Letzten Montag trafen sich wieder Vertreter von Bahn, Land, Stadt und Region wieder zum Stuttgart 21-Lenkungskreis. In den Presseberichten standen die Verspätungen beim Bau der Filder-Abschnitte und Überlegungen zur Ausstattung des neuen Stuttgarter Bahnknotens mit ETCS im Mittelpunkt. Dennoch lohnt es sich wieder einen Blick in die auf der Webseite der Projektgesellschaft veröffentlichte Lenkungskreisunterlage vom 5.11.2018 zu werfen, da hier Infos zum Zeitplan und zum Baufortschritt in den einzelnen S21-Abschnitten zu finden sind:
1. Zeitplan Stuttgart 21
Gegenüber der letzten Lenkungskreisunterlage gab es beim Zeitplan keine größeren Verschiebungen. Aus der Übersicht ist erkennbar, wann jeweils der Rohbau (hellgrau) fertiggestellt sein soll und wann der Ausbau mit der Bahntechnik (dunkelgrau) starten soll:
Der rote Pfeil markiert den kritischen Pfad für den Inbetriebnahmetermin von Stuttgart 21. Weiterhin werden nicht die noch nicht planfestgestellten Abschnitte auf den Fildern oder der Abstellbahnhof Untertürkheim als kritisch eingeschätzt, sondern der vom Baufortschritt des Feuerbacher Tunnels abhängige Ausbau der Bahnsteighalle des „Tiefbahnhofs“. Dieser kann erst starten, wenn beim Feuerbacher Tunnel die Arbeiten der Innenverschalung abgeschlossen sind und der Einbau der Bahntechnik bereits einige Zeit am Laufen ist. Die Materialanlieferung für den Technikausbau des „Tiefbahnhofs“ soll über den Feuerbacher Tunnel erfolgen. Schließlich habe der „Tiefbahnhof“ – so S21-Chef Manfred Leger – kein „Schiebedach“ (StN). Der Start und Fortgang des Innenausbaus des Feuerbacher Tunnels hängt jedoch maßgeblich von der Realisierung der Injektionen in das umliegende Gebirgé und dem Verhalten des quellfähigen Gesteins entlang der drei kritischen, tiefliegenden Anhydritlinsen ab.
Nicht vom Baufortschritt des Feuerbacher Tunnels abhängig ist laut der Folie der bahntechnische Ausbau des Nordkopfs (geplanter Start 3.Quartal 2020) und des Südkopfs (geplanter Start 4.Quartal 2021). Interessant sind auch Detailbetrachtungen zu den Terminen (Teil 1 / Teil 2).
Die Lenkungskreispräsentation enthält jedoch nicht mehr wie in den Vorjahren die Auflistung der eingereichten Planänderungsverfahren, die sich auf den Zeitplan auswirken könnten.
2. Baufortschritt Stuttgart 21
Aktuell sind 72 %, d.h. 42,3 der insgesamt 58,8 Tunnelkilometer für Stuttgart 21 vorgetrieben. Den Stand der einzelnen Tunnel zum 5.11.2018 zeigt unsere Übersicht, die wir regelmäßig auf Basis der von der Projektgesellschaft veröffentlichten Vortriebszahlen zusammenstellen:
Die nachfolgende, erstmals in der Lenkungskreisunterlage enthaltene Übersicht zum Baufortschritt der Rohbauten zeigt deutlich, dass der Vortrieb der Tunnel nur einen Teil davon ausmacht. So ist beispielsweise der Tunnel Richtung Ober-/Untertürkheim über 80% vorgetrieben. Doch nach der folgenden Lenkungskreisübersicht sind erst 33% des Leistungsstandes erreicht, da die Innenverschalung noch fehlt:
Allerdings weisen die Lenkungskreisfolien zum Baufortschritt keinen aktuellen, sondern noch einen Baufortschritt vom 2.Quartal 2018 (Ende Juni) aus. Möglicherweise weil zumindest die Vortriebsleistung im 3.Quartal deutlich unter den Vorgängerzahlen lag. (Vortrieb 2. Quartal ca. 2.300 m / 3. Quartal: ca. 850 m).
