Die Fraktion der GRÜNEN im Gemeinderat hatte noch kurz vor der Wahl eine Anfrage mit dem Titel „Keine Bohrungen im Gipskeuper – Neue Erkenntnisse aus dem Landkreis Böblingen“ gestellt (hier) . In diesem Antrag weisen sie darauf hin, dass der Landkreis Böblingen nach der Begutachtung von Geothermiebohrungen, die zu Hebungen und schweren Gebäudeschäden führte, keine weiteren Bohrungen in Zonen mit anhydrit-haltigen Gestein genehmigen will. Mit dem Blick auf die Tunnelbohrungen bei Stuttgart 21, in dem auch der quellfähige Gipskeuper durchfahren werden soll, beantragen sie, dass die Stadtverwaltung hier die Erkenntnisse aus Böblingen einzieht, bewertet und im Ausschuss für Umwelt und Technik vorstellt.
Allein im Kreis Böblingen ist es in drei Gebieten – wie auch in Leonberg und Rudersberg – nach Geothermiebohrungen zu schweren Gebäudeschäden gekommen. Die Bohrungen in Böblingen werden derzeit überprüft. Die Experten sind auf Auffälligkeiten gest0ßen. Das Landratsamt Böblingen hat nach dem Bericht der StZ eine Karte über die Gebiete veröffentlicht, in denen Geothermiebohrungen nicht mehr zugelassen werden. Dies ist auf die neuen Leitlinien des Umweltministeriums für Geothermiebohrungen zurückzuführen. Allerdings hatte das Landesamt für Geologie bereits vor Jahren nach den massiven Schäden von Staufen die Bohrungen in Anhydrit eingeschränkt.
Die von den Tunnelbauten bei Stuttgart 21 betroffenen Wohnungseigentümer haben seit Jahren eingewandt, dass sie wegen des Vorkommens des quellfähigen Anhydritgesteins ein hohes Risiko tragen müssen. Ist der Quellprozess mit dem enormen Druck einmal in Gang gekommen, lässt er sich nicht mehr stoppen. Dieses Phänomen hat im Umkreis von Stuttgart immer wieder zu Schwierigkeiten und Mehrkosten bei Bauprojekten, wie z.B. bei der ursprünglich geplanten zweiten Röhres des Wagenburgtunnels oder beim Engelberg-tunnel, geführt. Die Bahn hatte in den Planfeststellungsverfahren und in der Schlichtung jedoch die Anhydritrisiken als absolut abgesichert und beherrschbar abgewiesen. Materialien aus der 6.Schlichtung zu Stuttgart 21 vom 20.11.2010 finden sie hier: Videos / Wortprotokoll / Folien zu den Georisiken beim Tunnelbau von Dr. Jakob Sierig / Folien zu den Risiken und Lösungen beim Tunnelbau von S 21 von Prof. Dr. Wittke / Rede von Dr. Sierig auf der 65. Montagsdemo
Ob deshalb das Umweltamt der Stadt dieses Risiko mit dem Blick auf die schweren Ge- bäudeschäden bei Geothermiebohrungen anders bewerten wird, ist sehr unwahrschein- lich.
Zuletzt hatten die Netzwerke bei der Erörterung der Planänderung Grundwassermanage- ment, in der die Bahn ein geotechnischen Gutachten zur Gebäudesicherheit nachreichen musste, auf das unkalkulierbare Risiko des quellfähigen Anhydrits hingewiesen und sich in einem Brief an den Regierungspräsidenten gewandt (hier). Entgegen den offiziellen Aussagen rechnet jedoch die Bahn intern mit einer 49%igen Eintrittswahrscheinlichkeit, dass durch die Bauarbeiten in diesem schwierigen Gestein Probleme eintreten werden (hier). Auch wurden in der Erörterung zum Grundwassermanagement von der Bahn geologische Querschnitte von der Tunnelstrecke unterhalb des Killesberges Richtung Feuerbach präsentiert, die deutlich mehr Anhydritvorkommen enthielten, obwohl seit der Planfeststellung keine weiteren Erkundungsbohrungen stattfanden. Der von den Netzwer- ken 21 beauftragte Geologe, Dr.Hermann Behmel, wies in seiner Stellungnahme vom 23.06.2013 daraufhin, dass beim Tunnelvortrieb unterhalb des Killesberges neue Wasser-wegsamkeiten im Gestein entstehen können. Der Wasserzutritt aus dem Gipskarst in den Anhydrit ließe sich seines Erachtens kaum vermeiden.
Dass der Tunnelbau durch das quellfähige Anhydritgestein besonderen Bedingungen unterliegt, darauf hatte auch das Landesamt für Rohstoffe, Bergbau und Geologie in seiner 2.Stellungnahme zur Planänderung Grundwassermanagement hingewiesen. Da der Tunnelvortrieb ohne jeden Kontakt mit Wasser durchgeführt werden muss, wiesen sie auf die zu lösenden Probleme beim Arbeitsschutz (Staubentwicklung) und bei der Löschung von Bränden während des Baus hin. In der Erörterung hat die Bahn diese kritischen Fragen nicht beantwortet. Doch statt hier nachzuhaken und von der Bahn dazu ein Konzept einzufordern, listete das Regierungspräsidium (RP) dies in seinem Anhörungs-bericht (S.105) an das Eisenbahn-Bundesamt lediglich auf. Dies ist leider symptomatisch dafür, dass auch alle Einwände der Anwohner in dem Anhörungsbericht des RP als nicht relevant eingestuft wurden.