StN: Gutachten sieht S21 bei mehr als 8,5 Milliarden Euro. Projektpartner greifen tief in Risikotopf

Die Stuttgarter  Nachrichten berichten heute (hier), dass die Kosten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 nach einer neuen Berechnung des Münchener Beratungsbüros Vieregg Rössler mehr als 8,5 Milliarden Euro erreichen werden. Damit müsste die Bahn 4 Milliarden über den vertraglich mit Land, Stadt und Region abgeschlossenen Vertrag von 4,5 Milliarden Euro hinaus finanzieren. Das Gutachten ist noch nicht veröffentlicht und soll übermorgen in Berlin anlässlich der Aufsichtsratssitzung der Bahn AG übergeben werden.

Das Beratungsbüro Vieregg Rössler – so die StN – hatte bereits „im Juli 2008 in einer Studie im Auftrag von Grünen und Bund für Umwelt und Naturschutz Baukosten von rund 6,9 Milliarden Euro genannt. Das Büro kam der Summe, die der Bahn-Vorstand 2012 gegenüber dem Aufsichtsrat einräumen musste, damit sehr nahe. Das Beratungsbüro orientiert sich bei seinen Berechnungen laut Vieregg immer an schon fertig gestellten Projekten.

Die Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH gab zeitgleich eine Pressemitteilung (hier) heraus, in der sie die Plausibilität ihrer Kalkulation für Stuttgart 21 betont: „Bis zum Jahresende 2015 seien für Stuttgart 21 insgesamt bereits nahezu 70 Prozent des für Bauaufträge vorgesehenen Volumens vergeben… Für die noch ausstehenden Vergaben erklärt die Bahn, ihre Kalkulation jeweils mit einer verlässlichen Abschätzung der anzunehmenden Preissteigerungen zu untermauern: Zu erwartende Nachträge werden laut DB detailliert je Bauvertrag abgeschätzt und hierfür Puffer in der Kalkulation gebildet.“

Selbst wenn die Vergabevolumen erst einmal im Rahmen bleiben. Nachträge sind ein Kostentreiber bei Großprojekten. Die Zeit berichtete darüber im Juli 2014 in „Hier ruhen unsere Milliarden“ und die Welt in Warum Großprojekte schief gehen . Auch für Stuttgart 21 attestierte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC ein hohes Risiko wegen unzureichender Puffer für Nachträge. Die Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm GmbH hat darauf mit 30 „Anti-Nachtragsmanagern“ reagiert. Darüber haben wir im Beitrag „StZ: Bahn veröffentlicht S-21-Risikoliste von 2011“ berichtet.  Parlamentarische Anfragen zu den Kostenberechnungen der Bahn und den Kritikpunkten der Wirtschaftsprüfer PWC haben 2013 die Grünen-Fraktion (hier) und 2014 die Linken-Fraktion (hier) des Bundestages gestellt.

Update 15.12.2015: Gestern noch hatte die Bahn dementiert, dass mit weiteren Kostensteigerungen bei Stuttgart 21 zu rechnen sei. Heute berichten die Stuttgarter Nachrichten (hier), dass sechs Jahre vor der von der Bahn avisierten Inbetriebnahme  die ersten 400 Millionen aus dem mit 1,45 Milliarden Euro gefüllten Risikotopf von den Projektpartnern finanziert werden müssen. Inzwischen seien, so die StN, diverse Risiken eingetreten. Wenn man die Risikoliste des damaligen Projektchefs Hany Azer durchliest, kommen einem in der Tat einige Risiken, wie beispielsweise ungeklärter Brandschutz, erhöhter Grundwasserandrang, vergessene unterirdische Leitungen oder die Verschiebung des Eröffnungstermins um ein Jahr, mehr als bekannt vor. Realistisch ist, dass die von der Bahn verursachten Zeitverzögerungen von den Firmen in Rechnung gestellt werden. Dabei sind jedoch zum November 2015 nur 19% der Tunnelstrecken für Stuttgart 21 vorgetrieben und nicht einmal eines der fünfundzwanzig Baufelder für den „Tiefbahnhof“ fertig gestellt, geschweige denn die Bodenplatte gegossen. Bei den Tunneln stehen die kritischen Vortrieb im Anhydrit noch an und die von der Bahn finanzierten SSB-Bauarbeiten am Südkopf sind auch erst richtig angelaufen. Dass für die restliche Bauzeit der Risikopuffer ausreichend gefüllt sein soll, erscheint nicht realistisch.

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