Durch das Veto der GRÜNEN-Stadträtin Gabriele Munk im Verwaltungsrat der Landes-wasserversorgung wird jetzt erstmals öffentlich das sogenannte „Stuttgarter Gutachten“ der Bahn zur Bewertung der vom Tunnelbau bei Stuttgart 21 unterfahrenen Grundstücke überprüft. Die Landeswasserversorgung ist ihrem Antrag gefolgt und lässt jetzt den Bodenwert ihres Verwaltungsgebäudes durch das Stadtmessungsamt ermitteln. Die Netzwerke begrüßen ausdrücklich diesen Schritt, da sie die Bewertungsansätze des Bahngutachtens aus folgenden Gründen schon seit längerem kritisiert hatten:
- Das von der Fa. DIA Consulting AG in Freiburg für die DB erstellte Gutachten, nach dem die Entschädigungen ermittelt werden, die den Angeboten der DB zu Grunde liegen, geht von pauschalen Bodenrichtwerten und nicht von individuellen Bodenwerten der Grundstücke aus. Es ignoriert so – wohl aus Kostenersparnisgründen – die wegen der speziellen Stuttgarter Topographie und konkreten Bebauungen deutlich höheren realen Werte vieler Grundstücke.
- Diese niedrige Entschädigungsgrundlage ist nach Ansicht der Netzwerke unzulässig. Das ist der DB wohl auch bewusst. Allein das darin bestehende Kostenrisiko aus der Bewertung der Grundstücke für die Planfeststellungsabschnitte 1.2. und 1.6 wurde in einer internen Präsentation der DB Projektbau GmbH v. 25.3.2011, den sog. „121 Chancen und Risiken“, mit 21,9 Mio. Euro und einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 49% beziffert.
- Die weiteren in dem Gutachten vorgesehenen erheblichen, als „Anpassungen“ bezeichneten Abschläge sind weder durch die Rechtsprechung noch durch eine nachgewiesene Praxis fundiert.
- Ferner lässt dieses Gutachten den Gebäudewert unberücksichtigt. Das ist ebenso wenig akzeptabel wie der Ansatz für die Dienstbarkeitsflächen, welcher die zu beiden Seiten der Tunnelflächen noch beanspruchten Schutzstreifen unberücksichtigt lässt.
- Wegen der geologischen Risiken für die Gebäudesicherheit (wie z.B. Anhydrith, Grundwassermanagement) wird der Beleihungswert betroffener Grundstücke und Häuser mittlerweile von den Stuttgarter Banken mit einem deutlichen Abschlag angesetzt. Die ersten Entschädigungsangebote der von der DB AG beauftragten LBBW Landsiedlung GmbH berücksichtigen jedoch nur einen Bruchteil des tatsächlichen Vermögensverlustes.
- Weitere Informationen finden Sie in der Stellungnahme der Juristen zu Stuttgart 21 zum Gestattungsvertrag der Bahn ab Seite 8 ff.
Allen von der Unterfahrung betroffenen Eigentümern wird dringend geraten, die von der Bahn auf dieser Berechnungsgrundlage angebotene Entschädigungssumme nicht zu akzeptieren. Auch „Haus und Grund“ sucht Immobilienbesitzer, die bereit sind, gegen diese gerichtlich vorzugehen. Nach einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten ist auch die Stadt Stuttgart mit der Bahn bei der Bewertung und den Unterfahrungsrechten sich nicht einig.
Lesen Sie hier dazu Berichte und Kommentare der beiden Stuttgarter Zeitungen:
27.11.2013 / Stuttgarter Nachrichten / Stadt mit Bahn bei Entschädigung nicht einig
26.11.2013 / Stuttgarter Nachrichten / Bahn muss mit Klagen gegen Entschädigungen rechnen
26.11.2013 / Stuttgarter Zeitung / Der Tunnelvortrieb in der Innenstadt ruht
Streit mit Eigentümer stoppt Tunnelarbeiten / Die Bahn zeigt, was sie nicht kann