Wir haben vor kurzem darüber berichtet (hier), dass sich das Netzwerk Kernerviertel in einem Schreiben (hier) an Peter Sturm, Vorstand der Projektbau Stuttgart-Ulm GmbH, gewandt hatte. Aus Sicht des Netzwerks sind weiterhin die Anwohner des Kernerviertels nur unzureichend vor dem zu erwartenden jahrelangen Baulärm geschützt. Jetzt traf gestern, kurz vor der Informationsveranstaltung im Rathaus ein umfangreiches Antwortschreiben ein. Lesen Sie hier. Die Bahn ist in einigen Punkten auf die Forderungen des Netzwerks einen Schritt zugegangen:
- Aktualisierung der Lärmplanung: Das zuletzt im Dezember auf die Kritik des Netzwerks Kernerviertel erstellte schalltechnische Detailgutachten für die Bauarbeiten rund um den Hauptbahnhof und im Kernerviertel soll „weiter fortgeschrieben“ werden. Anstatt der bisher grob abgeschätzten Werte kündigte die Bahn eine differenzierte Einbeziehung des Lärms der SSB- Umbaumaßnahmen zur Verlegung der Haltestelle Staatsgalerie und des Nesenbachdükers auf Basis der aktuellen Ausführungsplanung an. Das Netzwerk hatte seit langem darauf hingewiesen, dass nach den Auflagen der Planfeststellung die Lärmplanung auf Basis einer umfassenden Ausführungsplanung erstellt werden muss. Die Bahn liefert eine umfassende Lärmplanung jedoch mit dem Hinweis auf „Fortschreibung“ nur scheibchenweise ab. Passive Schallschutzmaßnahmen bzw. Schallschutzfenster, die auf den unzureichenden vorherigen Lärmprognosen ausgelegt waren, können dabei schon zu niedrig dimensioniert sein.
- Fehlende Detailberechnung: Die Bahn zieht zumindest bei der Fortschreibung des Detailgutachtens eine Veröffentlichung einer Detailberechnung für einen Immissionspunkt im Kernerviertel „in Erwägung“. Im aktuellen Gutachten können die für das Kernerviertel ermittelten Lärmprognosen mangels fehlendem Zahlenwerk nicht im Detail nachvollzogen werden.
- Fehlende Schallausbreitungskarten: Die Argumentation der Bahn ist zwar nicht nachvollziehbar, aber das nächste schalltechnische Detailgutachten soll wieder eine Schallausbreitungskarte des Kernerviertels enthalten. In dieser wären dann die errechneten Lärmpegel nicht nur für die wenigen ausgewählten Immissionspunkte bzw. Gebäude, sondern für den gesamte Viertel als Schaubild grob ablesbar.
- Aktive Schallschutzmaßnahmen für das Kernerviertel: Die Bahn will jetzt die Forderung des Netzwerks nach aktiven Schallschutzmaßnahmen, wie z.B. mobile Schallschutzwände, für das Baufeld 25 entlang der Sängerstraße prüfen. Bislang hatte der langjährige Gutachter, der zugleich als Immissionschutzbeauftragter fungiert, einen Einsatz von aktiven Schallschutzmaßnahmen beim Trogbau als nicht realisierbar eingeschätzt.
- Veröffentlichung der Gutachten zum passivem Schallschutz: Bislang sind die Gutachten zum passivem Schallschutz, aus denen sowohl das zugrundegelgte Lärmszenario als auch der Anspruch für die Gebäude/Fassaden für das Kernerviertel erkennbar sind, unter Verschluss. Jetzt will die Bahn zumindest „Auszüge“ veröffentlichen. Abzuwarten bleibt, welche Informationen diese enthalten.
- Messkonzepte Schall: Der Immissionsschutzbeauftragte wird – entgegen der anderslautenden Formulierung im Messkonzept für den Trogbau auf S.12 – eine Mittelung der Messwerte einschließlich des Sams- und Sonntages nicht vornehmen.