3. Baufortschritt in einzelnen Abschnitten
a) PFA 1.1. -Stuttgarter Hauptbahnhof
Nach der oberen Folie liegt der Leistungsstand beim Rohbau nach mehr als 4 Jahren Bauzeit rund um den „Tiefbahnhof“ bei 19% und damit deutlich unter dem der Tunnelbauten. Für eine Fertigstellung des Rohbaus in viereinhalb Jahren müssen noch 80% in diesem Zeitraum realisiert werden. Die folgende Folie aus der Lenkungskreisunterlage gliedert diesen Stand noch einmal auf. Zum 2.Quartal war noch keine Kelchstütze gegossen:
Sehr plastisch ist der unten ergänzte Querschnitt mit der schematischen Darstellung aller Baugruben zwischen dem Nordkopf ab Baufeld 1 neben dem Tunnelportal Nord bis zum Südkopf bis Baufeld 25 an der Sängerstraße.
Überraschend ist die Information in der Detailbetrachtung (Teil 1 ), dass mit einer konkreten Zeitplanung für den Bau der Kelchstützen erst im 1.Quartal 2019 zu rechnen sei. In einer StN-Meldung vom August 2018 zur „Halbzeit“ (hier) war noch davon die Rede, dass dieses Jahr zwei der achtundzwanzig Kelchstützen, 2019 fünf und 2020 neun hergestellt werden sollen.
b) Fildertunnel
- Der Rohbau des Fildertunnels einschließlich Innenverschalung soll laut Folie Ende 2020 abgeschlossen sein.
Folgendes ist noch ergänzen:
- Auch bei dieser Folie wurde den Teilnehmern des Lenkungskreises ein Vortriebsstand von Mitte Juni 2018 präsentiert. Zum 5.11. sind 78% der Tunnelstrecke vorgetrieben. Wegen des maschinellen Vortriebs dürften aktuell ca. 59% der Strecke innenverschalt sein.
- Ende Oktober ist die Tunnelvortriebsmaschine von der Wendekaverne aus ihre 4.Schildfahrt Richtung Degerloch gestartet. Bisher ist sie insgesamt 12 Meter vorangekommen.
- Nicht erwähnt wird, dass die 4.Schildfahrt Richtung Degerloch wieder durch den quellfähigen Anhydrit verläuft. Die Tunnelbausachverständigen der Bahn rechnen jedoch wegen den über dem Gipskeuper liegenden wasserabdichtenden Schichten des Schilfstandsteins nicht mit wasserdurchlässigen vertikalen Durchlässigkeiten und ggf. Störungen.
- Wegen des kritischen weichen Gesteins und des großen Querschnitts (jeweils zwei Gleise) sieht die Bahn Hebungsinjektionen für den Anfahrbereich Süd unter dem Kernerviertel vor. Die Hebungsinjektionen sind im 2.Quartal vom Schacht 2 an der Sängerstraße gestartet. Derzeit laufen sie vom Schacht 3 an der Urbanstraße aus.
- Der Vortrieb des Anfahrbereichs soll vom Verzweigungsbauwerk unter der Jugendherberge aus starten. Laut Auskunft eines betroffenen Eigentümers sollen die ersten Häuser in der Kernerstraße Ende Dezember bzw. Anfang des Jahres unterfahren werden. Ihm wurde auch seitens der Bahn angekündigt, dass wegen dem durch die Betoninjektionen verhärteten Untergrund auch ein Meißelvortrieb zum Einsatz kommen kann.
