Zur Infoveranstaltung für das Kernerviertel am 7.Oktober. Mehr Gebäude sollen passiven Schallschutz erhalten. Bäume werden gefällt. SSB Richtung Charlottenplatz länger unterbrochen.


Die Anwohnerveranstaltung letzten Mittwoch im Rathaus machte wieder deutlich, wie stark die Anwohner des Kernerviertels durch die zahlreichen Großbaustellen von Stuttgart 21 rund um den Hauptbahnhof betroffen sein werden. Auch wenn die meisten der geplanten Bauarbeiten schon bekannt sind bzw. in den Veranstaltung vom Juni 2014 und April 2015 vorgestellt wurden. Vielleicht war die Anwohnerveranstaltung  deshalb weniger besucht als sonst.

Die Veranstaltung eröffneten Alice Kaiser, die städtische Bürgerbeauftragte und Dr.Timo John als stellvertretender Bezirksvorsteher. Dr. John (CDU) zählte die Vielzahl an aktuellen Baustellen im Stadtbezirk Mitte auf und betonte, dass der Bezirksbeirat Mitte fraktionsübergreifend die betroffenen Anwohner unterstützt. Die Präsentationen über die geplanten Baumaßnahmen hielten Michael Pradel, der neue Abschnittsleiter für den Tiefbahnhof, und Winfried Reichle, Infrastrukturleiter der SSB für Stuttgart 21. Die Folien finden Sie hier.

Bauarbeiten Südkopf

Weitere Informationen finden Sie in den Zeitungsmeldungen der StZ, der StN sowie den Pressemitteilungen der Bahn und der SSB. Wolfgang Rüter hat auf der Veranstaltung fotografiert. 

Im Gegensatz zur letzten Veranstaltung im April bemühten sich die Vertreter der Bahn die meisten Fragen, die das Netzwerk Kernerviertel im Vorfeld eingereicht hatte, zu beantworten. Auch wenn einige Antworten zu den anstehenden Beeinträchtigungen und dem Zeitplan -teilweise auch wegen der Vielzahl von Themen- im Unkonkreten blieben. Die Übersicht über die Fragen des Netzwerks und die Antworten der Bahn und der SSB finden Sie hier. 2015 und 2016 sollen folgende Bauarbeiten in unmittelbarer Nähe des Kernerviertels durchgeführt werden:

1. Tunnelbau / Tunnelportal Rettungszufahrt

  • Bevor der Aushub des Tunnelvortriebs Richtung Wangen und Wendekaverne im Laufe des Jahres 2016 startet, wird das Lärmschutzdach über dem Tunnelportal Rettungszufahrt installiert.
  • Ein konkreter Zeitplan für den Vortriebsbeginn wurde nicht genannt. Nach dem zuletzt vorgestellten Zeitplan sollte der Tunnelvortrieb eigentlich im Oktober 2015 starten. Voraussetzung ist die Fertigstellung des Verzweigungsbauwerks Süd unterhalb des Kernerviertels. Derzeit laufen nach Aussage des DB Projekt Vorstands Manfred Leger erst einmal noch Sicherungsmaßnahmen am Verzweigungsbauwerk.
  • Mit dem Tunnelvortrieb soll auch das Förderband mit einem Emissionswert von 76 dB(A) (Linienschallquelle) in Betrieb gehen. Nach Einschätzung der Bahn soll das Förderband keinen nennenswerten („pegelbestimmenden“) Lärm verursachen, auch wenn bis zu 30 cm große Steinbrocken aus dem Sprengvortrieb darin transportiert werden. Dies hätte ein Testbetrieb bestätigt.
  • Zur Vorbereitung der Tunnelvortriebsarbeiten im Anfahrbereich/ Kernerviertel werden 2016 die Schächte für die Hebungsinjektionen gegraben. Zwei davon in der Urbanstraße, die während dieser Bauarbeiten teilgesperrt wird. An den Gebäuden mit geringer Unterfahrungstiefe werden Schlauchwaagensysteme installiert. Die betroffenen Eigentümer im Kernerviertel  werden noch von der Bahn bis spätestens Ende 2015 zu einer Informationsveranstaltung eingeladen.

