritt gegenüber dem Vormonat nichts wesentliches verändert hat, verweisen wir auf die Prognose in unserem Beitrag zum Oktober-Vortriebsstand. Beiträge zum Baufortschritt von Stuttgart 21 finden Sie hier. Weiterhin ist nicht erkennbar, wie die Bahn das Megaprojekt in dem angekündigten Fertigstellungstermin Ende 2021 in Betrieb nehmen kann. Die vom Tunnelbau betroffenen Anwohner müssen damit rechnen, dass ihnen die S21-Baustellen deutlich länger als kommuniziert „erhalten bleiben“.