Vor nicht einmal einer Woche betonte der scheidende Bahnvorstand Volker Kefer auf dem Lenkungskreis die Einhaltung des Kostenrahmens für Stuttgart 21, ohne jedoch konkrete Gegensteuerungsmaßnahmen für die drohenden neu identifizierten Risiken von 623 Millionen Euro und den zu erwartenden Zeitverzug von 2 Jahren zu präsentieren. Kefer betonte, dass ein Abbruch des Projekts nicht in Frage kommt. Stadt und Land als Projektpartner kritisierten erneut den Vertrauensbruch der Bahn und die Informationspolitik, boten jedoch Unterstützung bei Gegensteuerungsmaßnahmen an. In drei Jahren sei eine erneute Überprüfung der Risiken geplant. Die beiden Stuttgarter Zeitungen (StZ 1 / StZ 2 / StN) und der SWR (SWR 1/ SWR 2) berichteten über den Lenkungskreis. Die Videos der Pressekonferenz finden Sie hier. Das Aktionsbündnis kommentiert das „magere Ergebnis des Lenkungskreises“.
Jetzt berichtet die Stuttgarter Zeitung (hier), dass der Bundesrechnungshof (BRH) intern davon ausgeht, dass Stuttgart 21 am Ende bis zu 10 Milliarden Euro kosten könnte. Dies würde eine vorläufige Prüfungsmitteilung enthalten, die der BRH der Bunderegierung vorgelegt habe. Die Stellungnahme des Verkehrsministeriums müsse noch eingearbeitet werden. Der BRH liegt damit gleichauf mit der Kostenschätzung der Münchner Verkehrsberater Vieregg- Rössler, die im Dezember 2015 ein vom Aktionsbündnis beauftragtes Gutachten erstellt hatten.
Ob die 10 Milliarden sich danach noch in dem endgültigen Bericht des BRH wiederfinden, ist unklar. Die StZ schreibt: „Der Rechnungshof ist auch wegen der Einsicht in Konzern- und Ministeriumsdokumente zur Verschwiegenheit verpflichtet. In informierten Parlamentskreisen wurde unserer Redaktion ausdrücklich bestätigt, dass die Prüfer nach eigenen Aussagen nunmehr Gesamtkosten von zehn Milliarden Euro für S 21 als realistisch betrachten.“
Über die erschwerten Prüfungsbedingungen und den eingeschränkten Zugang zu Daten, die der Bundesrechnungshof bei der Prüfung von Stuttgart 21 in Kauf nehmen musste, hatten wir bereits berichtet. Dennoch wird sich der Bundesrechnungshof ein deutlich realistischeres Bild über die Kostenentwicklung von Stuttgart 21 machen als die erneut vom Aufsichtsrat beauftragten Wirtschaftsprüfer. Zu oft in der Geschichte des Projekts wurden von Wirtschaftsprüfern die Plausibilität über die Einhaltung des Kostenrahmens auf Basis der bahneigenen Berechnungen bestätigt. Man erinnere sich nur an die Schlichtung, in der der damalige Kostenrahmen von 4,5 Milliarden testiert wurde. Mehr dazu finden Sie in unserem Beitrag „DB-Aufsichtsrat gibt Gutachten zur Kosten- und Terminsituation bei Stuttgart 21 in Auftrag. Doch wie belastbar sind die Zahlen?„.
Eine erneute Erhöhung der Projektkosten für Stuttgart 21 könnten auch schon in naher Zukunft eingeräumt werden. Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau wird bahnintern damit gerechnet, dass durch den Weggang des Bahnmangers Volker Kefer von höheren Kosten und einer späteren Fertigstellung für Stuttgart 21 auszugehen sei. Allein schon, weil sein Nachfolger die Risiken bei Stuttgart 21 auch zu seinem eigenen Schutz neu bewerten wird.
Das Aktionsbündnis für Stuttgart 21 reagierte auf den StZ-Bericht zum Rechnunghofbericht mit der Pressemitteilung „Nach Warnungen des Bundesrechnungshofes: Das Maß ist voll!“ und fordert einen sofortigen Bau- und Vergabestopp bei Stuttgart 21.
Update 06.07.2016: Die DB Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH weist die Berichte des Bundesrechnungshofes in einer Pressemitteilung zurück.
Presseberichte: StN: Bodenlos / StZ: Klarheit ist gefragt / StZ: OB fordert Entscheidung des Bundes / StZ: Rechnungshof prüft Geldfluss für S 21 / SWR: Schluss mit dem Gewurschtel / SWR: Bahn dementiert Kostenexplosion bei S21 / SWR: „Die Kosten müssen Bahn und Bund tragen“ / SWR: Chronologie der Kostenexplosion /Spiegel: Bundesrechnungshof: Stuttgart 21 könnte 50 Prozent teurer werden als zuletzt geplant / TAZ: Alle verstehen nur Bahnhof / ZVW: Stuttgart 21: Aussteigen oder weiterbauen?