Offenbarungseid: EBA liegen Messprotokolle zu Lärm und Erschütterung nicht vor und weiß auch nicht, wer sie hat

Das Netzwerk Wangen/ Untertürkheim hatte am 11. Januar beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA)/ Außenstelle Stuttgart einen Antrag auf Einsicht nach dem Umweltinformations-gesetz (UIG) in folgende Messunterlagen gestellt:

  • Erschütterungsprotokolle während der Sprengarbeiten vom  November 2014 beim Zwischenangriff Wangen
  • Lärm- und Erschütterungsprotokolle vom 10./11.2015 am Zwischenangriff Benzstraße, Stuttgart-Untertürkeim.

Diese Messunterlagen müssten eigentlich dem EBA als Aufsichtsbehörde  vorliegen. Nach den Planfeststellungsbescheiden zu Stuttgart 21 ist die Bahn als „Vorhabenträgerin verpflichtet, die Messergebnisse zur späteren Beweissicherung zu dokumentieren, aufzubewahren und auf Verlangen dem Eisenbahn-Bundesamt und der sonst zuständigen Überwachungsbehörde bei den Anlagen Dritter vorzulegen. Auf Verlangen hat sie die Betroffenen über die Ergebnisse zu informieren.“ (PFA 1.6a S.38f)

Doch wie reagiert das EBA ? Es lehnt diesen Antrag auf Einsicht in die Unterlagen im Bescheid vom 14.01.2015 mit folgender Begründung ab:

„Das Eisenbahn-Bundesamt ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr.1 UIG zuständig. Allerdings besteht kein Anspruch auf Einsichtsnahme nach dem UIG, da das Eisenbahn-Bundesamt nicht über die von Ihnen angeforderten Unterlagen verfügt. Gemäß § 8 Abs.2. Nr.2 UIG ist der Antrag abzulehnen, es sei denn eine Weiterleitung nach § 4 Abs.3 UIG an die über die Information verfügende Stelle ist möglich. Im vorliegenden Fall ist eine Weiterleitung ausgeschlossen, da mir diese Stelle nicht bekannt ist.“

Dies ist ein weiterer Beleg, dass das EBA seinen Aufsichtspflichten bei den Bauarbeiten von Stuttgart 21 nicht nachkommt und ein Offenbarungseid. Das EBA erklärt nicht nur, dass ihm nicht einmal diese Messprotokolle vorliegen. Es erklärt auch noch, den UIG-Antrag nicht weiterleiten können, da sie nicht einmal wüssten, bei welcher Stelle diese Messunterlagen vorliegen würden. Diese Unterlagen müssten jedoch bei der Bahn bzw. der Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH vorhanden sein. Doch das EBA hält es nicht einmal für nötig, diese Unterlagen anzufordern, obwohl es dazu das Recht (s.o.) hätte.

Das EBA hat erkennbar kein Interesse daran, diese Unterlagen zu erhalten. Die Erschütterungsprotokolle sind nämlich auch für die ermittelnde Polizei im Zuge der Strafanzeige von 27 Wangener Bürger wegen Störung der Nacht- sowie der Sonn- und Feiertagsruhe von Interesse.  Auf einen UIG-Antrag der Wangener SÖS-Linke-Plus-Bezirksbeirätin Barbara Weber hatte der Abschnittsleiter des PFA 1.6a, Matthias Breidenstein, am 24.11.2014 schriftlich per Mail zugesagt, dass die Lärm- und Erschütterungsprotokolle der Sprengarbeiten in Wangen bis spätestens 5.12.2014 ins Netz gestellt werden. Bis heute ist nur ein Lärmgutachten in Wangen über einen Messzeitraum von 24 Stunden (!) veröffentlicht. Dieses hatte aufgezeigt, dass die nächtlichen Sprengungen wegen Überschreitung der AVV-Richtwerte unzulässig waren. Über die durch die Sprengungen verursachten Erschütterungen, die die Anwohner in Wangen mehrere hundert Meter weit spürten, ist bis heute kein einziges Protokoll auf der Webseite eingestellt. Mehr dazu unter unseren Beiträgen vom 20.12.2014 und 27.11.2014. Die Desinformation in Wangen zeigt sich auch beim Vortriebsstand des Stollens, der seit dem 3.11.2014 (!)  trotz der laufenden Grabungs- und Sprengarbeiten mit 104,9 Meter bis zum heute (hier)  offiziell keinen einzigen Meter vorangekommen ist. Eine Übersicht der Netzwerke über die jeweiligen Vortriebsstände  finden Sie hier.

Und bei den  Lärm- und Erschütterungsprotokollen für die letzten Bauarbeiten in Untertürkheim müsste das EBA auch nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes einen prüfenden Blick hinein werfen, inwieweit die gemessenen Werte die Richtwerte der AVV-Baulärm überschreiten und ob entsprechende Schutzmaßnahmen vorgenommen wurden. Einmal abgesehen von der Frage, ob die Bauarbeiten am letzten Sonntag in Untertürkheim zulässig waren. Bis heute beantragt die Bahn keine Ausnahmegenehmigung bei der zuständigen städtischen Behörde.

Auch in Untertürkheim kommt die Bahn ihrem Transparenzversprechen nicht nach. Bislang wurde auf der Internetseite zu den Schallmessungen  und Erschütterungsmessungen für die extrem lauten Rammarbeiten in Untertürkheim nur die eines einzigen Tages (14.9.2013) veröffentlicht. Alle anderen Messprotokolle sind bisher unter Verschluss. Das Netzwerk Untertürkheim und das Infobündnis Zukunft Schiene mussten diese Daten immer wieder durch UIG-Anfragen in Erfahrung bringen. Dabei stellte sich heraus, dass die veröffentlichten Messwerte am 14.09. weit unter den Folgetagen lagen, die Pegel bis zu 100 dB(A) aufwiesen. Die Übersicht des Infobündnisses über die gemessenen Schallpegel in Untertürkheim finden Sie hier.

Update: Die Netzwerke haben zur Antwort des EBA am 19.1. eine Pressemitteilung (hier) herausgegeben.

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