Die beiden Stuttgarter Zeitungen (hier) melden heute, dass für Stuttgart 21 50% der insgesamt 8 Millionen Tonnen Aushub mit Zügen abstransportiert wurden. Und der SWR (hier) schreibt: „Seit dem Start der Bauarbeiten zu Stuttgart 21 im Juni 2014 hat die Deutsche Bahn (DB) vier Millionen Tonnen Erde am Stuttgarter Hauptbahnhof mit Hilfe von Zügen abtransportiert. Bis zur Fertigstellung müssen rund acht Millionen Tonnen Bodenmaterial für den Tunnelbau weichen, teilte die DB am Montag mit. Je nach Verfahren wird die Erde direkt vom Nordbahnhof abtransportiert oder zuvor zwischengelagert und erst nach Bodenarten aufgeteilt. Die Stuttgarter Erde wird unter anderem für die Landesgartenschau 2018 in Lahr oder ökologische Renaturierungen in Deutschland genutzt.“
Die Meldungen beziehen sich auf eine ausführliche Pressemitteilung der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH „Die Hälfte ist weg“ vom 20.April 2017 (hier). In einer weiteren Pressemitteilung der PSU (hier) heißt es: „4.000 Zugabfahrten bedeuten den Abtransport von rund vier Millionen Tonnen Erde und Gestein. Wolf-Dieter Tigges, DB-Projektleiter für die zentrale Baulogistik, sagte bei der feierlichen Abfahrt: „Um sich eine Vorstellung machen zu können: die vier Millionen Tonnen Erde und Gestein, die bisher abtransportiert worden sind, entsprechen ungefähr der Auffüllung der Grundfläche des Ulmer Münsters auf eine Höhe von 205 Metern.“
Das ist eine beachtliche Menge. Dennoch müssen hier doch noch ein paar Anmerkungen machen:
- Die in den Presseberichten genannte Zahl von 8 Millionen Tonnen Aushub bezieht sich nur auf den Anteil, der über die Innenstadt bzw. der zentralen Baulogistik abgewickelt werden soll. Insgesamt müssen für das Bauprojekt Stuttgart 21 rund 20 Millionen Tonnen Erde und Gestein abtransportiert werden, davon 3 Millionen Tonnen über den Logistikbereich Neckar und 9 Millionen über den Logistikbereich Filder. Dies ergibt sich aus einer Folie in der Präsentation der PSU vor dem Umwelt- und Technikausschuss des Gemeinderates vom Juli 2014. Wieviel von dieser Gesamtmenge in diesen beiden Logistikbereichen abtransportiert ist, wurde bislang nicht von der PSU kommuniziert.
- Die ersten Tunnelvortriebsarbeiten im Innenstadtbereich für Stuttgart 21 starteten im Herbst 2013, die Bauarbeiten für den „Tiefbahnhof“-Trog im August 2014. Dennoch verzögerte sich die Fertigstellung der nach der Planfeststellung erforderlichen Baulogistikstraßen zwischen dem Hauptbahnhof und der zentralen Baulogistikfläche bis Ende März 2015. Das Förderband an der Rettungszufahrt neben dem Wagenburgtunnel zum Abtransport des Abraums aus dem Tunnelvortrieb wurde erst im Februar 2016 in Betrieb genommen. Anwohner des Nordbahnhof- und des Kernerviertels beklagten den Abtransport per Lkw durch die verspätete Fertigstellung der Baulogistik-Infrastruktur. Wir hatten darüber u.a. in unserem Beitrag „Stuttgart 21- Ein rücksichtsvolles Baustellenkonzept?“ berichtet.
- Die zentrale Baulogistikfläche am Nordbahnhof wird Ende 2018 laut einem bislang wenig beachteten Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 20.März 2017 (hier) dicht gemacht. Auch die Baulogistikstraße soll aufgegeben werden, weil die Nordbahnhofbrücke wegen dem Bau des S-Bahn-Tunnels abgerissen werden muss. Aus der Meldung geht nicht hervor, wann dies der Fall ist. Damit steht in spätestens 19 Monaten die Infrastruktur für die Baulogistik im Stuttgarter Zentrum nicht mehr zur Verfügung. Dabei müssen noch 4 Millionen Tonnen Erde und Gestein abtransportiert werden.
- Wegen des schleppenden Baufortschritts hinkt die Bahn laut der StZ den Vorgaben ihres ursprünglichen Logistik-Konzepts hinterher. Eigentlich sollten nach der 2014 vorgestellten Mengenplanung, über die wir anlässlich der Vergabe der zweiten Tranche berichtet hatten, bereits deutlich mehr abtransportiert sein.
- Laut StZ soll nun 2017 der Baustellenverkehr seinen Höhepunkt erreichen und allein in diesem Jahr 24%, fast 2 Millionen Tonnen Aushub, abtransportiert werden. 2018 sollen dann nochmals 19 Prozent sein. Ob diese hohen Zahlen tatsächlich erreicht werden, bleibt abzuwarten.
- Ansonsten wird sich der bislang mit 8 Prozent des Aushubs veranschlagte Anteil, der nach Schließung der Baulogistikfläche ausschließlich per Lkw aus der Stuttgarter Innenstadt abtransportiert werden muss, noch erhöhen. Die angrenzenden Wohnviertel wären damit erneut noch mehr durch den Baulogistikverkehr belastet. Zumal die Anlieferung des Baumaterials für den Tunnelbau häufig nicht über die Baulogistikstraße, sondern über das öffentliche Straßennetz und damit auch entlang der Wohngebiete erfolgt. Darunter leiden insbesondere die Anwohner des Nordbahnhofviertels. Betroffene Mitglieder der Stadtteilgruppe Nordlichter hatten sich in mehreren Schreiben an die Aufsichtsbehörden und in einer Strafanzeige dagegen gewehrt.
- Merkwürdig erscheint auch, dass die StZ auf Anfrage von der PSU die Auskunft erhielt, dass „Ende 2016 nur 49 Prozent der Massen transportiert“ waren. Wenn jetzt fast vier Monate später gerade einmal ein Prozent mehr, nämlich 50% des geplanten Abraums abtransportiert wurden, dann kann die damalige Auskunft der PSU gegenüber der Zeitung nicht korrekt gewesen sein.