Inbetriebnahme von Stuttgart 21 nicht vor Ende 2023? Ein Rückblick auf die offiziellen Terminverschiebungen

Heute berichteten die beiden Stuttgarter Zeitungen in ihrer Printausgabe (hier), dass zwei der Brückenbauten bei Stuttgart 21 und der Neubaustrecke, nämlich die Neckarbrücke bei der Wilhelma und die Filstalbrücke über der A8,  laut Bahn im Zeit- und Kostenrahmen seien. Doch die dpa-Meldung endet mit einem „Knaller“. Die beiden Zeitungen schreiben: „Der neue Bahnknoten Stuttgart 21 mit einem unterirdischen Hauptbahnhof und einer Neubaustrecke Richtung Ulm könne aber nicht vor Ende 2023 in Betrieb gehen. Daran habe sich zuletzt nichts geändert. Bauverzögerungen etwa durch die Schlichtung hätten bisher aber nicht wieder eingeholt werden können, sagte Projektsprecher Jörg Hamann.“ Diese Aussage – falls sie so geäußert wurde- stimmt aus zwei Gründen nicht:

 1. Offizielle Inbetriebnahme von Stuttgart 21 erst 2023?

In der dpa-Meldung, dass sich an dem Inbetriebnahmetermin Ende 2023 zuletzt nichts geändert habe, wird suggeriert, als sei man schon seit geraumer Zeit auf einem Fertigstellungstermin nach 2023 umgeschwenkt. Dies ist nicht der Fall.

Auf Anfrage der Grünen-Fraktion erklärte die Bundesregierung noch Anfang Juni 2017, dass weiterhin an der Inbetriebnahme 2021 festgehalten werde. In einer StZN-Meldung (hier) hieß es: „Ein Bahnsprecher sagte in Berlin: „Wir halten an dem mit den Projektpartnern vereinbarten Ziel fest, Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm im Dezember 2021 in Betrieb zu nehmen.“ Derzeit gebe es einen Verzug von zwei Jahren. Es seien bereits Gegensteuerungsmaßnahmen entwickelt worden, um ein Jahr aufzuholen. „Wir arbeiten weiter intensiv daran, weitere Gegensteuerungsmaßnahmen zu identifizieren, das heißt, auch das zweite Jahr noch aufzuholen.“   

2. Die Schlichtung ist für die weitere Verzögerung verantwortlich?:

Es ist auch nicht richtig, dass u.a. die Schlichtung zur weiteren zweijährigen Bauverzögerung des „Tiefbahnhofs“ auf Ende 2023 beigetragen habe. Wir möchten daher einen kurzen Rückblick auf die bereits offiziell eingeräumten Verzögerungen bei diesem Milliardenprojekt geben:

  • Offizielle Inbetriebnahme Ende 2019: Auch wenn es vielen nicht mehr im Gedächtnis ist. Beim offiziellen Baustart im Februar 2010 mit der symbolischen Prellbockanhebung (StZ) sollte Stuttgart 21 bereits Ende 2019 in Betrieb gehen. Dies wurde damals parallel zum Baustart in einem Plakat angekündigt:

s-21-2019

  • Offizielle Inbetriebnahme Ende 2020: Nach einer Sitzung des Lenkungskreises am 23.März 2012 kündigte der damalige Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer die Verschiebung des Inbetriebnahmetermins von Stuttgart 21 um ein Jahr auf Ende 2020 an. Als Grund wurde damals nicht die im Oktober und November 2010 veranstaltete Schlichtung oder die Volksabstimmung im November 2011 angegeben, sondern die Verzögerungen durch das Planänderungsverfahren zum Grundwassermanagement. In einer Spiegel-Meldung (hier) hieß es damals: „Laut Bahn-Vorstand Kefer kann das Projekt zudem erst Ende 2020, ein Jahr später als geplant, fertiggestellt werden. Dies liege daran, dass sich das Grundwassermanagement verzögere und erst im Januar 2013 begonnen werden könne. Der eigentliche Tiefbau könne folglich nicht, wie geplant, schon in der zweiten Jahreshälfte 2012 beginnen.“ Hinzu kommt noch, dass der Bauauftrag an die Stuttgarter Firma Züblin für den  „Tiefbahnhof“ incl. Nesenbachdüker erst im März 2012 erfolgte (StZ). Laut StZ war der zeitverzögernder Faktor der Vergabe „neben technischen Fragen offenbar vor allem der Preis, über den bis zuletzt verhandelt wurde“.
  • Offizielle Inbetriebnahme Ende 2021: Im Februar 2013 änderte die Bahn den Zeitplan von Stuttgart 21 auf Ende 2021 (StZ). Obwohl der damals verantwortliche Projektleiter Stefan Penn mehrfach einen Start der Bauarbeiten für den „Tiefbahnhof“ für Anfang 2013 angekündigt hatte (StZ1/StZ2), starteten die ersten Trogbauarbeiten erst im August 2014. Bereits zum Baustart räumte der Vertreter der Baufirma Züblin Zeitengpässe und Umplanungen ein. Zwar erhielt die Bahn im September 2014 nach dem öffentlichen Planänderungsverfahren die Genehmigung für die mehr als doppelte Entnahme des Grundwassers. Doch fehlende Genehmigungen, u.a. für das Brandschutz- und Entrauchungskonzept sowie die damit verbundenen statischen Änderungen, verzögerten erheblich den Baufortschritt. Über die schleppenden Bauarbeiten am „Tiefbahnhof“ hatten wir mehrfach berichtet. Bis heute hat die Bahn keine weitgehende Baufreiheit. Die zuletzt von der Bahn für Juni 2017 angekündigte Genehmigung der Planänderung durch das Eisenbahn-Bundesamt zur Verlagerung der Fluchttreppenhäuser an die Bahnsteigenden steht weiterhin aus. Davon hängt auch die Statik der Kelchstützen ab, die das Dach der Bahnsteighalle bilden sollen.

Trotzdem wurde bislang das offizielle Inbetriebnahmedatum für Stuttgart 21 mit Ende 2021 nicht korrigiert, auch wenn dieser Termin wegen des schleppenden Baufortschritts beim „Tiefbahnhof“ und anderen Planfeststellungsabschnitten augenscheinlich nicht mehr realistisch ist. Seit fast zwei Jahren hat die Bahn- auch gegenüber den KPMG-Prüfern– am offiziellen Zeitplan festgehalten und immer wieder auf Gegensteuerungsmaßnahmen verwiesen, die noch in der Prüfung seien. Der neue Bahnvorstand Roland Pofalla kündigte in einem StZ-Interview die Bekanntgabe eines neuen Inbetriebnahmetermins bis April 2018 an. Über die widersprüchlichen Aussagen zum Zeitplan bei Stuttgart 21 hatten wir in einem Beitrag zur Anfrage der Grünen an die Bundesregierung berichtet. Danach ist auch mit einer Inbetriebnahme über das Ende 2023 hinaus zu rechnen.

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