- Veröffentlichung Messberichte: Entgegen ihrer Zusage hat die Bahn auf ihrer Internetseite seit Mitte November, als die SSB-Tiefbauarbeiten starteten, keinen einzigen Messbericht für das Kernerviertel veröffentlicht. Die Bahn sagt jetzt eine Veröffentlichung der zwischenzeitlich erfolgten Berichte zu.
Allerdings sind folgende Kritikpunkte des Netzwerks Kernerviertel weiterhin nicht ausgeräumt:
- Unrealistische Lärmplanung Trogbau: Die Bahn hält weiterhin die Erstellung der Lärmplanung für den Trogbau auf Basis der geplanten Bauzeiträume nicht für erforderlich. Es gäbe keine Eigentümer im Kernerviertel, denen wegen Nichterreichung des Schwellenwertes von 2-Monaten der Anspruch auf passiven Schallschutz versagt wäre. Dennoch ist es unverständlich, warum der Gutachter der Bahn mit viel zu kurzen Bauzeiträumen operiert.
- Fehlende Transparenz bei der Bautaktung: Aus dem Gutachten ist ebenfalls weiterhin nicht erkennbar, welche Bauarbeiten parallel zum Baufeld 25 in den anderen Trogfeldern laufen. Demenstprechend kann die Aussage im Antwortschreiben, dass die Schallleistung von nur 70 dB(A) pro qm für die parallel stattfindenden Bauarbeiten an anderen Trogbaustellen realistisch sei, nicht nachvollzogen werden. Die Bahn hat angekündigt, dass der Zeitverzug von mindestens einem Jahr beim Trogbau aufgeholt werden soll. Um so wichtiger ist es, dass die Lärmplanung auf dem aktuell geplanten Baugeschehen beruht.
- Unrealistische Tagesbau- und Maschineneinsatzzeiten: Die Bahn kann nach dem Planfeststellungsbeschluss 1.1. für die Herstellung des Trogs zwischen 7 und 20 Uhr, d.h. 13 Stunden arbeiten. Dennoch ist die Lärmplanung des schalltechnischen Detailgutachtens nur auf jeweils maximal 8 Stunden und damit nach der AVV-Baulärm mit Pegelabschlägen von 5 bzw. 10 dB(A) ausgelegt. So sollen die Baumaschinen während der 8 Stunden Bauzeit maximal nur wie folgt im Einsatz sein: Bohrgerät zur Baugrubensicherung max.4 Stunden / Bagger max. 3,2 und Ankerbohrgerät max. 4,5 Stunden bei Aushub und Ankerarbeiten bis 6 Meter / Bagger max. 3,2 , Ankerbohrgerät max. 4,5 Stunden und Rammgerät max. 6 Stunden bei Aushub und Ankerarbeiten ab 6 Meter / Presslufthammer beim Kappen der Pfahlstämme max. 6 Stunden / Baumaschinen zum Betonieren zwischen 4 und 8 Stunden. Diese Maschineneinsatzzeiten erscheinen angesichts des 13-Stunden-Zeitraums, den die Bahn ausschöpfen möchte doch sehr unrealistisch, auch wenn entsprechende Zeiten für Arbeitspausen und Reinigung der Maschine abgezogen werden müssen.
Die Bahn will schließlich laut dem gestrigen Bericht in den Stuttgarter Nachrichten (hier) beim Trogbau mindestens ein Jahr Bauverzug durch Optimierung der Bauarbeiten wieder einholen. Auch Manfred Leger hatte in seinem Interview mit der StZ verstärkte Bauarbeiten am Trogbau angekündigt. Dass dabei im Einschichtbetrieb nur maximal 8 Stunden gearbeitet und die Maschinen noch kürzer nur in den o.g. Zeiträumen im Einsatz sein sollen, erscheint in diesem Zusammenhang völlig unrealistisch. Die Netzwerke werden sich dazu noch einmal an den Vorstand der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH wenden.