Geschwärzte Kanzleramtspapiere nach Klage freigegeben. Zur Aufsichtsratssitzung der DB AG, dem Bundesrechnungshofs-Bericht und dem erneut verschobenen Lenkungskreis

Am 8 und 15. Juni werden die nächsten Aufsichtsratssitzungen der Deutschen Bahn AG stattfinden. Es ist zu erwarten, dass Stuttgart 21 wieder auf der Agenda steht. Die Stuttgarter Zeitung schrieb im März (hier) über diese geplante Aufsichtsratssitzung: „Der zuständige Bahn-Vizechef Volker Kefer erklärte darauf, mit den Wirtschaftsprüfern von PWC, die seit Jahren auch die DB-Bilanzen testieren, eine vertiefte Darstellung der Kosten und Risiken zu erstellen, die bis zur nächsten Sitzung des Aufsichtsrats im Juni vorliegen soll. „Natürlich soll ein Offenbarungseid für S 21 vermieden werden“, sagte ein Teilnehmer, „denn das wäre ein politisches Debakel für die Befürworter“. 

Bei der „vertieften Darstellung der Kosten und Risiken“  handelt es sich laut Projektchef Manfred Leger im StZ-Interview (hier) um eine erstmals seit 2012 (!) von der DB Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH aktualisierte  „Termin- und Kostensituation“ für Stuttgart 21, die nach dem Beschluss des Aufsichtsrates der DB AG durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC testiert werden soll. Die vom Aktionsbündnis vorgelegten Gutachten des Beratungsunternehmens Rössler-Vieregg gehen von Kosten von 10 Milliarden Euro und einer Wirtschaftlichkeit des Ausstiegs aus Stuttgart 21 aus. Die Zahlen der Gutachten wies die DB Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH entschieden zurück. Angesichts des schleppenden Baufortschritts, der fehlenden Baugenehmigungen und der Flut von Planänderungen bei Stuttgart 21 können wir uns jedoch nichts anderes vorstellen, als dass die Projektgesellschaft ihren Zeitplan für Stuttgart 21 und damit auch die Gesamtkosten revidieren muss.

Darüberhinaus hatte der Aufsichtsrat nach den Untreue-Anzeigen des Aktionsbündnisses in seiner letzten Sitzung laut dem StZ-Bericht auch ein Rechtsgutachten zur Haftungsfrage in Auftrag gegegeben. Letzten Donnerstag hat das Aktionsbündnis vor dem Verwaltungsgericht Berlin um die „Entschwärzung“ der eingesehenen Kanzleramtsdokumente  einen Teilerfolg erzielt. Die Stuttgarter Zeitung (StZ1 / StZ2) und die TAZ (hier) berichteten  ausführlich darüber. Das Aktionsbündnis gab dazu gestern abend eine Pressemitteilung heraus, die im Anhang die jetzt von der Bundesregierung freigegebenen drei Passagen des Aktenvermerks enthält. Das Aktionsbündnis sieht den Verdacht der rechtwidrigen Einflussnahme der Bunderegierung auf die Weiterbauentscheidung für Stuttgart 21 als erhärtet an. In der Pressemitteilung heiß es : „Die jetzt offengelegten Textpassagen stellen weitere Mosaiksteine eines Ablaufs dar, an dessen Ende der Aufsichtsrat der DB am 5. März 2013 ein offenkundig unwirtschaftliches Projekt aus sachfremden politischen Motiven weiterbauen ließ“.

Immer noch nicht veröffentlicht bzw. den Parlamentariern des Bundestages vorgestellt ist der  Prüfbericht des Bundesrechnungshof über das Handeln der drei Vertreter der Bundesregierung beim Beschluss des Aufsichtsrates der DB AG zum Weiterbau von Stuttgart 21. MdB Matthias Gastl, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, hat deswegen nachgehakt. Er schreibt: „Weshalb lässt sich die Bundesregierung (…) so viel Zeit mit ihren Stellungnahmen zu den Prüfungsmitteilungen des Bundesrechnungshofes zur Kostenplausibilität von Teilbereichen des Projektes Stuttgart 21 sowie zum Verhalten der vom Bund gestellten Aufsichtsratsmitglieder (…) und wann wird dieser Vorgang nach Einschätzung der Bundesregierung so weit sein, dass das Parlament über die Prüfungsergebnisse informiert wird?

Am 2.Juni sollte ursprünglich die bereits von Mai verschobene Sitzung des Lenkungskreises zu Stuttgart 21 und der Neubaustrecke mit Sachstandsberichts des Bahnvorstands Volker Kefer stattfinden. Die Stuttgarter Nachrichten (hier) berichteten darüber. Die StN sieht bei Stuttgart 21 und neuerdings auch der Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm „… an mindestens drei Stellen Probleme mit dem Baufortschritt. So fehlt die Genehmigung für den Anschluss des Flughafens an die Schnellfahrstrecke entlang der Autobahn, beim Albvorlandtunnel könnten sich Bauverzögerungen durch die Umsiedlung von Eidechsen einstellen, und in der Stadtmitte hat sich das Betonieren des Tiefbahnhof-Fundaments verzögert. Die Bahn AG nennt als Termin der Inbetriebnahme der neuen Infrastruktur den Dezember 2021. Jedes Jahr Verzögerung würde die Bahn nach früheren Berechnungen etwa 100 Millionen Euro kosten. Bahn-Vorstand Kefer wird erneut die Terminfrage beantworten müssen…“.

Dieses Treffen der Bahn mit den Projektpartnern von Stadt, Land und Region wird nun laut einer Pressemitteilung der DB Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH wegen „terminlichen Problemen bei mehreren Projektpartnern“ erneut verschoben.

Update 29.05.2016: die Stuttgarter Zeitung berichtet morgen in ihrer Printausgabe (hier) in einem lesenswerten Artikel über den „entschwärzten“ Aktenvermerk des Kanzleramtes und schreibt: „…Das Bundeskanzleramt hat massiven Einfluss ausgeübt, damit Stuttgart 21 trotz unklarer Finanzierung milliardenteurer Mehrkosten und drohender Unwirtschaftlichkeit zu Lasten der bundeseigenen Deutschen Bahn AG weitergeführt wird. Das zeigen weitere brisante Vermerke aus der Regierungszentrale, deren Offenlegung der Projektkritiker Eisenhart von Loeper vor dem Berliner Verwaltungsgericht durchgesetzt hat…“.

Update 30.05.2016: Die Rede von Eisenhart von Loeper anlässlich der 323.Montagsdemo finden Sie auf schaeferweltweit.

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