Gestern fand der 16.Lenkungskreis zu Stuttgart 21 statt. Im Vorfeld verlangten die Projektpartner von Stadt, Land und Region laut Südwestpresse/dpa (hier) „von der Deutschen Bahn (DB) Klarheit über Zeit- und Kostenplanung… Die Stadt Stuttgart und das Verkehrsministerium erwarten, dass Bahn-Vertreter die Ergebnisse eines Gutachtens und eines Berichts des Bundesrechnungshofs erläutern.“ Doch nach den Presseberichten liegt den Projektpartnern der Prüfbericht des Bundesrechnungshofs nur in Teilen vor. Die Expertise der KPMG wird weiterhin unter Verschluss gehalten. Man muss wieder einmal auf die Erläuterungen des Bahnvorstands vertrauen.
Die Stuttgarter Zeitung (hier) schreibt dazu: „Die Bahn zeigt sich weiterhin zuversichtlich, sich im Finanzierungsrahmen von rund 6,5 Milliarden Euro zu bewegen. Zwei Drittel der Vergaben seien bei Stuttgart 21 getätigt, sagte Kefer. Bis Jahresende werden zwei Milliarden Euro ausgegeben sein, 54 Prozent der vorgesehenen 6,5 Milliarden Euro seien vertraglich gebunden. „
Oberbürgermeister Kuhn kritisierte auf der Pressekonferenz in der SWR-Landesschau (hier) verhalten die Informationspolitik des Bundes. Verkehrsminister Winfried Hermann hält trotz Zeitverzugs die Einschätzung der KPMG, die eine Einhaltung eines Kostenrahmens zwischen 6,3 bis 6,8 Milliarde Euro prognostizieren, für realistischer. Dass der Bundesrechnungshof in seinem Gutachten auch Kosten aufgelistet hat, die die Deutsche Bahn AG außerhalb der Finanzierungsvereinbarung zu Stuttgart 21 tragen muss, wie z.B. Zinskosten oder Kosten für den Gleisrückbau, bleibt bei dieser Betrachtung außen vor.
Weiter Dissens herrscht bei der Frage über die Finanzierung der 2 Milliarden Mehrkosten, die der Aufsichtsrat der DB AG 2013 über dem vertraglichen vereinbarten Kostenrahmen für Stuttgart 21 freigegeben hatte. Der Rechtsstreit steht weiterhin im Raum. Minister Hermann bezeichnet im SWR-Interview (hier) die Klage, die der Bahnvorstand androht, als „geradezu unangemessen und unverschämt„.
Viel mehr Informationen als in der letzten Lenkungskreispräsentation ist dieses Mal nicht enthalten. Die Vortriebsstände sind jetzt zumindest in Prozentzahlen, wenn auch ohne Sollzahlen, angegegeben. Doch anhand der Lenkungskreisunterlagen, die die Bahn den Projektpartnern präsentierte, ist weiterhin nicht erkennbar, wie der Zeitverzug konkret aufgeholt werden soll.
