Die hartnäckige Nachfrage einer Parkschützerin beim Kommunikationsbüro, wieviel der 61 Kilometer Tunnelstrecke in Stuttgart mittlerweile nach dem offiziellen Baustart vor 4 Jahren gebaut wurden, ergab eine erhellende Antwort:
„Folgende Vortriebsstände kann ich Ihnen mitteilen:
> Zwischenangriff Nord: Verzweigungsbauwerk ist fertig gestellt;
> Tunnelvortrieb Richtung Bad Cannstatt: 49,00 m
> Tunnelvortrieb Richtung HBF: 49,90 m.
> Rettungszufahrt HBF-Süd: 158,00 m
> Filderportal (Fasanenhof): 143,00 m
> Zwischenangriff Ulmer Straße: – 31,25 m (als Schacht)…“
Sprich, bislang sind entgegen der öffentlichen Wahrnehmung nur rund 400 Meter bzw. 0,65 % der 61 km in Stuttgart gebaut worden. Klaus Gebhard hat den aktuellen Stand des Tunnelvortriebs optisch in einem Pegel dargestellt; auch die SÖS hat den Vortriebsstand visualisiert.
Wobei man die schmale Rettungszufahrt am Wagenburgtunnel eigentlich nur einge-schränkt dazurechnen sollte. Die Auskunft zeigt auch, dass die Bahn seit der letzen An- frage des Netzwerks Mitte Februar unterhalb des Kernerviertels nur 38 Meter vorange-kommen ist. Der Start der Vortriebsarbeiten für die eigentlichen Bahntunnel steht seit Wochen noch an. Nach den Unterlagen, die die Bahn im Lenkungskreis präsentiert hatte (hier), war noch eine kurzfristige Planänderung an der Rettungszufahrt und am Verzweigungsbauwerk (größere Radien wegen Nutzung der 12-Meter SSB-Busse) für die beiden Tunnelstrecken Richtung Wangen und auf die Fildern erforderlich, die jetzt vom Eisenbahn-Bundesamt am 5.5.2014 mit Sofortvollzug freigegeben wurde. Daher ist damit zu rechnen, dass die Grabungsarbeiten unterhalb der Jugendherberge / Hausmannstraße jetzt starten. Ein erstes Zeichen sind die neuen Vermessungspunkte entlang der steilen Stützmauern des Kernerviertels (siehe auch unseren Beitrag „Kippt oder kippt sie nicht„). Dies ist nach Auskunft des Kommunikationsbüros Teil der Beweissicherungen der Mauern während der Vortriebsphase, auf die auch das Netzwerk Kernerviertel gedrängt hatte.
Die Auskunft zeigt auch auf, dass die Bahn selbst beim Zwischenangriff in Wangen nach der offiziellen Tunneltaufe vor über 5 Monaten nicht weitergekommen ist. Gerüchten zufolge fehlt es dort an den Unterfahrungsrechten, obwohl die Bahn in ihrer Lenkungs-kreispräsentation auf Seite 36 aufgeführt hatte, dass für sämtliche Grundstücke Baufreiheit vorliegen würde. Weitere mehr als 300 Grundstücke seinen auf Vorrat besorgt und alle zum Stichtag fälligen Vereinbarungen (232) seien geschlossen worden. Die Bahn räumt jedoch auf der Folie ein, dass der Hochlauf in 2014 anspruchsvoll sei. Die Konzep- tion des Flächenmanagements sei weiterentwickelt worden. Die Bahn erhofft sich von den angebotenen Gestattungsverträgen mit Abschlagszahlungen von 80% der Entschädig- ungen einen Beschleunigungseffekt. Die Kommunikation mit den Eigentümern solle intensiviert werden. Es seien 50 bis 100 Gruppenveranstaltungen geplant.
Die von der Bahn genannte Zahl von rund 232 Vereinbarungen zeigt jedoch, dass nur ein Bruchteil der betroffenen Eigentümer einer Vereinbarung bzw. einem Gestattungsvertrag bislang zugestimmt haben. In den Berichterstattungen der beiden Stuttgarter Zeitungen ist bislang von rund 3.000 von der Untertunnelung direkt betroffenen Eigentümer die Rede. Die Netzwerke empfehlen ihren Mitgliedern weiterhin, den von der Bahn angebotenen Gestattungsvertrag bzw. kurzen Gestattungserklärung im Hinblick auf die unzureichende Beweislastumkehr und die angebotene Entschädigung auf Basis des Bodenrichtwertes nach dem von der Bahn speziell entwickelten Berechnungsverfahren so nicht zu akzeptieren.
Die Netzwerke hatten gegenüber der Bahn folgende Forderungen aufgestellt:
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Es ist eine Entschädigung nach dem Bodenwert und nicht nach dem Bodenrichtwert zu leisten.
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Das Nachverhandeln für weitere Beeinträchtigungen und Nachteile muss möglich sein.
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Es ist eine Entschädigung nach dem Bodenwert und nicht nach dem Bodenrichtwert zu leisten.
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Die Bahn muss so bauen, dass wir hinterher in eigenen Bauvorhaben nicht beeinträchtigt sind.
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Die Umkehr der Beweislast muss in die Gestattungsverträge aufgenommen werden
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Die Haftung muss auch für Langzeitschäden gelten, die zu weiteren Entschädigungsleistungen führen.
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Die Bahn muss so bauen, dass Schäden ausgeschlossen sind.
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Es muss klar sein, an wen sich der Eigentümer im Schadenfalle halten kann, wer also haftet. Es muss kommuniziert werden, ob und in welchem Umfang die Haftpflicht-versicherung der Bahn eintritt. Eigentlich müsste doch die Bundesrepublik Deutsch- land eintreten. Denn die Bahn ist in 100-prozentigem Eigentum des Bundes und baut die Schienenwege „im öffentlichen Interesse“.
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Es muss klar sein, welche Sicherheiten die Eigentümer bei einer Übernahme der DB AG durch ausländische Investoren haben.
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Es muss klar sein, welche Sicherheiten die Eigentümer bei der Auflassung einzelner Tunnelröhren haben und wer dann für den weiteren Unterhalt sorgt.
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Ziel und Umfang der Beweissicherung müssen besser kommuniziert werden. Diese sind bei vielen Betroffenen nicht angekommen.
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Die Beweissicherungsgrenzen sind nach geologischen Kriterien festzulegen und ggf. zu erweitern. Die bis dato definierten Beweissicherungsgrenzen sind willkürlich bzw. folgen rein geometrischen Linien.
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Die Protokolle der Beweissicherung sind zeitnah, d.h. innerhalb von 2 Wochen nach der aktuellen Messung bzw. Aufnahme, an die Eigentümer zu übergeben.
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Die Betroffenen sind laufend zu informieren, wo die Baustelle (Grabungsarbeiten) gerade steht.
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Die Daten der Langzeitmessungen (TRIVEC-Messungen) an den Standorten am Kriegsberg, im Kernerviertel und anderswo sind zugänglich zu machen.
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Die Erschütterungs- und Lärmmessungsprotokolle sind den Betroffenen zeitnah zugänglich zu machen.
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Bauarbeiten mit stärkerer Lärmentwicklung sind rechtzeitig anzukündigen.
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Zur Überwachung von Imissionen muss ein unabhängiger Gutachter eingesetzt werden.