2. Trogbaufeld 25 (Sängerstraße)

  • Bis November soll der provisorische Zugang zur SSB-Haltestelle Staatsgalerie, an dem seit fast einem Jahr gebaut wurde, fertig sein. Damit  deutlich später als geplant (März 2015). Eine Ursache dafür ist die Bodenplatte, die wegen der der Verankerung der Lärmschutzwand eingezogen werden musste.
  • Bis Ende 2015 soll die 10 Meter hohe Lärmschutzwand entlang der Sängerstraße installiert werden. Anschließend wird die Spindel, der alte Zugang zur SSB-Haltstelle abgerissen. Die Wand soll in den nächsten 3-4 Jahren stehen bleiben und enthält auch ein Rolltor als Zufahrt für die dort vorhandenen Parkplätze.
  •  Nach der auf der Pressekonferenz im August 2014 zum Trogbau vorgestellten Planung der Firma Züblin sollten noch zwischen März 2015 bis Juli 2016  die Hauptbauarbeiten am Baufeld 25 laufen. Jetzt sollen die Tiefbau- und Gründungsarbeiten im nächsten Jahr starten. Die einzelnen Bauphasen der Bauarbeiten im Baufeld 25 für das Jahr 2016 finden Sie hier. Für die Gründung müssen Bohrpfähle und im Bereich einer Doline neben der Polizeistation gesetzt werden. Über die Auswirkungen der Rammarbeiten in diesem Bereich wird derzeit noch ein erschütterungstechnisches Gutachten erstellt. Die Bahn rechnet aufgrund einer Testrammung im Jahr 2013 in diesem Bereich mit keinen nennenswerten Erschütterungen.

3. Trogbaufeld 16 und 22, Nesenbachdüker

  • Auf Nachfrage aus dem Publikum begründete der neue Abschnittsleiter für Tiefbahnhof, Michael Pradel, die Verzögerung am  Baufeld 16 mit noch erforderlichen Freigabeprozessen durch das Eisenbahn-Bundesamt. Das EBA will die Freigabe erst nach Erstellung eines Prüf- und Gegenprüfmodels für die an das Baufeld angrenzenden Trogbaufelder erteilen. Die Bauverzögerung soll jedoch wieder aufgeholt werden. Welche Bauarbeiten parallel laufen sollen bzw. Zeitpläne nannte er jedoch nicht.
  •  Zu den Baumaßnahmen der Bahn (Baufeld 22 und Nesenbachdüker) und der SSB (Neubau Haltestelle) entlang der B14 und Schillerstraße präsentierte Pradel den Bauablauf, ohne allerdings konkrete Zeitangaben zu nennen. Nach der auf der Pressekonferenz im August 2014 zum Trogbau vorgestellten Planung der Firma Züblin sollten bereits im April 2016 der Trogblock 22, auf dem die SSB die neue Haltestelle bauen will,  fertiggestellt sein.
  • Ob die Rammarbeiten in den Trogbaufeld 22 Auswirkungen auf die Gebäude des Kernerviertels haben, erhielten die Anwohner erneut keine Information. Das Netzwerk Kernerviertel hakte daher außerhalb der Veranstaltung nochmals beim Vorstand  der DB Projekt nach. Laut deren Einschätzung werden die Rammarbeiten im Kernerviertel kaum spürbar sein. Mit den noch 2013 vom Gutachter prognostizierten schweren Erschütterungen sei nicht zu rechnen. Ein neues Gutachten sei jedoch nur zu den Rammarbeiten im Baufeld 25 in Arbeit.

4. SSB-Neubau Haltestelle Staatsgalerie

    • Parallel zum Baufeld neben dem Innenministeriums/Planetarium will die SSB vor dem Königin-Katharinen-Stift die Tiefbauarbeiten für den neuen Tunnel Richtung Charlottenplatz starten.
    • Dazu sollen im Oktober Bäume vor dem Königin-Katharinen-Stift und dem Mittelstreifen der Schillerstraße gefällt werden.
    • In Nachtarbeiten wird die Schillerstraße nach Osten verschwenkt. Alle Fahrspuren sollen erhalten bleiben.
    • Die SSB-Haltestelle Staatsgalerie wird duch die Bohrpfahlsetzungen und Abrissarbeiten beeinträchtigt. Wegen Abrissarbeitenwird für 14 Tage der Ausgang Richtung Planetarium gesperrt.
    • 2016 wird der Fußweg von der Haltestelle Richtung Hauptbahnhof auf Dauer gesperrt. Zu Fuß wird der Hauptbahnhof bzw. die Innenstadt vom Kernerviertel aus nur noch über Wullesteg oder den Weg zwischen Schauspielhaus und Königin-Katharinen-Stift möglich sein.
    • Neu war die Ankündigung des SSB-Vertreters, dass die Stammstrecke Staatsgalerie-Charlottenplatz ab Pfingsten 2016 nicht wie angekündigt nur für 9 Monate, sondern jetzt für den Zeitraum von 15 (!) Monaten unterbrochen werden soll. Damit bestätigt sich unsere Einschätzung zu Beginn der SSB-Bauarbeiten, dass Bauverzögerungen absehbar sind.. Ohne die Fertigstellung des Trogbaufeldes 22 durch die Bahn ist der Bau und die Inbetriebnahme der neuen Haltestelle unrealistisch.  Bereits in einem StZ-Bericht Anfang Mai deutete sich an, dass die Sperrung der Stecke länger dauern wird.
    • Mitte 2018 soll die neue Haltestelle Staatsgalerie in Betrieb gehen.
    • Der bisher genannte Zeitraum der anschließende Sperrung der Stammstrecke Staatsgalerie-Hauptbahnhof von 2 Jahren (Mitte 2017- Mitte 2019) ist vorläufig. Es hängt vom Zeitplan der Baufirma ab, die den Zuschlag erhält. Auch ist die SSB vom Baufortschritt der Bahn beim Bau des Nesenbachdükers und des Tiefbahnhofs abhängig. Winfried Reichle kommentierte dies bei seiner Präsentation mit einem Nebensatz, „bis wir halt fertig sind“. Dabei sollte nach der Planfeststellung von Stuttgart 21 die SSB nur einmal in den Ferien 14 Tage unterbrochen werden. Jetzt sind es mittlerweile 3,5 Jahre. Weitere Verzögerungen sind durch den komplexen Baubetrieb sind nicht ausgeschlossen. Über die Abhängigkeiten der Bauarbeiten haben wir in unserem Beitrag „Umwege und komplexe Bauabläufe: zum Baustart des Nesenbachdükers am 8.Juni 2015“ berichtet.

