Pressemitteilung: Die Netzwerke der von Stuttgart 21 betroffenen Eigentümer haben sich in einem offenen Brief an den Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl (lesen Sie hier) gewandt. Sie fordern, dass bei der Fortsetzung der Erörterung zum Grundwasser-management zwingend die offenen Fragen zur Standsicherheit ihrer Häuser mit der gebotenen Gründlichkeit behandelt werden, anders könne Transparenz nicht hergestellt werden. Öffentlich geklärt werden muss auch die Frage, warum ausgerechnet der Abschnitt formal aus der Planänderung zum Grundwassermanagment ausgeklammert wurde, der das Kernerviertel betrifft.
Nach der Presseerklärung des Regierungspräsidiums sollen am 12.Dezember 2013 lediglich die Themen Lärm, Erschütterungen und verkehrliche Belange behandelt werden. Dabei sind noch immer 35 Fragen zur Gebäudesicherheit, die die Eigentümer unmittelbar nach der abgebrochenen Erörterung dem Regierungspräsidium vorgelegt hatten, nicht beantwortet und jetzt auch nicht mehr Teil der Tagungsordnung sind. Die Behandlung der Gebäuderisiken in der Erörterung ist aus Sicht der Netzwerke zwingend erforderlich, zumal im Oktober 2013 erstmals die vollständige bahninterne Risiken-Liste aus dem Jahr 2011 im Internet veröffentlicht wurde. Diese enthält Baurisiken mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 49%, Risiken, auf die die Betroffenen in ihren Einwendungen immer wieder hingewiesen hatten, die aber von der Bahn stets abgestritten wurden.
„Die Bahn rechnet intern zu 49% damit, dass die Gebäudeanhebungen im unteren Teil des Kernerviertels, an der Sänger- und Urbanstraße, nicht funktionieren und dabei Gebäudeschäden eintreten. Dennoch erhielten noch vor wenigen Tagen betroffene Eigentümer auf der Informationsveranstaltung im Rathaus von einem Rechtsanwalt der Bahn die Auskunft, dass dies ein vielfach erprobtes Verfahren sei. Im Falle eines Gebäudeschadens müsse der Eigentümer nachweisen, dass die Bahn oder die Baufirma tatsächlich ein Verschulden trifft“ so Frank Schweizer, Sprecher des Netzwerks Kernerviertel „Es kann nicht angehen, dass die Bahn in diesem weichen Gestein riskante bautechnische Verfahren wählt und das Risiko einer Haftung und damit den „schwarzen Peter“ den betroffenen Eigentümern zuschiebt.“
Die Bahn hatte in den Planfeststellungsverfahren alle Einwendungen von betroffenen Eigentümern zu den Anhydrit-Risiken als absolut abgesichert und beherrschbar abgewiesen. Dabei wird jetzt bekannt, dass die Bahn dabei intern zu fast 50% mit Baurisiken -insbesondere durch den Kontakt mit Wasser- rechnet. Die Baugenehmigung erhielt die Bahn zur Planfeststellung 2005 mit geologischen Längsschnitten zwischen Hbf und Feuerbach, in dem nur einige kleine quellfähige Anhydrit-Blasen im Bereich des Tunnels ausgewiesen und mit dem Hinweis „vermutet“ versehen waren. Bei der Erörter- ung zur Planänderung Grundwassermanagement im September wurde jedoch von Prof. Wittke ein neuer geologischen Längsschnitt für den Tunnel nach Feuerbach präsentiert (abgebildet auch in der StZ vom 14.09.13), der eine Anhydrit-Blase am Wartberg, eine am Kriegsberg und eine große zusammenhängende Blase vom Bereich Birkendörfle/ Mönchhalde bis zum Augustinum aufzeigt. Bodenuntersuchungen wurden jedoch nur 2002 im Vorfeld der Planfeststellung gemacht, danach gab es weder Bohrungen noch Messungen durch Schallreflexionen.
„Die Bahn kann sich hier nicht mit Erkenntniszugewinnen herausreden.“ so Rudolf Röder, Vorstand des Netzwerk Killesberg e.V. „Unsere Folgerung daraus: zur Planfeststellung 2005 wurde mit geschönten Längsschnitten gearbeitet, um möglichst wenig Einsprüche zu riskieren bzw. um einen möglichst unanfechtbaren Ablauf des Genehmigungsverfahrens zu erreichen. Eine Genehmigung ohne eine plausible Klärung dieses Sachverhalts kann aber im Interesse der Bürger in den betroffenen Gebieten nicht hingenommen werden. Bei den zum Teil verklausulierten und unvollständigen Planfest-stellungs- und Erörterungsunterlagen der DB AG fällt einer ausführlichen und stringenten Erörterung die entscheidend wichtige Aufgabe zu, die berechtigte Unsicher- heit der Bürger zu klären, ernst zu nehmen und ihren teils existentiellen Anliegen gegenüber der DB AG zu ihrem Recht zu verhelfen. Einen Verweis auf den Rechtsweg halten wir für eine Bankrotterklärung.“
Am 15.03 2013 hat der renommierte Geologe Dr. Behmel in einem öffentlichen Vortrag darauf hingewiesen, dass die geologischen Verhältnisse in Stuttgart sehr unterschiedlich und von daher die schematischen Beweissicherungszonen unzulässig sind. So zeichnet sich das Neckartal durch einen nicht bindigen Untergrund aus, der bei der Erstellung der Beweissicherungsgrenzen zu berücksichtigen ist.
„Die Notwendigkeit einer ausführlichen zeitintensiven Erörterung wird an dem aktuellen Schadensfall in der Gaggenauer Straße in Stuttgart-Untertürkheim (Bau der Rettungs-zufahrt/PFA 1.6a) deutlich.“ so Barbara Weber, Sprecherin des Netzwerks Wangen/ Untertürkheim „ Jeder einzelne Bauabschnitt bedarf einer geologischen Darstellung und muss erörtert werden. Dies in einem Tag abzuhandeln ist nicht möglich!“
Besonders ärgerlich ist für das Netzwerk Wangen/Untertürkheim, dass zentrale Fragestellungen von Prof. Wittke zu dem Bauabschnitt „westliches Neckarufer“ (PFA 1.6a) am Mittwoch (11.09.2013) innerhalb der Erörterung nicht beantwortet wurden. Es war Herrn Prof. Wittke nicht einmal möglich diesen Bauabschnitt auf der Folie zu lokalisieren. Die Zusicherung, die Fragen schriftlich zu beantworten, wurde bis heute (zwei Monate nach der Erörterung) nicht eingelöst.
Angesichts dieser neuen Erkenntnisse ist aus Sicht der Netzwerke eine Erörterung, in der auch die Risiken für die Gebäudesicherheit „auf den Tisch kommen“, unabdingbar, dazu ist mehr als ein Tag erforderlich.
Update: Die Stuttgarter Zeitung berichtet heute in Ihrem Lokalteil darüber. Lesen Sie hier.