- Wegen der schwierigen Geologie unter dem Kernerviertel sind die Arbeiten für den nur 300 Metern langen Abschnitt auf zwei Jahre angesetzt. Laut letzter Infoveranstaltung ist pro Tag ein maximaler Vortrieb von 35 bis 40 cm geplant.
c) Bad Cannstatter Tunnel
- Laut dem aktuellen Zeitplan ist die Fertigstellung der Rohbauarbeiten des Bad Cannstatter Tunnels einschließlich der Innenverschalung von Ende Dezember 2021 auf Anfang 2022 verschoben worden.
- Die beiden eingleisigen Bahnröhren sind vorgetrieben. Weiterhin erfolgen in den beiden Tunnelröhren Injektionsarbeiten zum Schutz vor eindringendes Wasser:
Folgendes ist noch zu ergänzen:
- Aktuell läuft der Vortrieb des zweigleisigen Abschnitts Richtung dem Rosensteinportal am Neckarhang, der jedoch nicht auf der Folie abgebildet ist. Dieser Vortrieb ist seit dem 2.Quartal (Ende Juni) insgesamt 54 Meter vorangekommen.
- Die angegebenen 16% Innenverschalung basieren hauptsächlich auf der Verschalung der Tunnelstrecke zwischen dem Zwischenangriff Nord und der Ehmannstraße. Laut einer Anwohnerinformation sind jedoch auch die Verschalungsarbeiten der Röhren zwischen der Birkenwaldstraße und der Mönchshalde angelaufen.
- Ebenfalls informierte die Bahn Anwohner am Kriegsberg, dass unter ihren Wohnhäusern noch ein zusätzliches Verbindungsbauwerk hergestellt werden soll. Das Netzwerk Killesberg hakt dazu aktuell bei der Projektgesellschaft nach.
s) Feuerbacher Tunnel
- Der Abschluss der Rohbauarbeiten einschließlich Innenverschalung beim Feuerbacher Tunnel ist für Ende 2021 vorgesehen.
- Die Innenverschalung ist laut dieser Folie noch nicht angelaufen.
- Zu den Anhydrit-Linsen im PFA 1.5. und den Injektionen findet man folgende Folie in der Lenkungskreisunterlage:
Folgendes ist noch zu ergänzen:
- Mit dem Mitte Juli erfolgten zweiten Durchschlag (hier) war für die Anwohner des Zwischenangriffs Prag die Hoffnung verbunden, dass die laute und vibrierende Tunnelbelüftung einen deutlichen Schritt weiter heruntergefahren werden kann. Dies ist jedoch nach Rückmeldungen aus dem Wartberg nicht der Fall. Die Belastung sei gleich geblieben.
- Zur Fertigstellung des Tunnelvortriebs fehlen noch Richtung Feuerbacher Bahnhof rund 250 Meter, die laut StZ erst 2019 realisiert werden sollen.
- Die StZ berichtete Ende Mai über Unterbrechungen beim Vortrieb des Feuerbacher Tunnels und der Kritik der Baufirma an der Nachhaltigkeit der Abdichtungsarbeiten mittels Injektionen.
e) Obertürkheimer Tunnel
- Nach dem aktuellen Zeitplan sollen die Rohbauarbeiten des Obertürkheimer Tunnels einschließlich der Bestandsanbindung Ende 2021 abgeschlossen sein.
Folgendes ist noch zu ergänzen:
- Auch hier informiert die Bahn ihre Projektpartner im November über einen Vortriebsstand von Ende Juni 2018. Aktuell ist der Obertürkheimer Tunnel einschließlich der Tunnelröhren Richtung Untertürkheim rund 85% vorgetrieben.
- Laut Folie laufen die beiden Vortriebe Richtung Obertürkheim „im Schutz umfangreicher Abdichtungsarbeiten der Auslaugungsfront“. Doch die wöchentlichen Vortriebszahlen zeigen auf, dass die beiden Vortriebe wegen eines erneuten Wassereinbruchs weiterhin stocken. Gesucht wird ein tragfähiges Vortriebskonzept.