Dies sind nur die Baustellen in unmitelbarer Nähe des Kernerviertels, die 2015/16 geplant sind. Über die zu erwartenden Beeinträchtigungen durch den Baulärm wurde auf der Veranstaltung eine Schallimmisionskarte präsentiert, jedoch ohne diese näher zu erläutern, welche Strassenzüge vom jahrelangem Baulärm betroffen sein werden.

Daneben wurden die Anwohner informiert, dass ein neues schalltechnisches Detailgutachten für die Bauarbeiten rund um den Hauptbahnhof zwischen Kriegsberg und Kernerviertel erstellt worden sei. Das Gutachten soll am 20.Oktober 2015 auf die Homepage des Kommunikationsbüros gestellt werden, nachdem Bahnvertreter  im Umwelt- und Technikausschuss über die weiteren Schutzmaßnahmen für das Kernerviertel berichtet haben.

Trotz der geplanten aktiven Schallschutzmaßnahmen geht das Gutachten von einem lauteren Lärmgeschehen aus, auch wenn sich laut der Pressemitteilung die Lärmschutzwände „insbesondere im Nahbereich der Baustellen deutlich pegelmindernd“ auswirken. In anderen Straßenzügen (keine näheren Infos auf der Veranstaltung) soll es lauter als bisher geplant werden. Weitere 40 Gebäude im Kernerviertel sollen deshalb mit passiven Schallschutz ausgestattet werden. Dennoch ist die Tatsache, dass die Bahn nochmals einen hohen Betrag für weitere Schallschutzmaßnahmen in die Hand nimmt, aus Sicht der Anwohner zu begrüßen. Nach Aussage von Dr. Florian Bitzer, Abschnittleiter für Umwelt, soll damit die maximal laute Lärmbelastung abgedeckt sein, wenn wegen des Zeitverzugs an mehr Baustellen als geplant parallel gearbeitet wird. Damit bestätigt sich auch die Befürchtung des Netzwerks, dass die Anwohner den Zeitverzug mit mehr Baustellen „ausbaden“ müssen. Ob dabei tatsächlich 2,5 Jahre Zeitverzug eingeholt werden kann und damit die Baustellen einen kürzeren Zeitraum belasten, ist Skepsis angesagt. Wir hatten über die Bauverzögerungen am „Tiefbahnhof“ zuletzt im August berichtet. Andererseits kann mit einem reduzierteren Baugeschehen der Lärmpegel unter den Prognosen liegen.

In der Pressemitteilung findet sich zu den Ursachen für die höheren Lärmprognosen noch die Erklärung, dass „im städtischen Umfeld überlagern sich viele Schallquellen, die mitnichten alle dem Bahnprojekt zuzuordnen sind. Messung, Bewertung und letztlich Prognose sind deshalb anspruchsvoll.“  Überraschend, denn bisher wurde die Vorbelastung durch Strassenlärm nicht bei den Prognosen berücksichtigt.

Abzuwarten bleibt, welches Baustellengeschehen dem Gutachten zugrunde gelegt wurde. Wir werden darüber berichten, sobald es veröffentlicht ist. Möglicherweise basiert ein Teil der höheren Pegelwerte auch auf einer konkreten Lärmplanung für die Bauarbeiten der SSB und des Nesenbachdükers auf Basis einer Ausführungsplanung. Diese waren bisher nur mit einem pauschalen Wert aus der Planfeststellung in die Lärmgutachten eingeflossen. Wir hatten zuletzt in unserem Beitrag „Der Charme des innerstädtischen Bauens oder wie die Bahn bei Stuttgart 21 durch unzureichende Lärmgutachten an Grenzen kommt“ berichtet.

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