Im März 2016 hatte der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG ein neues Gutachten zu Stuttgart 21 in Auftrag gegeben. In diesem Gutachten sollten die Risiken und Kosten des Großprojekts untersucht und die Ergebnisse am 6.September im Aufsichtsrat vorgestellt werden. Darüber hatten wir anlässlich eines StZ-Artikels im Juni nach der letzten Aufsichtsratssitzung einen Beitrag veröffentlicht.
Jetzt berichtet die Südwestpresse in ihrer morgigen Ausgabe (hier): „Das von der Bahn bestellte Gutachten zu Finanzierung und Kostenentwicklung bei S21 verzögert sich offenbar. Statt September steht nun Dezember im Raum… Nach Informationen des grünen Bundestagsabgeordneten und bahnpolitischen Sprechers der Partei aus Filderstadt, Matthias Gastel, wird das Papier der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG nicht wie geplant zur nächsten Aufsichtsratssitzung im September fertig“.
Dies ist in der Tat überraschend. Projektchef Manfred Leger hatte noch im April 2016 in seinem StZ-Interview (hier) erklärt: „Da müssen wir etwas gerade rücken. Die drei Geschäftsführer der Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm haben letzten Sommer beschlossen, dass wir die Kosten- und Terminsituation für uns selbst im Detail neu bewerten. Zuletzt war das 2012 gemacht worden. In den nächsten Tagen sind wir damit fertig. Was der Aufsichtsrat beschlossen hat, ist nicht eine neue Kostenbewertung, sondern unsere zu nehmen und testieren zu lassen“.
Und Noch-Bahnvorstand Volker Kefer erklärte auf der letzten Pressekonferenz des Lenkungskreises (Video, ab Min. 4:10) zur Prüfung der vom Aufsichtsrat beauftragten Wirtschaftsprüfer:
„Wir, die Bahn inclusive Vorstand und Aufsichtsrat, stehen weiterhin zu dem Projekt. Das ist keine Frage. Dieses Projekt wird zu Ende gebaut und der Aufsichtsrat hat in seiner Sitzung am 15.6. keinen weiteren Handlungsbedarf entdeckt. Was wir noch laufen haben im Moment ist eine – kurz nach dem Jahresbeginn, im Frühjahr- vom Aufsichtsrat eine indizierte, externe Nachschau unserer Berichterstattung, die im September in der Aufsichtsratssitzung berichtet wird. Von der wir aber ausgehen – da sie auf der gleichen Datenbasis aufbaut- dass sie die Berichterstattung, die wir heute vorgestellt haben, bestätigten wird. Insofern erkennen wir heute, dass unsere Bestandsaufnahme als Solches den vorgestellten Gremien und Institutionen plausibel erscheint. Wir haben parallel, am 15.6.,in der Aufsichtsratsitzung die Bestätigung dazu von PWC und durch den vom Aufsichtsrat eingerichteten Beirat erhalten. Und dass diese Berichterstattung, so wie sie gemacht worden ist, nicht den Aufsichtsrat dazu veranlasst hat, in irgendeiner Form an dem Projekt jetzt etwas zu verändern.“
Die Bestätigung der „plausiblen“ Bestandaufnahme der Projektgesellschaft zu Stuttgart 21, die Volker Kefer den Projektpartnern und der Öffentlichkeit hier ankündigte, scheint den Wirtschaftsprüfern der KMPG nun doch nicht so leicht zu fallen. Dabei hatte die Bahn laut Volker Kefer von PWC, den derzeitigen Konzernprüfern, im Juni im Aufsichtsrat anscheinend eine entsprechende Bestätigung erhalten.
Dass der Bundesrechnungshof laut Stuttgarter Zeitung in einem noch nicht veröffentlichten Prüfbericht eine Kostenprognose zu Stuttgart 21 in der Größenordnung von 10 Milliarden Euro vorgenommen hat, könnte die Prüfer dazu veranlassen, doch etwas genauer bei dem „eigenwirtschaftlichen“ Bahnprojekt hinzuschauen. Zumal auch die KPMG mit ihrem Image seit ihrer 6,25 Millionen teuren Fehleinschätzung zum Verkauf des Regionalflughafens Hahn zu kämpfen hat (Spiegel / Wirtschaftswoche 1 / Wirtschaftswoche2).
Update 04.08. / Reaktionen auf die Ankündigung der Verschiebung:
Stuttgarter Zeitung:Land und Stadt fordern Sitzung /Pressemitteilung des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21: Bahn drückt sich vor dem nächsten Offenbarungseid