Der Baufortschritt von Stuttgart 21 hinkt nach eigenen Angaben dem Zeitplan um bis zu zwei Jahre hinterher (Folie 1 / Folie 2). Die Bahn fordert laut den Stuttgarter Nachrichten (hier) „deutlich größere Freiheiten beim Bau… Um schneller bauen zu können, fordert Bahn-Vizechef Volker Kefer von der Genehmigungsbehörde schnellere Freigaben.“ Damit soll zumindest eines der zwei Jahre Verzögerung beim Bau des „Tiefbahnhofs“ eingeholt werden. Die StN schreibt: „Darüber informierten die Baupartner am Montag nach der Sitzung des S21-Lenkungskreises. Sie erwarten, dass die Genehmigungsbehörde, das Eisenbahn-Bundesamt (Eba), erhebliche Änderungen am Bauablauf zulässt.“
Ein Blick in die Lenkungskreisunterlage (hier) zeigt, dass laut einer Folie die Verspätungen und der Aufholbedarf besonders am Südkopf besteht. Die Anwohner des Kernerviertels sind von einer Ausweitung des Baustellenbetriebs, der jedoch aber nicht konkretisiert wird, unmittelbar betroffen. In der Lenkungskreisunterlage ist in einer Folie nur von Workshops mit der Stadt Stuttgart die Rede. Die StN schreibt: „OB Fritz Kuhn (Grüne) sagte, um Zeit aufzuholen, müssten „Verkehrsführungen optimiert werden“, außerdem könne man „gleichzeitig graben“, der Grundwasserschutz müsse natürlich gewahrt sein. Er gab damit einen Hinweis auf die Möglichkeit, im Schlossgarten mehr Segmente für den Bahnhofstrog gleichzeitig zu erstellen. Limitierender Faktor ist hier bisher die Begrenzung der Wasserentnahme. Kefer wurde nicht konkret.“
Gleichzeitig sind laut der Lenkungskreisfolie beim Eisenbahn-Bundesamt allein für Stuttgart 21 vierzehn Planänderungsverfahren in der Bearbeitung, weitere zwanzig in Vorbereitung und das EBA dafür weiterhin nicht personell ausgestattet. Das ab 2017 anstehende Planfeststellungsverfahren für den Abstellbahnhof in Untertürkheim wird noch nicht einmal in der Auflistung erwähnt. Wegen des Rückstaus an Verfahren wird auch die Bonner Zentrale und andere EBA-Außenstellen in die Bearbeitung von Planänderungsverfahren miteinbezogen. Das Thema Brandschutz ist erneut in der Lenkungskreispräsentation nicht zu finden. Mit einer Genehmigung der Planänderung zu den geänderten Fluchtwegen rechnet die Bahn im April 2017.
Auch die Immissionen bei Stuttgart 21 wurden auf dem Lenkungskreis besprochen. Die Bahn berichtete in einer Folie über die getroffenen baulichen Maßnahmen am Zwischenangriff Prag. Es geht allerdings nicht aus der Folie hervor, dass die Bahn auch darüber informierte, dass die Reduzierung des Pegels wieder von der mit fortschreitendem Tunnelvortrieb erforderlichen Erhöhung der Lüfterleistung aufgezehrt werden wird. Eine weitere Nachricht wird die Untertürkheimer Anwohner des Lindenschulviertels belasten. In der Folie heißt es: „Sprengvortrieb in Wohngebieten wird ab Januar 2017 von 22 auf 24 Uhr erweitert. Hohe Belastung für Anwohner durch durchgehendes nächtliches Meißeln kann damit verhindert werden.“ Diese Genehmigung ist jedoch sicherlich weniger der Sorge um die Gesundheit der Anwohner als dem hinterherhinkenden Zeitplan geschuldet.
Darüber hinaus war der millionenschwere Ausbau der Bahninfrastruktur nach Stuttgart 21 bis zum Jahr 2050 ein Thema des Lenkungskreises. Die Stuttgarter Zeitung (hier) schreibt: „Mit S 21 sind ja nicht alle Probleme auf einen Schlag gelöst“, erklärte Landesverkehrsminister Winfried Hermann im Anschluss an die 16. Lenkungskreissitzung am Montag. Über die Frage, an welchen Stellen im Bahnknoten Stuttgart weitere Ausbauten nötig sind, wolle man sich mit den Projektpartnern austauschen.“ Die Auflistung der in der Lenkungskreisfolie aufgeführten Engpässe wird S21-Kritiker und manchem aufmerksamen Zuschauer der Schlichtung bekannt vorkommen, wie beispielsweise der Erhalt der Gäubahnpanoramastrecke, der kreuzungsfreie Ausbau der Wendlinger Kurve sowie zwei weitere Zulaufgleise von Norden her.