Die Stuttgarter Zeitung räumte in ihrer heutigen Ausgabe dem Verein Bahnprojekt Stuttgart-Ulm e.V. sowohl auf der Titelseite (hier) als auch im Interview (hier) mit dem neuen Vorsitzenden, dem ehemaligen MdB Georg Brunnhuber, viel Platz ein. Entgegen eines früheren StZ-Berichts wird sich der Verein nicht ausschließlich auf den Betrieb des Turmforums und die Werbung Pro Stuttgart 21 zurückziehen, sondern weiterhin mit der Bauinfo und der städtischen Bürgerbeauftragten Alice Kaiser die Information der von den Baustellen betroffenen Bürger abdecken.
Brunnhuber verspricht in seinem Interview mehr Transparenz: „.…Hier wie dort gilt, dass eines hilft, das wir in Stuttgart auch schon praktizieren: Transparenz, Transparenz, Transparenz. Alles was auf einer Baustelle passieren kann, öffentlich zu kommunizieren und zwar zu einem Zeitpunkt, wo es noch gar nicht passiert ist, ist immer noch die beste Möglichkeit, zu erreichen, dass die Menschen die Erklärung auch akzeptieren. Wenn man erst hinterher mit der Erklärung kommt, ist schon ein Teil skeptisch…Nachts um 11 Uhr mit einer Ramme zu beginnen und kein Mensch weiß es im Voraus: das geht nicht. Das beste Projekt kann madig gemacht werden, wenn die Leute immer erst hinterher merken, dass sich schon wieder etwas geändert hat. Da müssen wir als Verein auch hinterher sein.“ Dies ist auch dringend erforderlich, denn dieses Versprechen wurde bereits vielfach vom Kommunikationsbüro und der Bahn gegeben und nicht eingehalten.
Beispiel Immissionen (Lärm und Erschütterungen): Im April 2014 kündigte Brunnhubers Vorgänger, der Projektsprecher Wolfgang Dietrich, an, dass alle Detailgutachten, Messkonzepte und Messberichte über die Belastungen durch Immissionen online gestellt werden. Dies wird auch in den Präsentationen der Bahn gegenüber den politischen Vertretern von Stadt und Land sowie auf den Anwohnerveranstaltungen entsprechend betont. Nur dem ist nicht so. Bis heute sind die Gutachten zum passiven Schallschutz, in denen für die einzelnen Gebäude bzw. Fassaden der Anspruch auf passiven Schallschutz ermittelt wird, mit dem Hinweis auf den Datenschutz (Anmerkung: als ob die Eigentümerliste nicht zu trennen wäre) nicht online gestellt und werden von der Bahn unter Verschluss gehalten. Lediglich die abschließenden Prognosewerte können die Eigentümer auf Antrag erhalten. Anträge von Eigentümern der Netzwerke auf Einsicht nach dem Umweltinformationsgesetz in den fachlichen Teil dieser Gutachten mit den Berechnungsgrundlagen und den zugrundeliegenden Bauszenarien waren – auch beim EBA – bislang erfolglos. Ob diese mit den veröffentlichten schalltechnischen Detailgutachten übereinstimmen, ist so nicht nachprüfbar.
Weiterhin sind Lärm- und Erschütterungsmessungen -entgegen den von der Bahn mit dem EBA abgestimmten Messkonzepten – nur rudimentär erhoben und noch spärlicher veröffentlicht. Wir haben darüber bereits exemplarisch für Wangen und Untertürkheim sowie für den für den Wartberg berichtet. Ebenso unter Verschluss ist bislang das Detailgutachten zu den durch die Rammarbeiten für den Trogbau im Kernerviertel und in der Umgebung prognostizierten Erschütterungen. Dazu passt die überraschende Ankündigung von Brunnhuber im Interview, dass das Turmforum im Bahnhofsturm wegen dieser Bauarbeiten vorübergehend ausziehen muss. Über die Auswirkungen der Rammarbeiten im Umkreis des Bahnhofs hat die Bahn bisher weder auf den Informationsveranstaltungen im Kernerviertel noch in Interviews informiert.
Beispiel Stand Tunnelvortrieb: Die Bahn veröffentlicht in regelmäßigen Abständen die Anzahl der gegrabenen Tunnelmeter entlang der einzelnen Tunnelstrecken. Dies ist für die Öffentlichkeit wichtig. Die Aufstellung gibt jedoch den vom Tunnelbau betroffenen Anwohnern und Eigentümern keinen Überblick, wo genau sich die Vortriebsarbeiten befinden bzw. unter welchen Häusern die Grabungsarbeiten gerade angelangt sind. Beim Bau des Katzenbergtunnels informierte die Bahn die Anwohner per Schautafeln über die aktuellen Vortriebsstände. Schautafeln sucht man in Stuttgart vergebens. Zwar wurde eine vergleichbare Information über den aktuellen Vortriebsstand in elektronischer Form per Webseite www.biss21.de mehrfach angekündigt (u.a. auch im Portrait der Bürgerbeauftragten in der Januar-Ausgabe des Amtsblatt der Stadt Stuttgart), aber bis heute nicht umgesetzt.
Beispiel Informationen über die geplanten Bauarbeiten (nur ein paar Beispiele): Trotz entgegenlautenden Zusagen wurden Anwohner im Vorfeld von belastenden Bauarbeiten, wie beispielsweise in Untertürkheim, nicht rechtzeitig per Flyer informiert. Rückmeldungen von Anwohnern auf der letzten Informationsveranstaltung in Untertürkheim zeigten, dass auch der Verteilerkreis der Haushalte zu eng bemessen war. Anwohner im Wartberg wurden nicht im Vorfeld in Informationsveranstaltungen über die geplanten jahrelangen Baumaßnahmen bzw. Belastungen durch Lärm informiert. Keine Vorabinformation erhielten die Anwohner des Wartbergs auch über die Bahnfeier, die kurz vor Weihnachten mit dröhnender Musik an dem Tunnelmund stattfand. Die Bahn gibt auch bis heute keine Auskunft, wo das Entrauchungsbauwerk am Killesberg gebaut werden soll. In den Präsentationen der Bahn auf den Informationsveranstaltungen des Kernerviertels wurde bislang kein Zeithorizont gegeben, wie lange die belastenden Bauarbeiten im Umkreis des neuen „Tiefbahnhofs“ insgesamt dauern werden. Es wurden jeweils nur Zeitpläne für das laufende und maximal das kommende Jahr präsentiert…
Die Netzwerke 21 werden daher das Transparenzversprechen von Georg Brunnhuber, dem neuen Vereinsvorsitzenden, dennoch ernst nehmen und dieses auch bei ihm einfordern.