StN: Erste Klage gegen Entschädigungen absehbar

Die Stuttgarter Nachrichten berichten heute (hier), dass die Landeswasserversorgung (LWS) voraussichtlich gegen die von der Bahn angebotene Entschädigungshöhe für die Unterfahrung ihres Grundstücks klagen wird. Zwischen dem Entschädigungsangebot der Bahn auf Basis des durchschnittlichen Bodenrichtwertes in Höhe von 30.283 Euro und dem von der Stadt Stuttgart in einem Gutachten ermittelten individuellen Bodenwert des Grundstücks von rund 77.400 Euro klaffen eine deutliche Differenz von 47.000 Euro. Die Verwaltungsräte und Geschäftsführung der LWS können hier sicherlich nicht – auch vor einem möglichen Untreue-Verdacht – die Unterfahrungsrechte unter Wert verkaufen.  Zumal die Bahn in ihrem ersten Entschädigungsangebot an die LWS ursprünglich einen Betrag von 50.000 Euro schriftlich zugesagt hatte. Die Grünen-Stadträtin Gabriele Munk hatte daraufhin im Verwaltungsrat auf die Überprüfung des realen Bodenwerts des Grundstücks gedrängt. Wir berichteten im März, dass dieses Gutachten zur Einzelbewertung durch den beim Stadtmessungsamt angegliederten Gutachterausschuss erstellt worden sei. Mittlerweile müssten die Bahn und die LWS alle Möglichkeiten der Verhandlung beim Regierungspräsidium ausgeschöpft haben.

Die Kluft zwischen der Entschädigungshöhe der Bahn auf Basis des Bodenrichtwerts  und dem höheren individuellen Bodenwerts, die im Falle der LWS über 60% beträgt, wird sicherlich zahlreiche Eigentümer in Stuttgart treffen. Das Ergebnis des Gutachtens der Stadt ist ein deutlicher Hinweis an die von der Untertunnelung betroffener Eigentümer, die von der Bahn angebotene Entschädigung auf Basis des pauschalen Bodenrichtwertes nicht einfach zu akzeptieren, sondern je nach Lage und Bebaubarkeit des Grundstücks eine Einzelbewertung zu fordern. Die Netzwerke 21 hatten daher wiederholt das sogenannte „Stuttgarter Gutachten“ der Bahn kritisiert. Die Bahn sucht, um  in dieser Frage Rechtsklarheit zu erhalten, einen Kläger gegen sich selbst.

Mit der sehr knappen Unterfahrung des Bürogebäudes durch die schmale Rettungszufahrt hatte sich das Gebäude nach Angaben der StN um bis zu 17,5 mm gesetzt. Die in der Informationsveranstaltung im April von Prof. Wittke präsentierten Zahlen für die Schützenstraße 4 beliefen sich damals noch auf 13,4 mm. Anscheinend hat sich das Gebäude nach Abschluss der Vortriebsarbeiten noch einmal um ein paar Millimeter abgesenkt. Nach Angaben der LWS würden die Reperaturarbeiten jetzt mit der Bahn besprochen.  Während der Vortriebsphase räumte die Bahn der LWS – so die STN –  im Gegensatz zu allen anderen betroffenen Eigentümern die Beweislastumkehr ein. Die LWS musste hier nicht der Bahn oder den Baufirmen eine grobe Fahrlässigkeit oder ein Verschulden nachweisen. Die LWS begleitete die Vortriebsarbeiten allerdings mit einem eigenen Messtrupp, der jede Setzung genau festhielt. Fraglich ist, wie mit Schäden durch Setzungen umgegangen wird, die ggf. im Nachgang noch auftreten könnten.

Die Ermittlung der Entschädigungshöhe und die Haftungsfrage war Thema an der Informationsveranstaltung der Netzwerke „Der Tunnel unter meinem Haus“ am 17.Januar 2014 im Rathaus. Die Videos zu den Vorträgen und Fragerunden können sie hier abrufen.

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