Stuttgart 21 wird der Platz um die größte Baustelle Europas von London streitig gemacht. Dort läuft seit 2009 das Regionalexpress-Projekt „Crossrail„, das mit einer Schienenstrecke von 118 Kilometern, davon 42 Tunnelkilometer, die östlichen und westlichen Außenbezirke Londons innerhalb von nur 45 Minuten erreichbar machen will. Die Süddeutsche (hier) berichtet in ihrer Samstagsausgabe darüber. Dabei sollen zehn neue unterirdische Bahnhöfe mit Umsteigemöglichkeiten zu vorhandenen Eisenbahn- oder Untergrund-Linien entstehen.Die in der rushhour überfüllte Tub in London soll damit entlastet werden.
Die Bauarbeiten für das Projekt, bei dem derzeit 10.000 Arbeiter beschäftigt sind und acht Tunnelbohmaschinen für den Vortrieb durch den lehmigen Londoner Boden eingesetzt werden, sollen bis 2018 laufen. Laut Webseite sind 90 % der Tunnel bereits vorangetrieben. Der Ausbau der Bahnhöfe steht noch an. Das Budget ist auf maximal 16 Milliarden Britische Pfund angesetzt, das durch einen Zuschuss der Zentralregierung, eine Sondersteuer für Unternehmen in der City und die erwarteten Fahrpreiseinnahmen gedeckt werden soll.
Ein weiteres Projekt Crossrail 2 ist in der Planung. Bei den CrossRAIL Projecten arbeitet übrigens der erfolgreiche Projektsteuerer Klaus Grewe (StZ/Deut.Baublatt) mit, der 2013/14 für kurze Zeit auch als Mitglied im Beirat zu Stuttgart 21 saß und nach seinem Ausscheiden ein bemerkenswertes Interview der StZ (hier) zu den „Wunschzahlen“ bei diesem Projekt gegeben hatte.
Zwar sind in London auch Gebäude von Enteignungen und Abrissen betroffen. Erstaunlich ist jedoch, dass der Baustellenbetrieb im Gegensatz zu Stuttgart 21 so eingerichtet wurde, dass er die Londoner Bevölkerung wenig belastet. So schreibt die SZ: „Seit fünf Jahren wird im gesamten Stadtgebiet gebaggert, geschweißt, gehämmert und gebohrt. Erstaunlicherweise bekommen die 8,6 Millionen Einwohner davon kaum etwas mit – obwohl es direkt unter ihren Füßen geschieht.“ Ingo Rink, Projektverantwortlicher bei H+E für TBM-Förderbänder, erklärt auf der Webseite eines Industrie-Portals“mit einem Augenzwinkern“: „Schließlich arbeiten wir ja auch in unmittelbarer Nachbarschaft des Buckingham-Palasts. Die Queen darf sich ruhig aufs Babysitten konzentrieren. Wir stören sie nicht mehr als unbedingt nötig mit Baulärm.“
Dass die Bauarbeiten nicht in allen Londoner Vierteln so leise vonstatten gehen, lassen die ausführlichen Unterlagen zum Lärmschutz schließen, die passiven Lärmschutz und ggf. zeitweise Umsiedlungen vorsehen. Möglicherweise nehmen das die Briten mit der Aussicht, dass ihre Immobilien entlang der unterirdischen Schnellbahnstrecke um bis zu 25% an Wert gewinnen, noch gelassener als sonst hin. Zum Abraum findet man auf wikipedia folgende Information: „Der Abraum aus den Tunnelbohrungen beträgt fünf Millionen Tonnen und wird auf dem Schienenweg zur Themseinsel Wallasea transportiert, wo ein Feuchtgebiet-Naturschutzpark entsteht.„#
Auch die Baustelleninformation in London ist deutlich transparenter: Die Webseite des Projekts zeigt auf dem Stadtplan nicht nur die aktuell sich im Bau befindlichen Strecken an, sondern bietet auch die grafische Information für die Anwohner, welche Abschnitte in den nächsten 30 bzw. 90 Tagen von den Tunnelbohrmaschinen vorangetrieben werden sollen. Alle Baustelleninformationen können auch in 13 weiteren Sprachen (darunter Türkisch, Griechisch, Arabisch, Chinesisch,Vietnamesisch und Hindi) angefordert werden.
In Stuttgart müssen sich die Anwohner bislang mit einem Vortriebsstand begnügen, der lediglich die Strecke in Metern anzeigt, ohne dass die Bauarbeiten genau lokalisiert werden können. Zwar wurde bereits Anfang des Jahres im Amtsblatt der Stadt Stuttgart (hier) angekündigt, dass zukünftig die erreichten Tunnelstände auch grafisch auf der Seite www.biss-21.de angezeigt werden sollen. Die Bürgerbeauftragte der Stadt für Stuttgart 21, Alice Kaiser, musste allerdings auf Nachfrage bei der letzten Informationsveranstaltung einräumen, dass die beauftragte Firma dies frühestens bis Ende diesen Jahres realisieren kann.