Wir hatten darüber berichtet (hier), dass die Landtagsabgeordnete der Grünen und stellvertretende Landtagspräsidentin Brigitte Lösch sich an das Eisenbahn-Bundesamt gewandt hatte. Anlass waren Anfragen von Anwohnern aus ihrem Wahlkreis wegen der unzumutbaren Lärmbelastungen durch die nächtlichen Rammarbeiten in Untertürkheim. Letzte Woche traf die Antwort des EBAs als E-Mail ein, nach der alles planfestgestellt und nicht zu beanstanden sei.
Dies mag überraschen, da in der Planfeststellung noch von keinen erforderlichen Richtwertüberschreitungen die Rede war. Erst im schalltechnischen Detailgutachten vom Juli 2013 prognostizierte der langjährige Gutachter und „unabhängige“ Immissionsschutzbeauftragte nächtliche Richtwertüberschreitungen von über 27 dB(A), die auch den in der Nacht zulässigen Spitzenpegel von + 20 dB(A) überschreiten. Ohne dass deutlich wurde, warum plötzlich der Lärmpegel für diese Bauarbeiten gegenüber der Planfeststellung so extrem gestiegen ist. Während der Rammarbeiten wurden noch höhere Werte (hier) gemessen. Ein Beteiligung der betroffenen Anwohner in einem ergänzenden Verfahren sowie die Entscheidung über ein adäquates Schutzkonzept bei Emmissionswerten über 100 dB(A) sah das EBA für die betroffenen Anwohner nicht vor. Selbst die Bahnvertreter mussten auf der Bezirksbeiratssitzung vom 19.11.2014 einräumen, dass derzeit überlegt werde, wie man zukünftig bei diesen besonderen Belastungssituationen in Stuttgart reagiere.
Das EBA hingegen sieht keinerlei Handlungsbedarf. Lesen Sie selbst:
Sehr geehrte Frau Lösch,
zu Ihrer Anfrage vom 11.11.2014 kann ich Ihnen die nachfolgenden Informationen geben. Da das Eisenbahn-Bundesamt nicht Bauherrin ist, müssten Sie sich mit konkreten Fragen zum Bauablauf und zu den vorgesehenen Schutzmaßnahmen direkt an die DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH als Vertreterin der Vorhabenträgerin (Bauherrin), wenden.
Der Planfeststellungsbeschluss (PFB) für das Projekt „Stuttgart 21“, Abschnitt 1.6a (Untertürkheim) aus dem Jahr 2007 erteilt der Vorhabenträgerin, also der Bahn, das Baurecht. Einer gesonderten Genehmigung des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA), bestimmte Bauarbeiten aufzunehmen, bedarf es daher nicht. Gegen den Beschluss ist nicht geklagt worden, er ist also bestandskräftig.
Unabhängig davon muss die Bahn natürlich dafür sorgen, dass bei der Bauausführung die gesetzlichen Bestimmungen und auch die Vorgaben aus dem PFB eingehalten werden. Grundlage zum Lärmschutz auf Baustellen der DB Netz AG sind die Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der darauf beruhenden Verordnungen. Ergänzt werden diese durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschimmissionen – vom 19.08.1979 (AVV Baulärm).
Zu beachten ist, dass es sich bei den Richtwerten der AVV Baulärm nicht um verbindliche Grenzwerte handelt. Die Richtwerte dürfen insbesondere dann überschritten werden, wenn der Lärm nicht mit zumutbaren Mitteln vermeidbar ist. Konkrete Anforderungen an Baumaschinen und die Einrichtung der Baustelle, wie sie nach der AVV Baulärm als Minderungsmaßnahmen vorgesehen sind, nennen die Detailgutachten, welche die Bahn gemäß PFB vor Beginn der Bauarbeiten vorlegen muss.
Aktuell:
Das erforderliche schalltechnische Detailgutachten zum Baubetrieb hat die Bahn 2013 vorgelegt. Bei der Ermittlung des voraussichtlichen Baulärms wird dabei abschnittsübergreifend vorgegangen und es werden auch kumulative Effekte berücksichtigt. Für Rammarbeiten für den Bau des Rettungswegs in Untertürkheim weist die Prognose durchaus Richtwertüberschreitungen aus.
Damit überprüfbar wird, ob die Prognosebetrachtungen der Realität entsprechen, muss die Vorhabenträgerin vor Beginn der Bauarbeiten ein Messkonzept erstellen, auch dies wird in den Planfeststellungsbeschlüssen angeordnet. Während der Rammarbeiten für den Bau des Rettungswegs in Untertürkheim wurden dann auch Lärmmessungen durchgeführt; diese liegen dem Schallgutachter vor. Das Ergebnis: Die Prognose zur Lärmbelastung wurde bestätigt.
Gerade für die nächtlichen Rammarbeiten, die ja für Bewohner besonders belastend sind, hatte sich die Bahn einen sehr straffen Zeitplan gesetzt, um die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten; den hat sie nach unseren Informationen eingehalten. Zumindest die nächtlichen Rammarbeiten sind abgeschlossen.
Baulärm – Hilfen für Anwohner:
Im Hinblick auf die anhaltenden Beeinträchtigungen aus Baulärm bestehen übrigens in einzelnen Bereichen Ansprüche auf die Erstattung von Aufwendungen für passiven Schallschutz, etwa durch Einbau von Schallschutzfenstern oder Lüftern hauptsächlich für Schlafräume. Dabei handelt es sich indes nicht um eine Verpflichtung der Vorhabenträgerin, die passiven Schallschutzmaßnahme umzusetzen, d. h. die Fenster, Lüfter o.ä. selbst einzubauen. Vielmehr haben die Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohngrundstücken einen Anspruch darauf, dass die Vorhabenträgerin ihnen die Aufwendungen für die Umsetzungen dieser Maßnahmen erstattet.
Die Planfeststellungsbeschlüsse für das Projekt „Stuttgart 21“ sehen vor, dass die Bahn einen Immissionsschutzbeauftragten benennt, der die durch die Baumaßnahmen hervorgerufenen Emissionen überwacht und Ansprechpartner für die Bürger ist. In diesem Fall hat das Ingenieurbüro Fritz GmbH diese Aufgabe übernommen. Damit Beschwerden zum Baulärm ggf. Tag und Nacht vorgebracht werden können, hat die Vorhabenträgerin zusätzlich das Bauinfocenter als ersten Ansprechpartner eingerichtet. Dort kann im Einzelfall entschieden und jeweils kurzfristig auf die Situation reagiert werden.
Um derartige Konflikte zu lösen ist beispielsweise der nach den Bestimmungen der Planfeststellungsbeschlüsse vorgesehene Arbeitskreis Immissionsschutz eingerichtet worden. Hier treffen sich die Vorhabenträgerin und der Immissionsschutzbeauftragte regelmäßig mit den betroffenen AnwohnerInnen, die etwa von Bürgerinitiativen vertreten werden, sowie den Immissionsschutzbehörden des Landes.
Für Rückfragen stehe ich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Eisenbahn-Bundesamt
Außenstelle Karlsruhe/Stuttgart
GA 59132